Vorbildliche Photosynthese - Wie Grünalgen unsere Nutzpflanzen verbessern könnten
Archivmeldung vom 14.05.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittGrünalgen betreiben Photosynthese, genau wie Pflanzen.Algen haben diesen Prozess allerdings verbessert. Mit Hilfe von speziellen Mikrostrukturen, den Pyrenoiden, sind sie in der Lage die Effizienz zu steigern. Wie genau das funktioniert, interessierte ein internationales Wissenschaftsteam, dem Forscher rund um Prof. Mark Stitt vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm angehören. Zusammen mit Dr. Martin Jonikas aus Stanford untersuchten sie die Algenphotosynthese und fanden heraus, wie Grünalgen es anstellen effektiver Photosynthese zu betreiben als Nutzpflanzen. Die neuen Erkenntnisse könnten Möglichkeiten bieten Erträge von Nutzpflanzen zu erhöhen.
Die Photosynthese ist der biochemisch wichtigste Prozess auf der Erde, da er nahezu alles Leben ermöglicht. Kohlenstoffdioxid wird hierbei aus der Atmosphäre aufgenommen und mit Hilfe der Energie des Sonnenlichts und unter Verbrauch von Wasser zu Zucker, einem Energieträger, umgebaut. Ein einzigartiger Prozess auf den Menschen und Tiere gleichermaßen angewiesen sind.
Als Nebenprodukt entsteht Sauerstoff, der zurück in die Umgebung entlassen wird. Über Milliarden von Jahren bildete sich so unsere heutige Atmosphäre, die wir zum Atmen benötigen. Wie aber laufen Photosyntheseprozesse in Pflanzen und anderen photosynthetisch-aktiven Organismen ab? Mit dieser Frage beschäftigen sich Pflanzenforscher weltweit.
Im Laufe der Evolution haben sich verschiedenste Möglichkeiten herausgebildet, um Photosynthese zu betreiben. Die Grundstruktur des Prozesses ist dabei immer gleich, aber der Ablauf wurde in verschiedenen Lebewesen unterschiedlich angepasst und sogar verbessert. Ein Forschungsteam um Prof. Mark Stitt am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie untersuchte deshalb zusammen mit Kooperationspartnern aus Stanford, Cambridge, Missouri und Bayreuth, wie es Grünalgen gelungen ist die Photosynthese effizienter zu machen.
Das wichtigste Protein im Photosynthese-Prozess ist die sogenannte Rubisco. Dieses Protein bindet das Kohlendioxid aus der Luft. Es gibt allerdings ein Problem, das die Effizienz der Photosynthese erheblich beeinträchtigt: Rubisco kann nämlich nicht nur mit Kohlendioxid (CO2), sondern auch mit Sauerstoff reagieren. Vor 3 Billionen Jahre, also noch bevor die Photosynthese überhaupt entstand, war C02 das dominierende Element in der Erdatmosphäre, während Sauerstoff nahezu gar nicht vorkam. Eine Konkurrenz um das Protein gab es damals nicht. Aufgrund der Entstehung von Organismen mit der Fähigkeit Photosynthese zu betreiben, änderte sich die Zusammensetzung der Atmosphäre über die Zeit aber dramatisch. Heute kommen beide Stoffe in unserer Atmosphäre vor, wobei die Sauerstoffkonzentration mit 21% deutlich über dem CO2-Vorkommen von 0,04% liegt. Die beiden Elemente stehen nun um die Bindung an Rubisco in Konkurrenz zueinander.
Die Reaktion von Rubisco mit Sauerstoff führt zur Produktion von giftigen Stoffen im Organismus. Um Schaden abzuwenden müssen diese Stoffe dann mit hohem Energieaufwand abgebaut werden. Aber nicht nur das, denn gleichzeitig kann auch weniger CO2 gebunden werden, was den Energieverlust weiter in die Höhe treibt. Damit es nicht zu diesen Energieverlusten kommt, haben einige Organismen Mechanismen entwickelt CO2 anzureichern, um so den Sauerstoff zu verdrängen und diese ungewollten Reaktionen zu umgehen. Dies steigert die Photosynthese-Effizienz.
Neben Pflanzen wie Mais und Zuckerrohr, gehören auch verschiedene Grünalgen zu den Organismen, die CO2 anreichern können. Während der Prozess in Pflanzen komplex ist, gelang es den Algen auf recht einfachem Weg die Photosynthese zu verbessern. Sie haben hierfür eine ganz besondere Mikrostruktur, das sogenannte Pyrenoid. Diese Struktur ist in nahezu allen ozeanischen Lebewesen mit Zellkern, die Photosynthese betreiben, vorhanden. So auch in dem Modellorganismus Chlamydomonas reinhardtii, eine im Süßwasser vorkommende Grünalge, die weltweit verbreitet ist. Die Pyrenoide dieses Modelorganismus untersuchte das Wissenschaftsteam genauer. Denn wie genau das Protein Rubisco eigentlich im Pyrenoid verpackt wird, um mit dem hochkonzentrierten CO2 in Kontakt zu kommen, war bisher unklar. Das Potsdamer Forschungsteam entwickelte hierfür ein Verfahren zur Analyse des Pyrenoids und bestimmte die dort vorhandene Proteinzusammensetzung. Hier fanden sie wie erwartet die Rubisco, aber auch ein Hilfsprotein, welches bei der Strukturanpassung der Rubisco hilft, und ein weiteres, bisher unbekanntes Protein.
Das neue Protein wurde eingehend untersucht. „Wir stellten fest, dass dieses bisher unbekannte Protein bei einer Verringerung der CO2-Konzentration stark angereichert wird. Und auch das Pyrenoid selbst wurde unter diesen, für die Alge schlechten, Bedingungen größer“, erklärt Tabea Mettler-Altmann, ehemalige Doktorandin in diesem Projekt. Um die Funktion des Proteins genauer zu bestimmen, nutzte das internationale Team auch eine Mutante von Chlamydomonas, die dieses neue Protein nicht bildete. „Diese Mutante zeigte eindeutige Defekte. Ihre Pyrenoide waren kleiner und die Rubisco konnte nicht mehr in diesen Organellen verpackt werden“, beschreibt Prof. Mark Stitt die Untersuchungen. Außerdem war die Mutante stark darin eingeschränkt überhaupt Photosynthese in einer Umgebung mit geringen CO2-Konzentrationen zu betreiben. Das Forschungsteam zeigte somit, dass dieses bisher unbekannte Protein eine wichtige strukturelle Rolle in der Pyrenoid-Biosynthese spielt. Deshalb schlugen sie den Namen „Essential Pyrenoid Component 1“, kurz EPYC 1 vor, also eine für den Pyrenoidaufbau notwendige Verbindung.
Darüber hinaus konnte nachgewiesen werden, dass auch andere Algen mit Pyrenoiden EPYC1-ähnliche Proteine besitzen. Dies weist darauf hin, dass dieser recht einfach Mechanismus mehrfach im Laufe der Evolution parallel entstanden ist. Es stellt sich nun die Frage, ob dieser simple Prozess auch in Nutzpflanzen übertragbar ist? Sollte dies möglich sein, könnte eine erhebliche Effizienzsteigerung der pflanzlichen Photosyntheseleistung und damit höhere Erträge erzielt werden. Auf diese Weise könnten zukünftig evtl. die Erträge von Nutzpflanzen wie Reis, Weizen oder Kartoffeln um bis zu 60% gesteigert werden, was im Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung und einer schwindenden Agrarfläche eine gute Nachricht wäre.
Quelle: Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie (idw)