2,4 Millionen Wildschweine in Deutschland
Archivmeldung vom 22.12.2020
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Freigeschaltet durch André OttDie seit Jahrzehnten steigende Zahl der Wildschweine ist trotz tierschutzwidriger Maßnahmen wie der Aufhebung von Schonzeiten, der Jagd zu Nachtzeiten mit künstlichen Lichtquellen, dem Einsatz von Saufängen und der Intensivierung von Drückjagden nicht aufzuhalten.
In einem offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner führt die Tierschutzorganisation Wildtierschutz Deutschland diese Entwicklung auf die schlechte Beratung durch die eigenen Behörden zurück. Im Wesentlichen seien der großflächige Anbau von Raps und Mais und eine völlig unstrukturierte, weil nach persönlichen Präferenzen der Jäger durchgeführten Jagd die Hauptursachen der nicht zielführenden Maßnahmen zur Begrenzung der als relativ hoch empfundenen Schwarzwildbestände.
Ziel müsse es sein, die in den nächsten Jahren zwischen 1,4 und 2,4 Millionen schwankende Zahl der Wildschweine auf diesem Niveau zu begrenzen. Wildtierschutz Deutschland empfiehlt dazu die folgenden Maßnahmen:
- Zentrale, bundesweite Koordinierung eines Schwarzwild-Bestandsmanagements. Ziel: koordinierte einheitliche bundesweite Vorgehensweise in den Revieren.
- Reduzierung des Jagddrucks. Jagdlicher Eingriff ausschließlich in die Klasse der Frischlinge und Überläufer. Ggf. finanzieller Anreiz. Verbot des Abschusses von gesunden adulten Tieren. Ziel: Hohes ASP-Ansteckungsrisiko durch Frischlinge reduzieren. Aufbau und Förderung von reproduktionsmindernden, artgerechten Sozialstrukturen.
- Verbot von revierübergreifenden Drück-Stöberjagden. Ziel: Beibehaltung der Ortstreue adulter Tiere und damit Reduktion der Streifgebietsumfänge.
- Schaffung besserer Überwachungsinstrumente für die Populationsdichte von Wildschweinen, die möglicherweise nicht auf Jagddaten basieren (Monitoring).
- Förderung der Forschung zu den Möglichkeiten der Verabreichung von Kontrazeptiva in Problemzonen (z.B. Stadtgürtel, räumliche Nähe zur Massentierhaltung). (EU-zugelassene Kontrazeptiva für Hausschweine gibt es bereits. Diese sind unbedenklich hinsichtlich der Lebensmittelgewinnung. Die Verabreichung von Impfungen an Schwarzwild wurde z.B. in Katalonien bereits erfolgreich praktiziert.)
- Förderung der Forschung zur Dynamik der Wildschweinpopulationen und den Möglichkeiten zur Kontrolle und der räumlichen und zeitlichen Lenkung von Schwarzwildbeständen. - Förderung der Forschung zur Entwicklung von Impfstoffen (für Hausschweine) gegen die Afrikanische Schweinepest.
- Die europaweite Agrarpolitik sollte die Auswirkungen auf die Dynamik der Wildtierpopulation beim Management von Wildtierkrankheiten berücksichtigen. Das Gegenteil ist der Fall. In Deutschland werden inzwischen allein Mais und Raps auf einer Fläche, die der Größe von Mecklenburg-Vorpommern entspricht, angebaut.
- Erarbeitung von Agrarförderkonzepten, welche Anreize schaffen, der Hauptursache der Schwarzwildzunahme und vieler anderer Probleme, der zunehmenden Intensivierung und Industrialisierung der Landwirtschaft, entgegenzuwirken (z.B. Prämien für kleinflächige und vielfältige Anbauformen).
Die derzeitigen, seit Jahren nicht erfolgreichen Maßnahmen resultieren letztlich aus dem Herdenverhalten der zuständigen Politiker und deren Berater und werden nach jahrelangem Misserfolg auch künftig das Blatt nicht wenden. Sie scheuen das Risiko, einen vielleicht erfolgreicheren Weg zu gehen, weil sie damit natürlich auch scheitern könnten und sie glauben, mit diesem Scheitern alleine dastehen zu können.
- EFSA-Studie: "Evaluation of possible mitigation measures to prevent introduction and spread of African swine fever virus through wild boar"
Quelle: Wildtierschutz Deutschland e.V. (ots)