Welt ohne Affen Zooverband warnt vor dramatischer Lage für Menschenaffen
Archivmeldung vom 17.06.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer Verband der Zoologischen Gärten warnt vor einer Welt ohne Affen. "Wenn sich nicht bald etwas Entscheidendes ändert, wird die Lage speziell der Menschenaffen in der Wildnis dramatisch", sagte VdZ-Präsident Jörg Junhold heute auf der Pressekonferenz des Verbandes in Krefeld. "Alle wild lebenden Populationen haben in den vergangenen 20 Jahren mindestens 35 Prozent eingebüßt, am härtesten traf es die Bonobos mit einem Verlust von bis zu 50 Prozent."
Nach konservativen Schätzungen gibt es aktuell wahrscheinlich insgesamt noch jeweils 300.000 Gorillas und Schimpansen, 150.000 Orang-Utans und nur noch etwa 20.000 Bonobos. "Dieser starke Rückgang in so kurzer Zeit ist gravierend", sagt Jörg Junhold. "Noch schwerer allerdings wiegen aktuelle Hochrechnungen, die Wissenschaftler für die Lebensräume der afrikanischen Menschenaffen erstellt haben." Demnach sorgen Klimawandel und die intensive Landnutzung dafür, dass in den kommenden 30 Jahren im besten Fall 85 Prozent der Lebensräume von Gorilla&Co. verschwinden werden. Im schlechtesten Fall sind es sogar 94 Prozent der Flächen.
"Es wird eng, sehr eng", sagt Verbandspräsident Junhold zur Lage der Menschenaffen. "Die bisher bestehenden Schutzgebiete für unsere nächsten tierischen Verwandten werden kaum ausreichen. Umso mehr Bedeutung kommt in der Zukunft der Haltung von Menschenaffen in Zoos zu." Als Direktor steht Jörg Junhold dem Leipziger Zoo vor, dessen Anlagen für Gorillas, Schimpansen, Orang-Utans und Bonobos zu den modernsten der Welt gehören. "Bei unserer Kernaufgabe, der Pflege und Zucht bedrohter Arten, hat es gerade bei Menschenaffen enorme Fortschritte gegeben", sagt Junhold einschätzend. "Von den Gehegen, über die Ernährung bis hin zu Gruppenzusammensetzungen und Enrichment ist quasi heute nichts mehr, wie es zu Beginn war. Jetzt würden wir gern bei der Bildung und im in-situ-Artenschutz - also in ursprünglichen Gebieten der bedrohten Arten - weiter vorankommen."
Vor dem Hintergrund, dass sich die Regierung per Koalitionsvertrag erstmals vorgenommen hat, die Bildungsarbeit in Zoos zu unterstützen, richtete VdZ-Präsident Jörg Junhold einen dringlichen Appell an die Verantwortlichen in Politik und Regierung: "Nutzen Sie unsere Möglichkeiten! Jedes Jahr begeistern wir Millionen Kinder und Erwachsene für den Schutz unter anderem der Menschenaffen. Wir als Zoogemeinschaft wissen, dass die Haltung von bedrohten Arten in menschlicher Obhut Teil der Lösung der aktuellen Krise ist. Deswegen gehen wir davon aus, dass diesem Umstand in der kommenden nationalen Biodiversitätsstrategie Rechnung getragen wird." Und die Überzeugung moderner Zoos, dass die Menschen nur schützen wollen, was sie kennen, funktioniert: Allein aus europäischen Zoos gingen zwischen 2014 und 2018 mehr als elf Millionen Spendeneuro an Schutzprojekte für Menschenaffen vor Ort. "Außerdem sensibilisieren wir unsere Besucher für Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Mit der Frage, ob wir alle wirklich jedes Jahr ein neues Handy benötigen, kann man nicht früh genug anfangen - gerade vor dem Hintergrund, was die Förderung der benötigten Metalle für die Lebensräume der Menschenaffen bedeutet." Laut einer Forsa-Umfrage sind übrigens 84 Prozent der Deutschen dafür, dass regelmäßige Besuche im Zoo fester Bestandteil des Schulunterrichts werden.
Der Verband der Zoologischen Gärten trifft sich vom 15. bis zum 17. Juni in Krefeld zu seiner Jahreshauptversammlung. Rund 130 Zoovertreter aus dem gesamten deutschsprachigen Raum besprechen dabei vor dem Hintergrund des beschlossenen Krefelder Neubaus "Artenschutzzentrum AffenPark" unter anderem die Bedingungen für moderne Menschenaffenhaltung sowie Themen wie Nachhaltigkeit, Artenschutz und zoologische Fachthemen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke begrüßt die Teilnehmer; Philosoph Richard David Precht spricht in seinem Vortrag über den Wandel der Mensch-Tier-Beziehung und die Zukunft der zoologischen Gärten. Patrick van Veen vertritt das Jane-Goodall-Institute Global und nimmt Stellung zu den Rechten von Primaten.
Quelle: Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) (ots)