Hochgebirgsvegetation an der Schneegrenze
Archivmeldung vom 07.04.2011
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtMitarbeiterInnen der Forschungsplattform Mountain Limits der Universität Wien haben erstmals am Schrankogel (3.497 m) in Tirol den Grenzbereich zwischen alpiner und nivaler Vegetation sowie die sommerliche Schneegrenze quantitativ untersucht. Alpine Pflanzen vertragen gelegentlichen Schneefall und Frost in der Vegetationsperiode; nivale Pflanzen dagegen sind an längere Schneebedeckung angepasst: sie sind Schneeschützlinge. Die ForscherInnen warnen, dass sich der Verlust von nivaler Vegetation auf die Biodiversität der alpinen Regionen auswirken könnte. Ihre Ergebnisse haben sie aktuell in der "Meteorologischen Zeitschrift" und in den "Environmental Research Letters (ERL)" veröffentlicht.
Der Grenzbereich zwischen alpiner und nivaler Vegetation wird in der ökologischen Fachsprache als alpin-nivales Ökoton bezeichnet. Ökotone gibt es in verschiedenen Höhenlagen. Ein allgemein bekanntes Ökoton ist die Baumgrenze, der Übergang vom Wald zur baumfreien alpinen Vegetation. Für Michael Gottfried vom Department für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie und Michael Hantel vom Institut für Meteorologie und Geophysik (beide Universität Wien) sowie ihre KollegInnen von der Forschungsplattform ist das alpin-nivale Ökoton ein empfindlicher Indikator, der den Einfluss von Klimaänderungen auf die Biodiversität der Ökosysteme im Hochgebirge anzeigt.
Wichtige Vegetationsgrenzlinie in 3.000 m Höhe
Zur quantitativen Festlegung des Ökotons verwendeten die ForscherInnen ein statistisches Modell, das sie schon für die Schneegrenze eingeführt hatten. Die sog. ’Schneelinie’ verbindet die Orte, an denen man mit 50 prozentiger Wahrscheinlichkeit im Sommer Schnee antrifft. Das alpin-nivale Ökoton verbindet hingegen die Orte, an denen 50 Prozent alpine und 50 Prozent nivale Pflanzen wachsen. "Wir haben Vegetation und Schnee mit einer belastbaren und mathematisch einwandfreien Methode unabhängig voneinander ausgewertet", sagt Michael Gottfried und weiter: "Die meisten Leute kennen nur die Baumgrenze. Wir zeigen, dass das alpin-nivale Ökoton im Bereich um 3.000 m eine weniger auffällige, aber ebenso wichtige Grenzlinie ist."
Alpine Vegetation wandert bergwärts
Alpine Pflanzen dominieren ausgedehnte Regionen von Zwergstrauchheiden und Grasländern (alpine Tundra) oberhalb der Waldgrenze. Dagegen haben die kälte- und schneetoleranten nivalen Pflanzen ihren Verbreitungsschwerpunkt im darüber liegenden offenen Schutt und Felsbereich. Die Grenze zwischen beiden Vegetationszonen ist nicht konstant. "Von 1994 bis 2004 ist das alpin-nivale Ökoton am Schrankogel etwa 20 m aufwärts gewandert", sagt Gottfried.
Vegetationsgrenzbereich wandert langsam, Schneelinie schwankt jährlich
Um die Lage des Ökotons zu bestimmen, untersuchten die ÖkologInnen die Vegetation am Schrankogel während der Sommermonate in ca. 150 Plots. Es handelt sich dabei um je ein Quadratmeter große, genau abgesteckte Untersuchungsflächen. Die ForscherInnen bestimmten das Flächenverhältnis der nivalen Pflanzen zur Gesamtvegetation in jedem Plot, den sogenannten Nivalitätsindex."Der Nivalitätsindex folgt dem gleichen Gesetz, das auch die Schneewahrscheinlichkeit in einer gegebenen Höhe und dadurch die sommerliche Schneelinie bestimmt", sagt Michael Hantel, Klimatologe der Universität Wien. Bemerkenswert daran ist, dass die vertikale Halbwertsbreite des Nivalitätsindex (214 m) viel kleiner ist als die Halbwertsbreite der alpinen Schneekurve (992 m).
Das alpin-nivale Ökoton ist also eine recht scharf definierte Grenzlinie, während die mittlere Schneelinie deutlich breiter ist, da sie von Jahr zu Jahr schwankt. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass das Ökoton am Schrankogel und die Schneelinie in den Alpen praktisch in der gleichen Höhe – knapp 3.000 m – liegen. "Die auffällige Übereinstimmung von alpin-nivalem Ökoton und sommerlicher Schneegrenze deutet darauf hin, dass die beiden grundverschiedenen Prozesse letzten Endes der gleichen Dynamik gehorchen", resümiert Michael Hantel.
Das voneinander unabhängige Monitoring des alpin-nivalen Ökotons und der Schneelinie soll zeigen, ob die Gefahr besteht, dass die nivalen Pflanzen ihren Lebensraum verlieren und aussterben. Das Verschwinden dieser Pflanzen mag keine unmittelbaren ökonomischen Auswirkungen haben. Aber der Ökologe Michael Gottfried meint, dass "ihr Verlust einen erheblichen Einfluss auf den Biodiversitätsschatz und die genetische Vielfalt der Hochgebirgsregionen hätte".
Die Untersuchungen wurden im Rahmen der Forschungsplattform Mountain Limits der Universität Wien und als Teil des Projektes Global Observation Research Initiative in Alpine Environments (GLORIA) durchgeführt.
Quelle: Universität Wien