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Umweltfreundlichkeit der Stechmückenbekämpfung mit Bti wird von Landauer Forschern hinterfragt

Archivmeldung vom 21.10.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.10.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Feuchtgebiet am Oberrhein
Quelle: Foto: Carsten Brühl (idw)
Feuchtgebiet am Oberrhein Quelle: Foto: Carsten Brühl (idw)

Landauer Umweltwissenschaftler untersuchten die Empfindlichkeit der für Feuchtgebiete wichtigen Zuckmücken gegenüber dem in der Stechmückenbekämpfung eingesetzten Biozid Bti. Ihr Fazit: Ein in der Zulassung angewendeter Risikofaktor wird deutlich überschritten. Das Risiko einer Beeinträchtigung anderer Tiergruppen über Nahrungsketteneffekte ist in behandelten Schutzgebieten nicht auszuschließen.

Zuckmücken Laborversuch
Quelle: Foto: Carsten Brühl (idw)
Zuckmücken Laborversuch Quelle: Foto: Carsten Brühl (idw)

Wissenschaftler der Universität Koblenz-Landau haben in einem standardisierten Laborversuch die Empfindlichkeit der für Feuchtgebiete wichtigen Zuckmücken gegenüber dem in der Stechmückenbekämpfung eingesetzten Biozid Bti untersucht. Die jüngsten Larven reagierten bis zu 100-mal empfindlicher als die bisher untersuchten älteren Larven mit Werten, die über 200-mal unter den am Oberrhein eingesetzten Umweltkonzentrationen liegen. Ein in der Zulassung angewendeter Risikofaktor wird damit um mehrere Größenordnungen überschritten. Das Risiko einer Beeinträchtigung anderer Tiergruppen über Nahrungsketteneffekte ist in behandelten Schutzgebieten nicht auszuschließen.

Weltweit werden Stechmücken in Feuchtgebieten bekämpft und auch am Oberrhein ist dies seit Jahrzehnten etabliert. Der Einsatz des biologischen Biozids Bacillus thuringiensis israelensis (Bti) gilt dabei als die umweltfreundlichste Bekämpfungsmethode, da neben den Stechmücken keine tödlichen Effekte bei anderen Organismen auftreten. Bti hat aber auch Auswirkungen auf die nah verwandten Zuckmücken, auch bekannt als Tanzmücken, die in Feuchtgebieten in hoher Artenzahl und Dichte auftreten. Zuckmücken stellen aufgrund ihrer großen Biomasse und ihres hohen Proteingehalts eine zentrale Nahrungsquelle in den Nahrungsnetzen von Feuchtgebieten dar. Zuckmückenlarven werden von anderen Insekten und Fischen im Wasser gefressen, während die geschlüpften Mücken von Vögeln, Fledermäusen oder Libellen als Nahrung genutzt werden.

Die Umweltwissenschaftler der Universität Koblenz-Landau untersuchten die Empfindlichkeit der Zuckmücke Chironomus riparius gegenüber Bti und verfolgten hierbei den kompletten Lebenszyklus mit allen vier Larvenstadien. Bisher lagen lediglich Daten für die älteren Larvenstadien der Zuckmücken vor, wobei generell angenommen wird, dass junge, sehr kleine Larven empfindlicher sind als ältere Larven. Die Forscher um Dr. Carsten Brühl folgten in ihrer Studie einem von der OECD vorgegebenen standardisierten Testdesign, das zur Risikobewertung von Pestiziden entwickelt wurde.

Ihre Ergebnisse zeigen, dass Larven aus dem ersten Larvenstadium bis zu 100fach empfindlicher sind als die älteren 4ten Larvenstadien. Ihre Empfindlichkeit lag um den Faktor 200 niedriger als die am Oberrhein regelmäßig ausgebrachte Menge zur Stechmückenbekämpfung. Bei der Verwendung dieser Daten in einer Risikobewertung, wie sie in der Biozid-Zulassung üblich ist, wird der Schwellenwert für junge Erstlarven, bezogen auf die reguläre Ausbringungsmenge am Oberrhein, um den Faktor 2000 überschritten.

Die durchgeführte Laborstudie stellt eine Vereinfachung der Bedingungen im Freiland dar. „Dort kann durch das Vorhandensein von Sediment, Trübstoffen im Wasser und anderen Faktoren die Wirksamkeit von Bti geringer sein“ erklärt Carsten Brühl, allerdings seien „bei solch hohen Werten Effekte auf die Zuckmücken im Freiland ebenfalls wahrscheinlich“. Von den bisher vorliegenden Feldstudien, die in den verschiedensten Ökosystemen der Welt durchgeführt wurden, zeigten einige Effekte auf Zuckmücken, andere hingegen nicht. „Die Ergebnisse hängen mit den Bedingungen in den Feuchtgebieten zusammen; Salzmarsche haben völlig andere Artenzusammensetzungen als Überflutungsbereiche großer Flüsse“ erläutert der Wissenschaftler. In neueren Studien aus Frankreich wurden Effekte auf die Nahrungskette von Feuchtgebieten in Bti behandelten Flächen gezeigt. „Eine solide Beurteilung der Nahrungsnetzeffekte durch die Stechmückenbekämpfung mit Bti auf zum Beispiel Vögel und andere Tiergruppen ist am Oberrhein erschwert, da leider im Vergleich zu Schweden, den USA oder Frankreich keine Langzeitbeobachtung mit Kontrollgebieten ohne Bti-Einsatz etabliert wurde“ bedauert Carsten Brühl. Als umweltfreundliche Alternative zu anderen Insektiziden wird Bti am Oberrhein mehrmals pro Jahr ausgebracht, in Feuchtgebieten, die unter Naturschutz stehen und für Europa als bedeutend gelten. Die Empfindlichkeit der Zuckmücken gegenüber Bti und ihre mögliche großflächige Reduzierung in behandelten Flächen könnten diese Schutzziele gefährden.

Quelle: Universität Koblenz-Landau (idw)

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