Chef-Strahlenschützer unterstellt systematische Sorglosigkeit
Archivmeldung vom 06.09.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakDie Atom-Euphorie ließ alle Sorgen vergessen: Nach Ansicht des Bundesamts für Strahlenschutz sind die Probleme mit Atommüll über Jahrzehnte "systematisch unterschätzt" worden. Die Union fordert im Streit um das Chaoslager Asse von Umweltminister Gabriel ein Endlagerkonzept ein.
Wohin mit dem Atommüll? Um diese Frage haben sich Politik und Wissenschaft nach Ansicht des Bundesamts für Strahlenschutz viel zu lange nicht verantwortungsvoll gekümmert. Die Herausforderungen einer atomaren Endlagerung wurden nach Worten des Präsidenten des Bundesamts, Wolfram König, systematisch unterschätzt.
"Noch 1969 hat ein so respektabler Physiker wie Carl Friedrich von Weizsäcker geglaubt, bis zum Jahr 2000 sei das Endlagerproblem zu lösen", sagte König der "Berliner Zeitung". "Er meinte ernsthaft, man könne alle Atomabfälle - und damals wollte man ja noch mehr Kernkraftwerke bauen - in einem einzigen Kubus mit einer Kantenlänge von 20 Metern unter die Erde bringen." Aus heutiger Sicht sei so eine Einschätzung kaum noch nachvollziehbar, so König weiter.
Die frühere Sorglosigkeit habe viel mit der früheren Atom-Euphorie zu tun. Das schadhafte Atommülllager Asse in Niedersachsen sei ein Beispiel dafür, was man alles falsch machen könne, wenn man sich nicht von Anfang an um eine ernsthafte Sicherheitsanalyse kümmere.
Das Bundesamt hat die Zuständigkeit für die Asse vom Helmholtz-Zentrum übernommen. Damit soll der Salzstock künftig nach Atomrecht statt nach dem weniger strengen Bergrecht geführt werden. Auch geht die Aufsicht damit von Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) auf Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) über. Gabriel will bis Ende des Jahres über die Schließung der Forschungsanlage aus den sechziger Jahren entscheiden. Der Salzstock gilt als einsturzgefährdet.
Die Union im Bundestag forderte Gabriel auf, nun endlich die zugesagten Vorschläge für ein Endlagergesetz vorzulegen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Norbert Röttgen, sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", die Kritik Gabriels an den Zuständen in der Asse sei zwar richtig, führe aber nicht weiter.
Die Asse dürfe nicht instrumentalisiert werden, um "an einer überkommenen Anti-Atom-Ideologie festzuhalten". Die Union will den Atom-Ausstieg rückgängig machen, während SPD und Grüne sich durch die Endlagerprobleme darin bestärkt sehen.
Streit um Untersuchungsausschuss
SPD und Grüne in Niedersachsen streiten sich über die Einsetzung eines Landtags-Untersuchungsausschusses zum Atommülllager Asse. Während sich SPD-Landtagsfraktionschef Wolfgang Jüttner am Samstag skeptisch zu den möglichen Erkenntnissen eines solchen Gremiums äußerte, bestand sein Grünen-Kollege Stefan Wenzel auf der Einsetzung eines Ausschusses.
Jüttner sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", vermutlich stehe der Aufwand für einen Untersuchungsausschuss in keinem Verhältnis zum politischen Ertrag. Alle Versäumnisse könne man im Sachstandsbericht zum Zustand der Asse nachlesen. "Meine Skepsis hat nichts damit zu tun, dass ich einige Jahre selbst Umweltminister in Niedersachsen war", versicherte er.
Der Ausschuss könne zwar eine ganze Menge "aufregender Dinge" beschließen, etwa die frühere Bundesumweltministerin Angela Merkel vorladen und natürlich auch ehemalige sozialdemokratische Umweltminister. Aber um noch eine Menge differenzierter Details vorzulegen, sei ein Untersuchungsausschuss recht aufwendig. Die SPD-Fraktion in Hannover werde am Dienstag entscheiden, wie sie sich in der Frage des Untersuchungsausschusses verhält.
Wenzel sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", es gebe Hinweise, wonach die niedersächsische Landesregierung den Wechsel der Zuständigkeit für die Asse an das unterstellte Bundesamt für Strahlenschutz nur akzeptiert habe, wenn die SPD auf einen Untersuchungsausschuss verzichtet. Solchen Gerüchten könne die SPD entgegentreten, indem sie einem Untersuchungsausschuss zustimme. Nur eine solches Gremium könne lückenlos aufklären, wie es zu den Fehlentwicklungen beim Atommülllager Asse kommen konnte.