Marion Terhaar: 3 spannende Fakten zu biologischen Entwicklungsprozessen beim Hund
Archivmeldung vom 01.10.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićMarion Terhaar ist zertifizierte Hundetrainerin, Verhaltensberaterin und Züchterin von Familienhunden. In der praktischen Arbeit erlebt sie immer wieder, dass Hunde als Freund des Menschen vieles leisten müssen. Damit die Beziehung zwischen Mensch und Hund ein sicheres Fundament bekommt, müssen Menschen die biologischen Entwicklungsprozesse ihres Hundes verstehen, um richtig auf ihn eingehen zu können.
Hunde haben ein untrügliches Gespür für soziale Strukturen, denn im Rudel ist es überlebenswichtig, sich diesen Strukturen anzupassen. In einem Rudel sind es die Alphatiere, die mit Erfahrung und Klugheit die richtigen Entscheidungen treffen. Aus Sicht eines Hundes hat also jeder Hund einen natürlichen Anspruch auf Führung.
Marion Terhaar erklärt: "So wie in der menschlichen Welt ein Lehrling das Recht hat auf einen Meister, der ihn an seinem Wissen teilhaben lässt, lernen Hunde von erfahrenen Artgenossen, wie das Leben funktioniert." Diese Autorität anzunehmen und die Führungsposition auszufüllen, fällt allerdings vielen Menschen schwer. Wer seinen Hund liebt, möchte vielleicht viel lieber mit ihm auf Augenhöhe kommunizieren und bitten, anstatt zu befehlen. In vielen Trainingsmethoden wird der Hund mithilfe von Leckerlis konditioniert. Diese Erziehungsmethodik stellt aus Hundesicht allerdings keine Erziehung dar. Der Hund kann damit nicht das verknüpfen, was der Mensch damit erreichen will. "Tust du etwas, bekommst du etwas, gibt es im Tierreich nicht. Hunde trachten stattdessen genauso wie wir Menschen danach, selbstbestimmt zu leben. Wir müssen das Hundsein verstehen, damit sie sich von uns führen lassen", sagt Marion Terhaar. Aus ihrer praktischen Erfahrung heraus sieht die Hundetrainerin sich daher auch als Verhaltensberaterin für den Menschen. Denn nur, wenn der Mensch durch sein Verhalten seinen Führungsanspruch glaubhaft vermittelt, kann der Hund in Harmonie mit ihm leben.
Einen Hund zu vermenschlichen, ist nicht artgerecht
Vielen Menschen fällt es schwer, ihren Hund nicht als eine Art Menschen mit Fell zu betrachten. Ganz besonders, wenn ein Welpe in die Familie kommt, ist die Versuchung groß, ihn wie ein Baby zu verhätscheln. Der Kerngedanke der artgerechten Haltung liegt aber darin, Tieren ein Dasein zu ermöglichen, das dem natürlichen Leben mit ihrer eigenen Art entspricht. Daher ist es hilfreich für Hundehalter, die Schritte zu verstehen, die ein Hund in seiner biologischen Entwicklung durchläuft. Das Wissen um die Entwicklungsprozesse gibt Hundehaltern die notwendigen Kompetenzen, artgerecht mit ihrem Hund zu kommunizieren und eine echte Partnerschaft aufzubauen, die dem Hund Sicherheit vermittelt. Im Folgenden erklärt Marion Terhaar drei Punkte, die es Hundehaltern möglich machen, die Welt durch die Augen des Hundes zu sehen.
Punkt 1: Der Instinkt besiegt die Erziehung
Auch, wenn es für viele Hundehalter seltsam klingt - ein Hund, der nicht auf den eigenen Vorteil bedacht ist, hat in der Natur keine Überlebenschance. Sich durchzusetzen, ist also ganz tief im Inneren aller Hunde verankert. In den ersten Wochen nach der Geburt geht es für den Welpen nur um eines: um Futter. Blind und taub geboren, muss der Welpe darum kämpfen, immer wieder den Weg zu den Zitzen der Mutter zu finden. Wer hier höflich oder bescheiden auftritt, um seinen Geschwistern den Vortritt zu lassen, verliert. Auch hilflose kleine Welpen sind also schon echte Kämpfer. Werden die Welpen größer, werden sie mit fester Nahrung zugefüttert. Ungebremst stürzen sie sich auch auf das Futter des Muttertieres. "Doch diese weist sie immer mal wieder in die Schranken und beißt sie ohne zu verletzen, vom Napf weg", sagt die Expertin. Trotzdem versuchen die Welpen immer wieder, etwas zu ergattern. Schon hier zeigt sich, dass Hunde durch ihr genetisches Programm eigentlich erziehungsresistent sind. Der Überlebenswille ist stärker als anerzogene Manieren: Im Zweifelsfall folgen Hunde, dabei besonders Welpen, ihren Instinkten und nicht ihrer Erziehung. Viel Futter zu bekommen trainiert die Fitness eines Welpen und in der Folge beansprucht dieser für sich einen hohen Status in der sozialen Gruppe.
Punkt 2: Der Rang in der Gruppe muss klar definiert sein
Die erwachsenen Hunde sorgen dafür, dass im Rudel alle überleben können und soziale Strukturen eingehalten werden. In der Natur hat das Jungtier den untersten Rang, denn es muss erst lernen, sich anzupassen. Kommt ein Welpe in seine menschliche Familie und wird dort an die erste Stelle gesetzt, bringt das sein biologisches Verständnis für Integration völlig durcheinander. Kein erwachsener Hund würde ihn so behandeln, wie Menschen es tun. Der Welpe muss lernen, sich nach den ranghöheren Rudelmitgliedern zu richten - also auch nach den Menschen, wenn sie mit diesen in einer Familie leben. Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihren Erziehungsauftrag umzusetzen und anzunehmen, sollten ihrem Hund zuliebe bedenken, dass Führung und Autorität im Tierreich nicht negativ besetzt ist. Ein Hund, der keine klaren Regeln und Konsequenzen erfährt, ist überfordert sowie verwirrt und wird schlimmstenfalls eigene Entscheidungen treffen, die im Leben mit Menschen unerwünscht sind.
Punkt 3: In der Natur gibt es nur Nahrung, keine Leckerlis
Das Verhalten jeder Tierart ist genetisch verankert und wird durch das Umfeld, in dem es heranwächst und lebt, geformt. Manche Tierarten schlüpfen und müssen sofort ohne Eltern zurechtkommen, andere sind Nestflüchter und müssen sofort nach der Geburt laufen lernen, um mit der Mutter schrittzuhalten. Das ist die sogenannte Prägung. Hunde sind dagegen Nesthocker, die genetisch darauf programmiert sind, die ersten Monate ihres Lebens in ihrem sicheren Umfeld zu bleiben, um sich in diesem zu sozialisieren. Diesem natürlichen, von der Natur vorbestimmten Entwicklungsprozess, wie auch dem Bedürfnis des Welpen nach Ruhe und Geborgenheit sollten Hundehalter entgegenkommen, damit der Hund ein stabiles Wesen entwickeln kann. Spätestens mit etwa fünf Monaten entwickeln die Junghunde dann ganz von selbst den starken Wunsch, das gewohnte Umfeld zu verlassen, denn in der Natur erlernen sie in diesem Alter von der Mutter das Jagen - allerdings durch Nachahmung, nicht durch Belohnung. Diese Phase ist die wohl wichtigste und effektivste Zeit für Erziehungsarbeit, denn mit dem Eintritt der Pubertät, entwickeln die Hunde ein noch größeres Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Selbstdarstellung, das sie in der Natur darauf vorbereitet, das Rudel zu verlassen.
Hunde brauchen also in jeder Entwicklungsphase klare Orientierung durch ihren Halter. Die Anpassung an die soziale Gruppe ist für sie überlebenswichtig - das macht Hunde zu so treuen Begleitern. Diese Anpassung gelingt Hunden im ersten Schritt allerdings nicht durch das Befolgen von zu früh erlernten Kommandos mithilfe von Leckerlis, denn in der Natur gibt es dieses Belohnungssystem nicht. Natürlich ist es möglich, ein Tier mit Belohnungen zu konditionieren, eine echte Bindung entsteht aber nur, wenn wir Menschen die Bedürfnisse des Hundes verstehen und eine klare, artgerechte und für Hunde verständliche Linie in seine Erziehung bringen.
Sie möchten Ihren Hund besser verstehen, um eine tiefe Bindung zu ihm aufzubauen und ihn artgerecht zu erziehen? Melden Sie sich jetzt bei Marion Terhaar und vereinbaren Sie ein Gespräch!
Quelle: Marion Terhaar (ots)