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Deutschland muss sich auf den Klimawandel einstellen

Archivmeldung vom 18.10.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.10.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die Modellrechungen und Szenarien der Klimaforscher fügen sich immer schneller zu einem Bild zusammen: Das Klima in Deutschland wird sich bis zum Jahr 2100 spürbar ändern. Auf Einladung des Umweltbundesamtes (UBA) diskutierten gestern in Berlin rund 200 Fachleute aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung über Klimafolgen und die Anpassung an Klimaänderungen.

"Es ist höchste Zeit, dass wir uns intensiver mit den Folgen des Klimawandels in Deutschland befassen. Wir müssen uns heute anpassen, um morgen nicht von seinen wirtschaftlichen und sozialen Folgen überrollt zu werden. Hierfür benötigen wir eine gemeinsame nationale Strategie. Alle wichtigen Akteure müssen hierfür mit ins Boot", sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Er gab auf der Veranstaltung zusammen mit UBA-Präsident Prof. Dr. Andreas Troge den Startschuss für das neue "Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KomPass)" im UBA. KomPass soll Fachwissen vernetzen und Entscheidungsträger in Unternehmen und Verwaltung sowie die Öffentlichkeit informieren. "Wir müssen wissen, was uns erwartet. Nur dann können wir uns optimal und zu vertretbaren Kosten an den Klimawandel anpassen", so UBA-Präsident Troge.

Der Klimawandel macht vor Deutschland nicht halt. Modellrechnungen des UBA lassen einen Anstieg der Jahresmitteltemperatur bis zum Jahr 2100 im Vergleich zum Zeitraum 1961 bis 1990 um 1,5 bis 3,7 Grad Celsius (°C) erwarten. Als sehr wahrscheinlich gilt eine Erwärmung um 2 bis 3 °C, die sich saisonal unterschiedlich stark ausprägen wird. Der größte Temperaturanstieg ist im Winter zu erwarten. Die sommerlichen Niederschläge könnten sich bis zum Jahr 2100 um 30 Prozent verringern. Am stärksten wäre dieser Niederschlagsrückgang im Nordosten und Südwesten Deutschlands ausgeprägt. Dort könnten gegen Ende dieses Jahrhunderts etwa nur noch zwei Drittel der bisher gewohnten Niederschläge fallen.

Gabriel: "Angesichts des dringenden Handlungsbedarfes hat die Bundesregierung Ende 2005 beschlossen, auf den hervorragenden Grundlagen deutscher Akteure und Institutionen ein nationales Konzept zur Anpassung an den Klimawandel zu entwickeln. Ziele des nationalen Anpassungskonzepts sind die Festlegung prioritärer Handlungsfelder sowie die Identifizierung und Koordinierung von Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene."

Was sind mögliche Folgen dieser Klimaänderungen? Die Land- und Forstwirtschaft etwa - die schon heute vor allem im Nordosten Deutschlands mit Trockenperioden zu kämpfen hat - müsste mit noch weniger Wasser auskommen. Für die Bevölkerung könnte es im Sommer neben größerer Hitze am Tag mehr "Tropennächte" geben: Dies sind Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 °C sinkt. Klimatisch bedingte Gesundheitsbeschwerden wie Herz-Kreislauf-Probleme - vor allem bei alten und kranken Menschen - könnten die Folge sein.

Unternehmen, Staat sowie Bürgerinnen und Bürger müssen sich rechtzeitig an diese und andere Veränderungen anpassen - aber wie? Im Hochwasserschutz etwa wären veränderte Niederschläge beim Bau neuer Deiche, Schutzmauern oder Rückhaltebecken zu berücksichtigen. Im Gesundheitswesen können bei Hitzewellen Warnsysteme und Notfallpläne die Arbeit der Krankenhäuser oder Altenheime vereinfachen. Die Land- und Forstwirtschaft wird verstärkt Pflanzen anbauen müssen, die geänderten Temperaturen und Niederschlägen angepasst sind.

Kurz gesagt: Der Klimawandel wird unsere täglichen Lebensgewohnheiten ändern und viele Wirtschaftsbereiche betreffen - neben der Land- und Forstwirtschaft auch den Tourismus, die Energiewirtschaft oder das Versicherungswesen. Diese Anpassungserfordernisse sind eine Hypothek des nicht ausreichenden Klimaschutzes in der Vergangenheit. Jetzt gilt es, im Klimawandel nicht nachlassen, sonst fällt uns die Anpassung noch schwieriger: "Eine zeitgemäße Klimaschutzpolitik steht auf zwei Säulen: Anpassung an die heute unvermeidbaren Folgen des Treibhauseffekts und deutliche Minderung der Treibhausgasemissionen, um in den kommenden Jahrzehnten extreme Nachteile des Klimawandels und Anpassungserfordernisse zu vermeiden", so UBA-Präsident Troge.

Das UBA hält es für technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll, den Ausstoß der Treibhausgase in Deutschland bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Eine deutlich höhere Energieeffizienz und der Ausbau der erneuerbaren Energien sind wichtige Chancen, unser Klima zu schonen. "Das Ziel unser Maßnahmen muss es sein, durch weniger Treibhausgase den Temperaturanstieg weltweit bis 2050 auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. Damit würden die treibhausbedingte Temperaturerhöhung und die von ihr ausgehende Verschlechterung der Lebensbedingungen weniger drastisch", so Troge.

Nichtstun beim Klimaschutz ist teuer: Allein die Schäden extremer Wetterereignisse der vergangenen zehn Jahre belaufen sich in Deutschland auf etwa 16,5 Milliarden Euro. Nach ersten Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftforschung (DIW) könnten diese Kosten in Deutschland bis 2050 auf jährlich 27 Milliarden Euro steigen. Positiv: Weltweit liegen die Kosten für anspruchsvollen Klimaschutz bis zum Jahr 2100 bei durchschnittlich nur einem Prozent der globalen Wirtschaftsleistung; die ökonomischen Schäden eines ungebremsten Klimawandels könnten dagegen im selben Zeitraum bis zu zehn Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung ausmachen.

Weiterführende Informationen zu Klimaänderung und Anpassung und KomPass im Hintergrundpapier "Anpassung an Klimaänderungen in Deutschland" sowie unter http://www.umweltbundesamt.de/klimaschutz.

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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