Koralline Rotalgen zeichnen das Klima des vergangenen Jahrhunderts auf
Archivmeldung vom 04.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKoralline Rotalgen sind ein wichtiges marines Klimaarchiv für die Forschung: Die chemische Zusammensetzung und die Isotopensignatur ihrer Kalkskelette können Auskunft geben über Klimaveränderungen der Vergangenheit. Ein mehr als 100 Jahre altes Exemplar, das vor der Inselgruppe der Aleuten im Pazifischen Ozean geborgen wurde, haben Geochemiker der Universität Göttingen zusammen mit Kollegen aus Deutschland, den USA und Kanada untersucht.
Die Rotalge der Gattung Clathromorphum nereostratum liefert erstmals eine präzise jährlich aufgelöste Klimarekonstruktion des subarktischen Nordpazifik. Dabei hat die Datenauswertung gezeigt, dass sich das El Niño-Phänomen auch in diesen Regionen des Pazifik auf das ozeanographisch-meteorologische System auswirkt und damit eine bislang nicht bekannte Fernwirkung entfaltet. Die Untersuchungen an der Georgia Augusta wurden unter der Leitung von Dr. Andreas Kronz am Geowissenschaftlichen Zentrum durchgeführt.
Im Zuge der
aktuellen Klimadiskussion suchen Wissenschaftler intensiv nach geologischen
Archiven, die klimarelevante Parameter vergangener Epochen liefern können. Dazu
gehören zum Beispiel kalkbildende Organismen, Eisschichten und die Jahresringe
von Bäumen. Diese periodisch veränderbaren Systeme weisen sich aus durch
chemische Variation, unterschiedliche Isotopenzusammensetzung oder eine Änderung
des Längenwachstums. Die daraus gewonnenen Daten geben häufig jedoch nur
begrenzt Auskunft über das Klima der Vergangenheit, weil keine Bezugsgrößen zur
Überprüfung der Ergebnisse vorliegen und sich die unterschiedlichen Geo-Systeme
damit nur unzureichend "kalibrieren" lassen. Mit den besonders langlebigen
korallinen Rotalgen, die feste Kalkskelette bilden und an einem Ort fest haften,
hat die Wissenschaft nun jedoch ein "leistungsfähiges" Klimaarchiv für die
kalttemperierten Regionen des Pazifischen Ozeans entdeckt.
Ein jetzt
untersuchtes Exemplar der Rotalge Clathromorphum, das in Küstennähe der Insel
Attu wächst, hat die vergangenen 117 Jahre der Klimageschichte aufgezeichnet.
Die chemische Zusammensetzung des Algenskeletts wurde am Göttinger
Geowissenschaftlichen Zentrum mit Hilfe einer Elektronen-Mikrosonde erfasst.
Dabei geben die Magnesiumgehalte im Calcium-Karbonat die jährlichen
Temperaturschwankungen wieder. Zudem ist die Sauerstoffisotopensignatur direkt
mit der Wassertemperatur in der Hauptwachstumsphase der Algen gekoppelt. Um die
Isotopenzusammensetzung bestimmen zu können, reichen Proben von 0,05 Milligramm
Substanz. Sie werden mit einer speziell konstruierten Mikrofräse aus den
Wachstumsbändern der Rotalge entnommen. Die Kalibrierung des "Thermometers"
erfolgt an den jüngsten Wachstumsabschnitten verschiedener Rotalgenarten aus dem
Golf von Kalifornien und Gewässern vor Neufundland, für die exakte
Temperaturdaten vorliegen.
Die Rotalgendaten der Aleuten bieten Einblicke in die Ursachen dramatischer Veränderungen in den Ökosystemen des Nordpazifik, die seit längerem zu beobachten sind: Sie zeigen eine Erwärmung und zunehmende Versüßung des Oberflächenwassers seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Die aufgefundene Zeitreihe stimmt dabei mit der sogenannten "Pazifisch Dekadischen Oszillation" überein. Es handelt sich hier um einen Wechsel der Meeresoberflächentemperatur, der etwa alle 25 Jahre erfolgt. Zur Überraschung der Forscher zeigen die Sauerstoffdaten zudem eine weitere, rund vierjährige Klimaschwankung. Sie lässt sich in Verbindung bringen mit dem El Niño-Phänomen, dem Auftreten ungewöhnlicher, veränderter Strömungen im ozeanographisch-meteorologischen System des Südpazifik. Dr. Kronz: "Zwar ist bekannt, dass die El Niño-Aktivität auch das Klima der Nordhalbkugel beeinflusst. Ein direkter mariner Einfluss im Bereich der Aleuten war aber bisher unbekannt."
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.