Friedrich-Löffler-Institut verrät sich als Lobbyist der Massengeflügelhalter
Archivmeldung vom 14.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Thüringer Hausgans, die Ende letzter Woche angeblich an Vogelgrippe gestorben war und damit eine Massentötung von 1.200 Vögeln ausgelöst hatte, war möglicherweise gar nicht H5N1-positiv. Zu diesem Schluss kommt Mathias Güthe, Vorstandsmitglied von PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V..
Die Gans wurde nämlich zunächst in einem Institut in Bad Langensalza negativ getestet. Erst beim Friedrich-Löffler-Institut auf der Insel Riems fiel der Test dann auf einmal positiv aus.
Mathias Güthe kritisiert auch die Schnelltötung von 1.200 Tieren im Drei-Kilometer-Radius rund um die Gemeinde Wickersdorf. "Die betroffene Gans und weitere acht Gänse und Enten wurden erst vor drei Wochen aus einer ganz anderen Gemeinde ,importiert", weiß das Vorstandsmitglied von Deutschlands ältestem und größtem Fachverband für artgemäße Nutztierhaltung. Die Tötung von Tieren in und um Wickersdorf wäre damit vollkommen sinnlos gewesen. Zudem stelle sich die Frage, warum nur das eine Tier vom angeblich so hochansteckenden Virus befallen war, die Stallgenossen jedoch nicht. "Und warum soll sich das eine Tier ausgerechnet als einziges bei einem Wildvogel angesteckt haben, alle anderen Tiere im Stall und in der Herkunftsgemeinde jedoch nicht?", fragt Mathias Güthe weiter.
Merkwürdig sei auch das Verhalten der Behörden den betroffenen Züchtern gegenüber: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion rückten die Veterinäre an und töteten die Tiere vor den Augen der Besitzer. Einen entsprechenden Beschluss legten sie nicht vor. Die Besitzer kämpften um das Leben ihrer Tiere und forderten Vogelgrippe-Schnelltests. Die Behörden versagten auch diese. Die Tests im Nachhinein bestätigten: Alle Tiere waren kerngesund!
Mathias Güthe resümiert: "1.200facher Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, das für das Töten von Tieren einen vernünftigen Grund vorschreibt. Mehr als zweifelhaftes Vorgehen der Behörden. Und zurück bleiben zerbrochene Menschen, die ihre Tiere teils liebten wie ihre Familienangehörigen." Dies seien die wahren menschlichen Opfer der Vogelgrippe.
Doch das PROVIEH-Vorstandsmitglied kennt auch die Gründe für die offensichtlichen Fehler des Friedrich-Löffler-Instituts:
· Die deutsche Wirtschaftsgeflügelzucht fordert Aufstallung und Tötung zum Schutz ihrer Bestände. Paul Wesjohann, Chef der PHW-Gruppe (unter anderem Wiesenhof, nach eigenen Angaben Deutschlands Geflügelmarke Nr. 1), sprach in einer Zeitung bereits davon, dass durch die vogelgrippe-bedingten Importverbote für Geflügelprodukte die Preise für deutsches Geflügel anziehen werden. "Wenn also 1,5 Millionen Freilandgeflügelhalter und Rassegeflügelzüchter aufgeben müssen und damit den Markt entlasten, wird Wesjohann das noch mehr erfreuen", erklärt Mathias Güthe. Wesjohann plädiere daher öffentlich für ein hartes Durchgreifen zum Schutze der Wirtschaftsgeflügelzucht. Bei Brieftauben scheint er jedoch nicht die harte Linie zu fordern. Dem Präsidialmitglied des Brieftaubenzüchterverbandes bescheinigte das Friedrich-Löffler-Institut, dass Tauben nicht als Überträger der Krankheit in Frage kämen. Sie sind demzufolge vom Aufstallungsgebot ausgenommen und genießen damit einen Sonderstatus in der gesamten Vogelwelt.
· Die Lohmann-Gruppe, Weltmarktführer für "genetisch standardisiertes", d.h. für Massentierhaltungen züchterisch optimiertes Geflügel, strebt ähnlich wie die US-Firma Monsanto beim Saatgut nach einem weiteren Ausbau ihrer Marktanteile. Daher komme es gelegen, wenn in Deutschland industrielle Massentierhaltungen geschützt würden und alternative Haltungsformen mit alternativen Rassen verschwinden. Ebenso freue der Konzern sich über die Vernichtungszüge in der dritten Welt, die bäuerliche Tierhaltungen - Existenzgrundlage vieler Familien -von der Bildfläche verschwinden ließen. "Einzelschicksale interessieren nicht, die Länder kommen in Abhängigkeit zu neuen modernen Massentierhaltungen, neue Absatzmärkte erschließen sich", fasst Mathias Güthe zusammen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte 1999 den Legehennenkäfig verboten, seit 1. Januar 2007 hätte er nach dem Willen der damaligen rot-grünen Bundesregierung der Vergangenheit angehören sollen. Bundestag und Bundesrat hatten dann aber im August 2006 beschlossen, einen neuen Käfig an die Stelle des alten Käfigs treten zu lassen: Der "ausgestaltete Käfig oder die "Kleinvoliere" war geboren, "alte Tierquälerei unter neuem Namen", so Mathias Güthe. SPD-Chef Kurt Beck hatte schon unmittelbar nach dem Bundesratsbeschluss letztes Jahr klargestellt, dass er gegen diese Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht Klage einreichen werde, schon um die zahlreich getätigten Investitionen in alternative Haltungsformen nicht zu Fehlinvestitionen werden zu lassen und um die zahlreichen Arbeitsplätze in diesem Bereich zu schützen. Diese Klage hat Beck Ende Juni eingereicht. "Ein neuer Vogelgrippefall wurde daher dringend benötigt, um den Käfig wieder als einzig sichere Alternative hinzustellen", so das PROVIEH-Vorstandsmitglied.
"Gerade hier wurde jetzt aber ein entscheidender Gedankenfehler begangen", so der Rassegeflügelzüchter Mathias Güthe: Ein wirklich hochpathogenes Virus könne sich auf Grund seiner schnellen Todesfolge nur bei hoher Tierdichte entwickeln und halten. Kurt Becks Klage gegen den neuen Käfig sei damit doppelt wichtig und richtig, um die zulässige Tierdichte auf ein buchstäblich gesundes Maß zurückzusteuern.
"Wer so offenkundig falsch agiert, wie hier aktuell das Friedrich-Löffler-Institut im Zusammenspiel mit Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer und der Wirtschaftsgeflügellobby, darf sich nicht wundern, wenn das Volk das Vertrauen in diese Institutionen verliert", so Güthe. Es sei im übrigen sicher kein Zufall, dass ausgerechnet das Friedrich-Löffler-Institut vom Bund 10 Millionen Euro Forschungsgelder für die Vogelgrippeforschung erhielt.
Doch auch gegen das Vorgehen der Behörden in Thüringen und gegen das Aufstallungsgebot zum vermeintlichen Schutz vor der Vogelgrippe werden Klagen vorbereitet. "PROVIEH wird diese als Anwalt für die Tiere begleiten", so Mathias Güthe abschließend.
Quelle: Pressemitteilung PROVIEH