Internationales Forscherteam unter Leitung der Universität Göttingen entschlüsselt Abwehrmechanismus von Schimmelpilzen
Archivmeldung vom 24.08.2019
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.08.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtEin internationales Forscherteam unter der Leitung der Universität Göttingen hat den Abwehrmechanismus von Schimmelpilzen entschlüsselt. Schimmelpilze sind die bevorzugte Nahrung vieler kleiner Bodentiere, und da sie vor ihren Fraßfeinden nicht weglaufen können, wehren sie sich mithilfe von Abwehrstoffen, die sie giftig oder ungenießbar machen. Die Suche nach diesen Abwehrstoffen verlief jahrzehntelang erfolglos. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen.
Kleine Bodentiere wie Würmer, Springschwänze und Milben machen etwa 20 Prozent der lebenden Biomasse im Boden aus. Bei der Frage, wie sich Schimmelpilze gegen Bodentiere wehren, legten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit den 1980er-Jahren den Schwerpunkt ihrer Forschung auf Mykotoxine. Zahlreiche Untersuchungen konnten die Giftigkeit vieler Mykotoxine für Insekten belegen, alle Bemühungen, ihre Funktion als Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde nachzuweisen, schlugen bislang jedoch fehl.
Die Göttinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden nun heraus, dass nicht Mykotoxine, sondern bestimmte Pigmente die Pilze vor Prädatoren schützen. Diese Pigmente, die von vielen Schlauchpilzen gebildet werden, gehören der Stoffklasse der Bis-naphthopyrone an. Als Modellsubstanz diente in Göttingen das tiefrote Pigment Aurofusarin, das von den Arten der Pilzgattung Fusarium und von tropischen Schimmelpilzen produziert wird: Springschwänze und Insektenlarven erkannten das Aurofusarin in Fütterungsversuchen und mieden es. Den entscheidenden Beweis für die ökologische Funktion lieferten Pilzmutanten, in denen die Forscherinnen und Forscher die Bildung des Pigments unterbanden. Diese wurden von Springschwänzen, Asseln und Insektenlarven als Nahrung akzeptiert, während Pilzkolonien mit Aurofusarin gemieden wurden. Fütterungsversuche mit verschiedenen Fusariumarten und Mutanten zeigten außerdem, dass das Aurofusarin bei dieser Pilzart der wichtigste oder sogar einzige Abwehrstoff ist. Darüber hinaus ergaben erste Versuche mit anderen Bis-naphthopyronen, die von den Pilzgattungen Penicillium und Aspergillus gebildet werden, dass auch diese fraßhemmend wirken.
Doch warum wirken Bis-naphthopyrone auf Tiere fraßhemmend? Gemäß der Mykotoxin-Hypothese müssten sie giftig sein. „Bei weiteren Versuchen mit Springschwänzen und aurofusarinhaltigem Futter konnten wir keine toxische Wirkung feststellen“, erläutert die Göttinger Doktorandin und Erstautorin Yang Xu. „Die Tiere überlebten eine fünfwöchige Fütterung mit Aurofusarin ohne sichtbare Schäden. Aurofusarin ist folglich ein ungiftiges Repellent.“
Wenn die Pigmente nicht giftig sind, stellt sich jedoch die Frage, warum Aurofusarin auch nach über 100 Millionen Jahren seine Wirkung nicht verloren hat. Synthetische Insektizide werden oft schon nach wenigen Jahren unwirksam und pflanzliche Abwehrstoffe hindern angepasste Schädlinge nicht am Fraß. Wieso haben sich also diese Bodentiere nicht den Abwehrstoffen der Schimmelpilze angepasst? „Eine mögliche Antwort könnte in der sehr hohen Menge liegen, in der Pilzkulturen Aurofusarin produzieren“, so Prof. Dr. Petr Karlovsky, Leiter der Abteilung Molekulare Phytopathologie und Mykotoxinforschung. „Etwaige Mutationen, die das Pigment inaktivieren oder seine Bindung an Rezeptoren verringern, hätten demnach keine Wirkung.“
Falls sich diese Annahme bestätigt, wäre Aurofusarin das erste Beispiel für ein bisher unbekanntes Phänomen in der chemischen Ökologie: die Verhinderung der Anpassung von Zielorganismen durch extrem hohe Konzentration eines Abwehrstoffes.
Quelle: Georg-August-Universität Göttingen (idw)