Fossilienfund: Ältester Nachweis von heutigen Tiefsee-Organismen gelungen
Archivmeldung vom 11.10.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Tiefsee ist der größte, aber auch der am wenigsten erforschte Lebensraum der Erde. Besonders rätselhaft ist die erdgeschichtliche Entwicklung der heutigen Tiefsee-Organismen. Einem internationalen Forscherteam mit Wissenschaftlern der Universität Göttingen ist es gelungen, etwa 114 Millionen Jahre alte Fossilien von Tiefsee-Organismen vor der Küste des US-Bundesstaates Florida zu identifizieren und mit heutigen Verwandten zu vergleichen. Ihre Studie zeigt, dass ein großer Teil der heutigen Tiefsee-Ökosysteme wesentlich älter ist als bisher vermutet. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift PLoS ONE erschienen.
In den vergangenen Jahren hat sich die Ansicht durchgesetzt, die heutigen Tiefsee-Ökosysteme seien aus mehreren Umwälzungen im Zuge von Massenaussterben und globalen Veränderungen der Ozeane entstanden. Somit müssten sie – im erdgeschichtlichen Kontext – relativ jung sein. Da Überreste von Organismen aus der Tiefsee jedoch nur extrem selten als Fossilien gefunden werden, war eine direkte Überprüfung dieser Annahme bisher nicht möglich. Die nun entdeckten Fossilien stammen allesamt von Stachelhäutern, wie zum Beispiel Seeigeln, Seesternen und Schlangensternen, die in der heutigen Tiefsee sehr häufig und vielfältig sind, und wurden aus Tiefsee-Sedimentbohrungen geborgen. „In diesen Proben wird üblicherweise nach den Resten von kleinen Einzellern zur Rekonstruktion von früheren Klimaverhältnissen gesucht“, sagt Ben Thuy, Erstautor der Studie vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen. „Dass darin auch Reste von größeren Meerestieren aus der Tiefsee vorkommen, war eine große Überraschung. Diese Fossilien bieten ein einmaliges und bisher völlig unbeachtetes Fenster in die Geschichte der Tiefsee.“
Das Forscherteam – bestehend aus Wissenschaftlern der Universität Göttingen, des Naturhistorischen Museums in Wien, des Naturhistoriska Riksmuseet in Stockholm, des Zentrum für Marine Umweltwissenschaften MARUM in Bremen und der University of Portsmouth – konnte nachweisen, dass die fossilen Tiefsee-Organismen den heutigen Verwandten erstaunlich ähnlich sind. Daraus schließen die Forscher, dass es bereits viel früher als bisher angenommen moderne Ökosysteme in der Tiefsee gab. Dies lässt vermuten, dass die Tiefsee weniger anfällig für Massenaussterben und Veränderungen globalen Ausmaßes (wie zum Beispiel Klimaveränderungen) ist als die flacheren Meeresgebiete. „Selbst bei den letzten großen Umwälzungen der Ozeane in der Kreidezeit und im späteren Paläozän muss es Rückzugsgebiete innerhalb der Tiefsee gegeben haben, wo die Organismen sich halten konnten“, erläutert Ben Thuy.
Quelle: Georg-August-Universität Göttingen (idw)