Geheimnis um die längste Tragezeit im Tierreich gelöst
Archivmeldung vom 23.12.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.12.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Veterinärmedizinerin Dr. Imke Lüders erhält den Ernst-Reuter-Preis der Freien Universität Berlin 2013. Der seit 1985 jährlich vergebene, mit 5.000 Euro dotierte Preis, wird an qualitativ herausragende Promotionsarbeiten verliehen. Lüders gelang es, in ihrer Arbeit das Geheimnis um die 22-monatige Trächtigkeit bei asiatischen Elefanten zu entschlüsseln. Bisher war nicht klar wie es Elefantenkühe schaffen eine so lange Trächtigkeit aufrechtzuerhalten. Unter Säugetieren haben Elefanten die längste Trächtigkeit überhaupt.
„Die Forschungen zur Fortpflanzungsstrategie weiblicher Elefanten ergaben, dass es Elefanten mittels eines Hormontricks gelingt die erforderliche Gelbkörpermasse für die außerordentlich lange Tragezeit aufzubauen“, kommentiert Lüders. Sie trainierte mit 30 Elefantenkühen in menschlicher Obhut, damit diese regelmäßige Blutprobenentnahmen (zur Bestimmung von Hormonkonzentrationen) tolerierten und betäubungsfreie Untersuchungen mit nicht-invasiven bildgebenden Verfahren (Ultraschall) akzeptierten. Diese ungewöhnliche Kombination von Methoden ermöglichte Lüders die Dokumentation des Verlaufs des weiblichen Sexualzyklus in zeitlich hoher Auflösung, die Erkundung der zugrundeliegenden hormonellen Abläufe und die Aufklärung der Beziehungen zwischen physiologischen Prozessen im Eierstock und der Entwicklung des Fötus an lebenden, schwangeren Elefantenkühen.
Dabei entdeckte Lüders die Mechanismen für das Auftreten zweier (anstelle einer) Konzentrationsspitzen des gelbkörperbildenden Hormons (LH) während der follikulären Phase des Zyklus, die Bildung multipler Gelbkörper und die Herkunft hoher Progesteronkonzentrationen zur Aufrechterhaltung der Trächtigkeit. Die zwei LH Konzentrationsspitzen sind nötig, um die Bildung multipler Gelbkörper während des Zyklus zu ermöglichen und ihre komplexen Auf- und Abbauprozesse anzustoßen. Die Gelbkörper gehören überraschenderweise zu zwei verschiedenen Typen (akzessorische und Trächtigkeits-Gelbkörper) und haben unterschiedliche Entwicklungsmodi, die Lüders aufklärte. Die Bildung multipler Gelbkörper ist deshalb bemerkenswert, weil Elefanten nur ein Jungtier haben und die Zahl der Gelbkörper üblicherweise der Zahl geborener Jungtiere entspricht. Durch die Befruchtung wird die Regression beider Gelbkörpertypen nach 7 Wochen gestoppt, ihr erneutes Wachstum stimuliert und die Produktion von Progestagenen während der gesamten Trächtigkeit veranlasst. Dieser von Lüders entdeckte Weg der Aufrechterhaltung der Trächtigkeit ist ein für Säugetiere neu beschriebener Mechanismus.
Die Ergebnisse sind von grundsätzlicher Bedeutung für die weibliche Fortpflanzungsbiologie, weit über die speziellen Interessen von Veterinärmedizin oder Zoologie hinaus. Sie bereichern unser Verständnis der Fortpflanzung bei Säugetieren substanziell und lassen ihre Variabilität und Flexibilität in einem neuen Licht erscheinen. Darüber hinaus sind die Ergebnisse auch von sehr praktischem Wert für den weltweiten Schutz von Elefanten, da jetzt der reproduktive Gesundheitszustand akkurat eingeschätzt und die Zucht optimiert werden kann. Als weltweite „Flagschiffart“ des Artenschutzes repräsentieren Elefanten wie kaum eine andere Art die Ziele des Naturschutzes, natürliche Lebensräume und ihre Artenvielfalt so gut es geht zu erhalten.
Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V. (idw)