Wolkenmacher im Oberflächenfilm der Meere
Archivmeldung vom 05.03.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtWissenschaftler haben Hinweise auf eine photochemische Bildung von Glyoxal und Methylglyoxal im Oberflächenfilm der Ozeane gefunden. Beide chemischen Verbindungen sind im Fokus der Wissenschaft seit klar ist, dass sich aus diesen Gasen Partikel bilden, die später als Kondensationskeime für Wolken wirken und so das Klima beeinflussen können. Die neuen Daten seien weitere Hinweise auf Wechselwirkungen zwischen Meereswasser und Atmosphäre, schreiben die Wissenschaftler des Leibniz-Institutes für Troposphärenforschung (TROPOS) im Fachblatt Atmospheric Chemistry and Physics (ACP), einem Open-Access-Journal der European Geosciences Union (EGU).
Bei Probenahmen vom Forschungsschiff „Polarstern“ aus konnte bei steigenden Temperaturen eine Anreicherung der Verbindungen im Oberflächenfilm beobachtet werden. Eigenen Angaben zufolge ist dabei zum ersten Mal die Konzentration von Glyoxal und Methylglyoxal sowohl in Aerosolpartikeln als auch in Wasserproben aus dem Atlantik gleichzeitig gemessen worden. Ein Zusammenhang mit der Sonneneinstrahlung oder der biologischen Aktivität sei aber noch nicht sicher. Die Untersuchungen werden daher auf der Atlantikexpedition PS 83 der „Polarstern“ fortgesetzt, die planmäßig am 8. März im südafrikanischen Kapstadt starten und am 13. April 2014 in Bremerhaven enden soll.
Ozeane bedecken zwei Drittel der Oberfläche der Erde. Trotzdem ist das Wissen über die vielfältigen Austauschprozesse zwischen Meer und Atmosphäre immer noch relativ gering. Wichtig für den Transport zwischen beiden Sphären ist vermutlich das Bubblebursting. So nennen die Forscher jenen Prozess, bei dem Wellen für winzige Blasen auf der Meeresoberfläche sorgen, die dann zerplatzen und den Inhalt in die Luft schleudern. Außerdem spielen organische Stoffe, die aus dem Meerwasser als Gase in die Atmosphäre gelangen, offenbar eine Schlüsselrolle. Glyoxal und Methylglyoxal, zwei Alphadicarbonyle, sind in den letzten Jahren in den Fokus der Wissenschaft geraten, weil sie dazu beitragen können, dass sich in der Atmosphäre winzige Partikel aus Gasen bilden, an denen später Wasser kondensiert. Diese Tropfen bilden dann Wolken und nehmen so Einfluss auf Niederschläge und Temperaturen der Erde. Glyoxal und Methylglyoxal wurden kürzlich in größeren Mengen über den Ozeanen beobachtet. Da sich die beiden Verbindungen aber auch durch photochemische Reaktionen in der Atmosphäre bilden können und dort mit etwa zwei Stunden sehr kurzlebig sind, wird vermutet, dass der Ozean eine wichtige Rolle spielt. Die genauen Mechanismen sind aber noch unklar. „Wir hoffen, dass es durch die gleichzeitige Untersuchung dieser beiden Verbindungen und von Aersolpartikeln zusammen mit verschiedenen Umweltparametern möglich wird, die Zusammenhänge zwischen diesen Carbonylen im Ozean und in der Atmosphäre aufzudecken“, erklärt Prof. Hartmut Herrmann vom TROPOS.
Zusammen mit anderen Chemikern, Biologen, Physikern und Meteorologen untersucht er bis 2016 unter dem Dach des Forschungsprojektes SOPRAN diese Austauschprozesse zwischen Meer und Atmosphäre. Die Abkürzung SOPRAN steht für „Surface Ocean Processes in the Anthropocene“. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit sechs Millionen Euro finanziert und vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (GEOMAR) in Kiel koordiniert. Neben dem GEOMAR sind das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), die Universität Hamburg, die Universität Bremen, die Universität Heidelberg, das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung Leipzig sowie das Max-Planck-Institut für Chemie Mainz beteiligt. SOPRAN ist gleichzeitig der deutsche Beitrag zum internationalen SOLAS (Surface Ocean Lower Atmosphere Study) Programm, in dem sich 31 Nationen zusammengeschlossen haben, um die Prozesse am Übergang von Atmosphäre zum Ozean besser zu verstehen.
Die jetzt veröffentlichen Daten stammen aus Proben, die während der Expedition ANT-XXVII/4 des deutschen Forschungseisbrechers „Polarstern“ im April/Mai 2011 im Atlantik genommen wurden. Genau wie in diesem Jahr hatten auch damals Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen die Heimreise des Schiffes von der Antarktis nach Deutschland für Messungen auf dem Atlantik genutzt. Die Aerosolpartikel wurden mit Messgeräten auf der „Polarstern“ gesammelt. Für die Proben des Oberflächenfilms mussten die Wissenschaftlerinnen jedoch per Schlauchboot vom Schiff auf See hinaus, um Verwirbelungen durch das große Schiff auszuschließen. „In einiger Entfernung wird dann eine Glasplatte ins Wasser getaucht und anschließend vorsichtig wieder herausgezogen. Dabei bleibt der 100 Mikrometer dünne Oberflächenfilm am Glas haften“, berichtet Dr. Manuela van Pinxteren vom TROPOS. Danach geht es ans Scheibenputzen. Mit handelsüblichen Wischblättern wird der Oberflächenfilm abgekratzt und in Fläschchen befördert, die bis zur Analyse im Labor in den Gefrierschrank wandern. „Wir wollten vor allem testen, ob sich diese Methode für Untersuchungen auf hoher See eignet und sind froh, dass sie sich auch dort bewährt hat“, so Manuela van Pinxteren, die diese ungewöhnlichen Messmethode auch schon bei Untersuchungen an der Küste der Kapverdischen Inseln eingesetzt hat. Auf diese Weise werden frisch geputzte Glasscheiben künftig weiter helfen, ungelöste Fragen rund um die Ozeane und das Klima zu lösen.
Quelle: Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V. (idw)