Wie viel Metall liegt in der Tiefsee?
Archivmeldung vom 19.04.2012
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Suche nach Schwarzen Rauchern und damit verbundenen Metallerzvorkommen in der Tiefsee glich bisher oft einem zufälligen Stochern in der Dunkelheit. Weltweit führende Experten für Tiefseegeologie und -geophysik planen in Kiel jetzt ein internationales Programm, um die Erkenntnisse auf diesem Gebiet entscheidend zu erweitern.
Vom Kupfer, aus dem vor über 5000 Jahren das Beil des Gletschermannes Ötzi hergestellt wurde, bis hin zum Indium, das heute für Handys oder Computerchips unerlässlich ist – fast jede von Menschen erdachte Technologie ist auf metallische Rohstoffe angewiesen. Bisher wurden diese Rohstoffe auf knapp einem Drittel der Erdoberfläche, den Kontinenten, gefördert. Doch bei steigender Nachfrage und damit steigenden Preisen rücken auch die restlichen zwei Drittel des Planeten, die Ozeane, als mögliche Quelle metallischer Rohstoffe immer mehr in den Fokus.
Dass es in den Ozeanen Vorkommen wichtiger Metalle gibt, ist seit etwa den späten 1970er Jahren bekannt. Damals wurden die ersten sogenannten Hydrothermalquellen am Meeresboden in der Nähe von Erdplattenrändern im pazifischen Ozean entdeckt. Meerwasser dringt dort durch Spalten tief ins Erdinnere ein, wird stark erhitzt, steigt wieder auf, laugt bestimmte Elemente aus dem umliegenden Gestein und lagert sie schließlich am Meeresboden ab. Dabei bilden sich auch regelrechte Schlote, die berühmten „Schwarzen Raucher“.
„Einzelne Felder mit Hydrothermalquellen kennen wir mittlerweile ganz gut“, sagt der Geologe Dr. Sven Petersen vom GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, „doch ein Überblick über regionale Zusammenhänge und ihre Verteilung im Raum fehlt bisher völlig.“ Darüber hinaus sind die derzeitigen Untersuchungen auf einen sehr engen Bereich beschränkt. Und das erschwere seriöse Abschätzungen zum Rohstoffpotenzial insgesamt, so Dr. Petersen weiter. Genau diese Wissenslücke wollen weltweit führende Experten nun mit einem gemeinsamen, internationalen Forschungsprojekt schließen. Auf Einladung des GEOMAR treffen sie sich heute und morgen für die ersten Planungen in Kiel.
Ziel des Projekts soll die Umgebung des TAG-Hydrothermalfeldes sein. Es liegt bei 26° Nord am Mittelatlantischen Rücken, also an der Grenze zwischen der nordamerikanischen und der afrikanischen Erdplatte, in rund 3600 Metern Wassertiefe. TAG war 1986 das erste Schwarze-Raucher-Feld, das überhaupt im Atlantik entdeckt wurde. Aufgrund der vergleichsweise langen Forschungsgeschichte gehört TAG zu den am besten untersuchten, aktiven Hydrothermalfeldern im Atlantik. In der näheren Umgebung sind außerdem einige heute inaktive Felder gefunden worden, die aber bisher wenig untersucht sind. „Das ist ein ideales Forschungsfeld für neue Untersuchungsmethoden. In den Weiten der Tiefsee finden wir Schwarze Raucher meist mit Hilfe der hohen Austrittstemperaturen und der besonderen chemischen Zusammensetzung des Wassers in der Nähe. Schlote, die schon seit Jahrtausenden inaktiv oder von vulkanischen Gesteinen oder Sedimenten bedeckt sind, bleiben deshalb oft unentdeckt. Doch auch sie können mit großen Metallvorkommen verbunden sein“, erklärt Petersen.
Ziel der Wissenschaftler ist es nun, einen rund 50 Kilometer langen Abschnitt des Mittelatlantischen Rückens rund um TAG mit neuesten Methoden hochauflösend zu kartieren. Durch die Anpassung geophysikalischer Methoden soll systematisch nach weiteren, inaktiven Hydrothermalfeldern gesucht sowie ein regionales dreidimensionales Bild des Untergrunds erstellt werden. „Alleine das ist eine Herausforderung, weil entsprechende Verfahren bisher nicht an mittelozeanischen Gebirgen angewendet wurden“, erklärt Dr. Petersen. In einem letzten Schritt sollen die Erkenntnisse der Untersuchungen in numerische Modelle einfließen. Mit ihnen wollen die Wissenschaftler vorhersagen, welche Wege das erhitzte, mit wertvollen Elementen angereicherte Wasser im Untergrund nimmt – und wo es diese am Meeresboden ablagert beziehungsweise früher abgelagert hat. Am Ende soll ein global besseres Verständnis von Hydrothermalsystemen stehen, das dann auch ein besseres Abschätzen des Rohstoffpotenzials ermöglicht.
„Aufgrund der großen Wassertiefe, der Größe des Untersuchungsgebietes und der vielen eingesetzten Methoden ist ein solches Projekt aber national alleine nicht zu finanzieren“, erklärt Professor Peter Herzig, GEOMAR-Direktor und selbst Rohstoff-Geologe. „In internationaler Kooperation können wir jedoch unser Wissen über Hydrothermalsysteme in der Tiefsee und auch über metallische Rohstoffe im Ozean auf eine ganz neue Ebene heben. Deshalb freuen wir uns, dass alle international renommierten Experten auf diesem Gebiet unserer Einladung nach Kiel gefolgt sind“.
Quelle: GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (idw)