Anpassungsfähige Brutvögel nehmen zu
Archivmeldung vom 18.11.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHeute wurde in Bonn der neue Statusbericht "Vögel in Deutschland 2008" vorgestellt, der vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) und der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW) erarbeitet wurde.
In dem Bericht wird die Situation gefährdeter Vogelarten eingehend analysiert und den Ursachen der Bestandsveränderungen nachgegangen.
"Jede dritte häufige Vogelart nahm zwischen 1990 und 2006 im Bestand ab. Ein für uns alarmierendes Zeichen ist, dass selbst viele bislang häufige Arten wie Kiebitz, Bluthänfling und Star rückläufig sind. Von den 100 häufigsten Arten werden 20 als gefährdet eingestuft oder auf der so genannten Vorwarnliste geführt", fasste Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, die Situation bei den Brutvögeln zusammen. "Bodenbrütenden Feldvögeln geht es nach wie vor schlecht, ihre Situation wird sich ohne ein entschiedenes Gegensteuern v.a. in der Agrarpolitik weiter verschärfen", so BfN-Präsidentin Jessel.
Dr. Stefan Jaehne, Geschäftsführer der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten, verglich den Zustand der Vogelwelt mit der aktuellen Finanzmarktkrise: "Unsere heimischen Brutvögel benötigen ebenfalls einen staatlichen Rettungsschirm. Anders lässt sich der freie Fall einiger unserer ehemals häufigsten Arten, vor allem in der intensiv genutzten Kulturlandschaft, nicht mehr stoppen". Artenreiche Brachflächen und wenig rentable Standorte würden derzeit großflächig in Monokulturen umgewandelt, so Jaehne.
"Der in den kommenden Jahren zunehmende Anbau nachwachsender Rohstoffe wird die Situation für Feldlerche, Grauammer und Stieglitz weiter verschärfen", fürchtet Stefan Fischer, Vorsitzender des DDA. Die Herausgeber des neuen Statusberichtes sind sich einig: Es besteht dringender Handlungsbedarf, um den Auswirkungen des vielerorts gravierenden Landschaftswandels zu begegnen.
Ein entschlossenes Handeln ist auch bei Vogelarten der Feuchtgebiete dringend erforderlich, um ein Aussterben weiterer Arten zu verhindern. Dieses Schicksal droht insbesondere dem Alpen-strandläufer und Kampfläufer in Deutschland. Sinkende Rastbestände im Wattenmeer zeigen an, dass diese Arten nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Eurasien auf dem Rückzug sind. Stefan Fischer warnt: "Es ist nicht ausgeschlossen, dass noch drastischere Abnahmen von großräumigen Verlagerungen durch den Einfluss des Klimawandels überdeckt werden. Eine aktuelle Studie weist nach, dass sich die winterlichen Rastgebiete des Alpenstrandläufers in Nordwesteuropa in zwei Jahrzehnten um durchschnittlich 75 Kilometer nach Nordosten verlagert haben".
"Auch in Deutschland werden die Auswirkungen des Klimawandels auf die Vogelwelt immer deutlicher. Der Statusbericht zeigt, dass sich die Rastbestände überwinternder Wasservögel immer mehr in Richtung Nordosten verlagern. Ein Beispiel ist die Löffelente. Während die Zahl in Deutschland rastender Vögel zwischen Herbst und Frühjahr ansteigt, gehen die Brutbestände in den meisten anderen europäischen Ländern zurück oder sind stabil. Ursache für die gegenläufige Entwicklung ist ein verändertes Zugverhalten. Die kältesensiblen Löffelenten verbleiben zunehmend länger und in größerer Zahl in Deutschland. Die Rastbestände kälteunempfindlicherer Arten, wie etwa der Stockente, nehmen hingegen in Deutschland kontinuierlich ab. Sie haben ihre Zugwege verkürzt und bleiben vermehrt im Nordosten. Dadurch überwintern sie in geringerer Zahl in Deutschland und in westeuropäischen Ländern", sagte BfN-Präsidentin Beate Jessel. "Diesen Veränderungen und der zunehmenden Verantwortung für bestimmte Arten müssen wir Rechnung tragen. Einerseits durch eine Anpassung der Managementpläne im europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000, z.B. durch den Erhalt geeigneter Lebensräume und die Ausweisung von Ruhezonen. Andererseits durch eine entschiedene Reduktion der Treibhausgase, um den Anstieg der weltweiten Temperaturen zu minimieren", sagte Beate Jessel.
Die seit den 1960er Jahren laufenden Erfassungen von rastenden Wasservögeln und das Monitoring von Brutvögeln liefern zuverlässige Informationen zum Zustand der Vogelwelt. "Die vorwiegend ehrenamtliche Erfassung der Daten durch über 5.000 Mitwirkende zeugt von einem enormen bürgerschaftlichen Engagement. Hierdurch wird für den Naturschutz eine solide Wissensbasis erstellt. Ihnen allen gebührt mein herzlicher Dank," so BfN-Präsidentin Jessel.
Hintergrund
Das bundesweite Vogelmonitoring basiert vorwiegend auf ehrenamtlichen Felderhebungen. Bund und Länder finanzieren seit 1. Januar 2008 gemeinsam die bundesweite Koordination dieses Vogelmonitorings durch den DDA. Die Ergebnisse aus dem Monitoring werden für aktuelle Problemanalysen des Naturschutzes und der Biologischen Vielfalt genutzt. Die Daten werden für die Berichterstattung zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie und zur nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt der Bundesregierung verwendet. Die heute vorgestellte Studie "Vögel in Deutschland 2008" fasst die aktuelle Lage der Vögel in Deutschland zusammen.
Quelle: Bundesamt für Naturschutz (BfN)