Deutsche Umwelthilfe enthüllt schmutzigste italienische, französische und deutsche Diesel-Pkw mit über 13-facher NOx-Grenzwertüberschreitung
Archivmeldung vom 23.11.2016
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.11.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit derartig schlechten Abgasmesswerten hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nicht gerechnet: Zu Beginn des Winterhalbjahres zeigen inzwischen drei vom Emissions-Kontroll-Institut (EKI) untersuchte Diesel-Pkw Stickoxid-Emissionen auf der Straße von über 1.000 mg NOx/km, und das bereits bei Außentemperaturen von circa +5 Grad Celsius.
Der italienische Spitzenreiter Fiat 500x mit 1.380 mg/km NOx, der französische Spitzenreiter Renault Captur mit 1.320 mg/km ( http://l.duh.de/qa2cd ) sowie der schmutzigste deutsche Diesel-Pkw, der Mercedes B 180 d. Durch Messungen der DUH sowie durch Hinweise von Whistleblowern aus der Industrie enthüllte die DUH im Februar 2016 die zynische Strategie der Autokonzerne, die ordnungsgemäße Abgasreinigung unterhalb von +17 Grad Celsius, bei anderen Fahrzeugen unter +10 Grad Celsius einzustellen und somit die Innenstädte mit dem Dieselabgasgift Stickstoffdioxid regelrecht zu fluten.
Fiat hatte im Februar 2016 angekündigt, alle neuen Modelle mit einer veränderten Kalibrierung auszustatten, die zu einer verbesserten Abgasreinigung führen soll. Die Messungen des EKI widerlegen dies: Während im September 2016 beim Fiat 500x 1.6 die Stickoxidemissionen mit 420 mg/km um den Faktor 5,3 über dem Grenzwert lagen, lagen sie beim 2.0er Modell im kühlen Oktober bei 1.380 mg/km, das entspricht einer Überschreitung um den Faktor 17,2. Unter den europäischen Herstellern von Diesel-Pkw erobert damit Fiat seinen negativen Spitzenplatz zurück.
Der negative Spitzenreiter unter den deutschen Autokonzernen kommt aus Stuttgart: Das schmutzigste jemals von der DUH gemessene Dieselfahrzeug aus deutscher Produktion ist ausgerechnet eine Mercedes B-Klasse 180 d mit durchschnittlich 1.039 mg/km NOx. Damit überschreitet dieser Schmutz-Mercedes mit Erstzulassung August 2016 den NOx-Grenzwert um das 13-fache.
Während die Stuttgarter Daimler AG noch im Dezember 2015 schriftlich erklären ließ, keinerlei Abschalteinrichtungen zu verwenden, ist der schwäbische Autokonzern seit Februar 2016 der Falschaussage sowie der Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen überführt. In einer aufwändigen Kältekammer-Untersuchung eines Mercedes Benz C 220 Blue Tec in Schweizer Prüflaboren gelang der DUH auch der Nachweis, dass das vorgebrachte Argument 'Motorschutz' widerlegt ist. Die DUH ließ die Mercedes C-Klasse bei +26, +12, +5 und -7 Grad Celsius Labortemperatur im vorgeschriebenen Prüfzyklus NEFZ fahren. Die Ergebnisse sind eindeutig: Während der Mercedes bei 26 Grad Celsius den Grenzwert mit 71 mg/km NOx klar einhielt, explodierte die NOx-Emission bereits bei +5 Grad sowie bei -7 Grad Celsius um über 800 Prozent auf 570 beziehungsweise 591 mg/km. Unter den gewählten Prüfbedingungen im jeweils betriebswarmen Zustand mit einer Öltemperatur von mindestens 80 Grad Celsius gibt es keinerlei technologische Begründung für die Aktivierung der Abschalteinrichtung über die Außentemperatursensoren des Fahrzeugs.
"Bundesverkehrsminister Dobrindt und das Kraftfahrt-Bundesamt konspirieren mit den Autokonzernen und behindern aktiv die Aufklärung des Dieselabgasskandals. Wir übermitteln zukünftig unsere Untersuchungsergebnisse vor allem an die Staatsanwaltschaften. Dobrindt leistet Beihilfe zur vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge, indem er den rechtlich vorgeschriebenen Zulassungs- und Verkaufsstopp für Diesel-Pkw verweigert, die nicht einmal die Euro 1 Grenzwerte für NOx erfüllen", erklärt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. "Von den für die Luftreinhaltung zuständigen Bundesländern beziehungsweise den Städten mit Umweltzonen fordern wir als Sofortmaßnahme Dieselfahrverbote, wenn die Temperatur unter +10 Grad Celsius beträgt."
"Es ist unglaublich, dass Autohersteller ihren Kunden in 2016 noch immer Autos verkaufen, die auf der Straße nicht einmal die Grenzwerte von Euro 1 einhalten. Diese Fahrzeuge haben auf unseren Straßen nichts zu suchen", sagt der internationale Verkehrsexperte Axel Friedrich.
Durch die in den USA anhängigen Gerichtsverfahren gegen Audi wurden im Oktober 2016 spezielle Abschalteinrichtungen für die Manipulation von CO2-Angaben bekannt. Bei einer einmaligen leichten Lenkradbewegung aktiviert die Motorsteuersoftware eine Abschalteinrichtung. In der Folge steigen der Spritverbrauch und damit der CO2-Ausstoß deutlich an. Nach detaillierten Informationen der DUH setzten auch andere Hersteller in Deutschland mit Wissen des für die Kontrolle zuständigen Bundesverkehrsministeriums (BMVI) die Lenkradkennung ein. Ein süddeutscher Hersteller hat offensichtlich bei allen Benzin-Motoren eine Testerkennung aktiv und nutzt Lenkwinkel beziehungsweise ein Querbeschleunigungssignal aus dem Getriebesteuergerät. Bei bestimmten Modellen wird der CO2-Wert über die Laufleistung über die Rekuperations-Steuerung "herausgerampt", das heißt nach einigen tausend Kilometern Laufleistung steigt der CO2-Ausstoß an.
Die DUH wird die für die einzelnen Autokonzerne zuständigen Staatsanwaltschaften über die ihr vorliegenden Hinweise sowie erste durchgeführte Tests informieren. Seit einem halben Jahr streitet die DUH in einem Rechtsverfahren gegen das BMVI um die Herausgabe der vollständigen Messprotokolle inklusive CO2-Werte. Diese Weigerung des Ministeriums, die Werte einer abgeschlossenen Untersu¬chung, die vom Steuerzahler bezahlt wurde nicht zu veröffentlichen, bezeichnet die DUH als skandalös. Eine offizielle Bekanntmachung dieser Werte würde es betroffenen Autohaltern erheblich erleichtern, ihre Schadenersatz- beziehungsweise Kaufrücktrittsansprüche durchzusetzen.
Die DUH hat mittlerweile über zehn Rechtsverfahren gegen das Bundesverkehrsministerium beziehungsweise das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) eingeleitet. Diese beziehen sich sowohl auf die Weigerung der Behörden, dem klageberechtigten Umwelt- und Verbraucherschutzverband trotz klarer Rechtslage Informationen zum Rückruf sowie zu den fehlerhaften CO2-Angaben mehrerer VW Modelle, die Ende letzten Jahres bekannt wurden, zu übermitteln. Weiterhin hat die DUH rechtliche Schritte zum Entzug der Typgenehmigung für den Opel Insignia gegen das KBA eingeleitet.
Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V. (ots)