Deutsche 'Milch'kühe in marokkanischen Schlachthäusern - Animals' Angels deckt auf
Archivmeldung vom 23.11.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.11.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttDie Tierschutzorganisation Animals' Angels verfolgt seit Jahren die Exportwege der deutschen 'Milch'kühe in Länder außerhalb der EU. Sie werden als 'Zucht'tiere über tausende Kilometer bis nach Zentralasien, Nordafrika und in den Nahen Osten transportiert. In Ländern ohne Tierschutzgarantien finden sich diese Tiere oftmals unter katastrophalen Bedingungen auf Tiermärkten und Schlachthäusern wieder.
Animals' Angels zeigt auf, was mit den Tieren, die zum Zuchtaufbau bestimmt sind, geschieht. Sie fordert von der EU und Deutschland: Stoppt den Export von Tieren in Nicht-EU-Länder! Aktuell hat das Verwaltungsgericht in Köln den Transport von 132 trächtigen Färsen nach Marokko verboten, "denn es gebe gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der geplante Tiertransport nach Marokko in eine tierschutzwidrige Behandlung der Rinder münde" und nach §16a des Tierschutzgesetztes mit hoher Wahrscheinlichkeit untersagt werden müsse.[1]
Dies bestätigen die Beobachtungen von Animals' Angels vor Ort: Tierschutzgesetze und Kontrollen fehlen gänzlich. Auch auf den Tiermärkten, wo Animals Angels immer wieder desolate Zustände vorfindet. Dünne, verdreckte und verletzte Rinder stehen dicht gedrängt im Matsch. Teilweise an den Hörner oder an kurzen Stricken befestigt, sodass sie den Kopf kaum bewegen können. Die Vorderbeine einiger Tiere sind zusammengebunden. Über den Augen ist ein Sack gestülpt. Hilflos harren sie aus. Das ist den EU-Mitgliedsstaaten bekannt und trotzdem geht der Export vielerorts weiter.
Die Recherchen von Animals' Angels auf den lokalen Märkten in Marokko beweisen: Auch 'Milch'kühe aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Österreich werden unter schlimmsten tierschutzrelevanten Umständen gehandelt, transportiert und geschlachtet. Milchbetriebe sortieren die alten und kranken Tiere als "unrentabel" aus. Sie landen auf Tiermärkten, wo Kleinbauern und Händler ihre Geschäfte machen. Erika ist eine von ihnen.
Geboren in Niedersachsen musste sie mit zwei Jahren den Transport nach Marokko erdulden. Nur ein Jahr und sieben Monate später steht sie schwer hustend auf einem Tiermarkt. Ihre letzte Station ist der Schlachthof. Als Transportmittel dient ein handelsüblicher Kleinbus ohne Fenster. Nach EU-Tierschutzgesetzen völlig ungeeignet für den Transport von Rindern. Erika und zwei weitere ausgediente 'Milch'kühe werden auf die Ladefläche geprügelt. Das Fahrzeug ist völlig überladen. Erika stürzt über eine Kuh, die bereits am Boden liegt. Im Schlachthaus angekommen findet sie sich zwischen toten Artgenossen wieder. Überall ist Blut. Ihre Vorder- und Hinterbeine werden mit Seilen zusammengebunden und zur Seite weggezogen. Erika fällt auf die Seite und ihr Kopf schlägt hart auf den Boden auf. Ohne Betäubung wird ihr durch mehrere Schnitte die Halsschlagader durchtrennt. Es dauert Minuten, bis ihr Tod eintritt. Dieses Vorgehen verstößt gegen die EU-Tierschutz-Schlachtverordnung und wäre in der EU als Tierquälerei einzustufen.
Erika ist kein Einzelfall. Deutschland exportierte in den letzten fünf Jahren fast 24.800 junge Kühe (Färsen) zu Zuchtzwecken nach Marokko, 2019 allein 5.265 'Zucht'kühe [2]. Selbst im Jahr 2020 gibt es immer noch kein Tierschutzgesetz in Marokko.
Animals' Angels fordert ein EU-weites Export-Verbot von Tieren in Länder ohne jegliche Tierschutzgarantien - unabhängig davon, ob sie als 'Schlacht'-, 'Nutz'- oder 'Zucht'tiere transportiert werden. "Die EU kann nicht länger die Augen davor verschließen, was mit ihren Tieren außerhalb der Unionsgrenzen geschieht. Wir haben 2019 und 2020 an nur sieben Tagen mehr als 35 Kühe aus der EU auf marokkanischen Märkten gefunden, allen voran aus Deutschland und Frankreich. Die Dunkelziffer liegt sicherlich noch viel höher. Viele wurden zur Schlachtung verkauft. Andere an Kleinbauern. Schon allein die Möglichkeit, dass Kühe aus Deutschland und der EU unter diesen grauenhaften Bedingungen verkauft und geschlachtet werden, sollte Grund genug sein, diese tierschutzwidrigen Exporte zu untersagen" fordert Helena Bauer, Einsatzleiterin bei Animals' Angels.
Dabei sind die EU und ihre Mitgliedsstaaten gesetzlich angehalten, das Wohlergehen der Tiere nicht nur während des Transports zu gewährleisten. Artikel 13 AEUV verpflichtet sie auch bei der Durchführung der Unionspolitik "den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen" in vollem Umfang Rechnung zu tragen. Doch wie die Realität zeigt, spielt dieser Grundsatz bei den europäischen Exporten von lebenden Tieren keinerlei Rolle.
Sobald die Tiere die EU-Außengrenze verlassen, gibt es keine Kontrollmöglichkeit mehr von EU-Seite. Wer weiß schon, was mit den Kühen passiert. "Exportunternehmen, Zuchtverbände, Landwirte, Behördenvertreter und politische Entscheidungsträger müssen endlich Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Dabei dürfen wirtschaftliche Interessen nicht immer und immer wieder über das Wohl der Tiere gestellt werden. Hier braucht es endlich klare Grenzen!" so Helena Bauer weiter. Sehr begrüßenswert ist der aktuelle Beschluss des Verwaltungsgerichts in Köln. Darin wird bestätigt, dass Tierschutz den bloßen Vermögensschaden überwiege.[3]
Derzeit hat die deutsche Bundesregierung noch die EU-Ratspräsidentschaft inne. Mit einem aktuellen Bericht über 'Milch'kühe aus der EU auf marokkanischen Märkten fordert Animals' Angels Deutschland und die EU auf, diesem Leid endlich ein Ende zu setzen!
[1] Beschluss 21 L 2135/20, siehe auch: http://ots.de/GBKK9D
[2] Extrahiert aus Eurostat, 10.11.2020
[3] Beschluss 21 L 2135/20, siehe auch: http://ots.de/GBKK9D
Quelle: Animals' Angels (ots)