Erdbebenobservatorium in Nord-Chile zur Überwachung der letzten seismischen Lücke
Archivmeldung vom 17.03.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas schwere Erdbeben vom 27.2.2010 im südlichen Zentralchile hat eine der beiden letzten seismischen Lücken am südamerikanischen Plattenrand geschlossen. Die verbleibende Lücke im Norden Chiles hat nach dem Beben von Concepción das Potential eines vergleichbaren Starkbebens und rückt damit noch mehr in den Fokus. Das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ beobachtet seit 2006 diese Lücke mit dem Integrierten Plattengrenzen-Observatorium in Chile (IPOC).
Der Vorstandsvorsitzende des GFZ, Professor Reinhard Hüttl, übergibt am
15. März dieses Observatorium in einem feierlichen Akt an die
Universidad de Chile mit dem seismologischen Dienst Chiles und an die
Universidad catolica del Norte.
"Wir haben IPOC zusammen mit den chilenischen Kollegen und anderen
Partnern aufgebaut und betrieben. Die Übergabe an den Chilenischen
Erdbebendienst soll diese Zusammenarbeit weiter festigen," erklärte
Reinhard Hüttl in Santiago de Chile. "Das Observatorium wird auch
weiterhin gemeinsam betrieben. Das GFZ finanziert den deutschen Anteil.
Der Ort für dieses Observatorium ist, so zeigt das Beben vom 27.
Februar, offenbar gut gewählt. Dieses letzte noch nicht durchgebrochene
Segment der Erdkruste vor der chilenischen Westküste ist für die
Geowissenschaften in aller Welt hochinteressant." Dabei geht es aber
nicht nur um Erdbeben. Ziel ist es, alle Prozesse kontinuierlich zu
messen, die im Zusammenhang mit der Dynamik dieses Plattenrands zu tun
haben.
Ungefähr ein Drittel der weltweiten seismischen Energie hat sich im
letzten Jahrhundert entlang der südamerikanisch-pazifischen
Plattengrenze in Erdbeben mit Magnituden über M= 8 entladen. Die
Wiederholzeit zwischen zwei großen Erdbeben ist hier so kurz wie sonst
kaum irgendwo auf unserem Planeten.
Das IPOC-Projekt eforscht die Gegend um Iquique an der südamerikanischen
Nazca-Plattengrenze. Man rechnet damit, daß in diesem Bereich innerhalb
der nächsten Jahre ein starkes bis verheerendes Erdbeben auftreten
wird. Im Rahmen der Untersuchungen werden Deformation, Seismizität und
magnetotellurische Felder in der Subduktionszone beobachtet, und zwar in
den Zeiträumen vor, zwischen und eventuell auch während des Bebens.
Die Einrichtung des Observatoriums wurde in enger Zusammenarbeit mit der
Universidad de Chile (Santiago), der Universidad Católica del Norte
(Antofagasta), des IPGP (Paris) und des GFZ begonnen. Professor Onno
Oncken, Direktor des Departments "Geodynamik und Geomaterialien" des GFZ
ist Koordinator der IPOC-Aktivitäten und erklärt den Aufbau des
Observatoriums: "Gegenwärtig besteht das Messnetz aus 20 seismologische
Stationen, die mit Breitbandseismometern und Beschleunigungssensoren
ausgestattet sind." Um den Anforderungen an Auflösung und
Leistungsfähigkeit der Sensoren und Datengewinnung gerecht zu werden,
wurde besondere Sorgfalt auf die Errichtung jedes Standortes verwendet.
So wurde an jeder Station ein Stollen von ca. 5 m Tiefe in das Felsbett
gesprengt, um stabile Umgebungsbedingungen für die Messgeräte zu
gewährleisten. Alle seismischen Installationen werden mit der neuesten
Generation von GPS-Geräten ausgestattet. Sieben Messpunkte wurden
darüber hinaus mit magnetotellurischen Meßgeräten ausgerüstet und dienen
zur Messung elektrischer Ströme in der Erdkruste.
Professor Oncken leitet die Erforschung der Geodynamik in den Anden seit
1994. Diese Arbeiten sind nicht nur von geowissenschaftlichem
Interesse. "Wir haben am GFZ nach vielen Jahren von Expeditionen und
Messkampagnen in dieser Subduktionszone den weltweit dichtesten
Datensatz für ein solches Gebiet," sagt Onno Oncken. "Wenn wir an dieser
Stelle den Zustand vor, während und nach einem großen Beben messen,
dient das dazu, langfristige Gefährdungsmodelle für diese und ähnliche
Regionen zu entwickeln." Ein Starkbeben in dieser Region kann
Auswirkungen auf die globale Ökonomie haben: die Erdbeben hier entstehen
durch das Abtauchen des Pazifikbodens unter Südamerika. Der gleiche
Prozess führt aber auch zur Bildung von Erzlagern in der Erdkruste, so
befindet sich die größte Kupferlagerstätte der Welt am Westrand der
Zentralanden. Ein Starkbeben hier könnte die globale Versorgung mit
Kupfer und Lithium zeitweise gefährden oder gar unterbrechen.
Quelle: Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ