Länger leben: Vielfalt in den Immungenen lässt Gamsböcke älter werden
Archivmeldung vom 12.05.2012
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtWissenchafter vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Vienna und Kollegen zeigen nun, dass Gamsböcke, die an einem bestimmten Immungenort heterozygot sind (d.h., die zwei verschiedene Formen dieses Gens besitzen) deutlich länger leben als homozygote Individuen (d.h. jene mit zwei identischen Kopien des Gens). Für weibliche Gämsen fanden sie keinen solchen Effekt. Ihre Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „BMC Evolutionary Biology“ veröffentlicht.
Säugetierweibchen, Menschen eingeschlossen, werden tendenziell älter als Männchen. Diese Tatsache wird im Allgemeinen dem aggressiven, mit hohem Energieverbrauch verbundenen Verhalten der Männchen zugeschrieben, das sie vor allem beim Wettbewerb um Weibchen zeigen. Möglicherweise sind Männchen deshalb auch anfälliger für Parasiten. Es wurde daher vermutet, dass hohe Variabilität bei Immungenen, die gegen Pathogene schützt, für Männchen wichtiger ist als für Weibchen. Wissenchafter vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Vienna und Kollegen konnten jetzt zeigen, dass Gamsböcke, die an einem bestimmten Immungenort heterozygot sind (d.h., die zwei verschiedene Formen dieses Gens besitzen) in der Tat deutlich länger leben als homozygote Individuen (d.h. jene mit zwei identischen Kopien des Gens). Für weibliche Gämsen fanden sie keinen solchen Effekt. Ihre Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „BMC Evolutionary Biology“ veröffentlicht.
Der Preis der Liebe
Es überrascht kaum, dass Männchen viel Energie aufwänden, um Weibchen zu beeindrucken. Um die Kosten dieser Anstrengungen besser zu verstehen, untersuchten Helmut Schaschl, Franz Suchentrunk, David L. Morris, Hichem Ben Slimen, Steve Smith, und Walter Arnold in einer Langzeitstudie die Überlebensmuster von freilebenden Gamsböcken und -geißen (Rupicapra rupicapra) und ihre mögliche immungenetischen Grundlagen.
Frei lebende Gämsen werden durchschnittlich 16 bis 20 Jahre alt. Bei Gamsböcken kann die Überlebensrate aber schon nach elf Jahren deutlich zurückgehen. Das war der Fall in Gebieten der Ostalpen, in denen die Gamsräude, eine hoch ansteckende Krankheit, in regelmäßigen Wellen auftritt. Dort haben die fortpflanzungsaktiven Männchen eine höhere Sterberate als Weibchen und jüngere Böcke, vermutlich weil sie die Brunft im Winter viel Energie kostet. „Wir fanden, dass die älteren Gamsböcke ihre Fettreserven am Ende des harten alpinen Winters schon etwa sechs Wochen früher aufgebraucht hatten als Geißen oder junge Böcke“, sagt Walter Arnold, einer der Studienautoren. „Damit können die Tiere weniger Energie für das Immunsystem bereitstellen. Das könnte erklären, warum die genetische Komponente der Immunabwehr für Männchen wichtiger ist als für Weibchen.“
Genetische Vielfalt verlängert Leben
Die Forscher machten sich daher auf die Suche nach genetischen Eigenschaften des Immunsystems, von denen man vermutete, dass sie die Anfälligkeit für Krankheiten reduzieren. Sie untersuchten die Variabilität (d.h. Homo- versus Heterozygotie) eines Gens aus dem sogenannten Major Histocompatibility Complex (MHC), der eine wichtige Rolle bei der Erkennung von Krankheitserregern spielt. Er stellte sich heraus, dass der Anteil heterozygoter Gamsböcke mit dem Alter zunahm. Dies sprach für höhere Sterblichkeit der homozygoten Tiere. Bei Geißen konnte dieser Trend nicht festgestellt werden. Wichtig ist, dass die Überlebensrate der Gamsböcke nicht mit ihrer allgemeinen genetischen Vielfalt zusammenhing, sondern tatsächlich nur mit der Vielfalt beim untersuchten MHC-Gen. Das macht Sinn, da unterschiedliche Immungen-Varianten ein breiteres Spektrum von Krankheitserregern erkennen können und damit eine verbesserte Immunität verleihen. „Der höhere Energiebedarf älterer Böcke wird offenbar nur dann zum Problem, wenn ihr Immunsystem stark gefordert wird. In einer solchen Situation haben männliche Tiere mit einer hohen Vielfalt in den Immungenen anscheinend einen deutlichen Überlebensvorteil“, erklärt Arnold. Die Forschungsergebnisse deuten also auf einen geschlechtsspezifischen Fitnessvorteil durch höhere MHC-Variabilität hin.
Quelle: Veterinärmedizinische Universität Wien (idw)