Für Trinkwasserschutz und naturnahe Mischwälder: Freiwillige Helfer kommen nach Berlin, um den dringenden Waldumbau zu unterstützen
Archivmeldung vom 02.09.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićMit gut 80 Freiwilligen aus ganz Deutschland wird das Bergwaldprojekt vom 5. September bis 2. Oktober in und um Berlin für den Waldumbau aktiv. Auf verschiedenen Flächen werden die Ehrenamtlichen dabei Kiefernreinbestände für die Pflanzung von Laubbäumen vorbereiten und dafür die Spätblühende Traubenkirsche entfernen.
Im Spätherbst werden dann an zwei Samstagen mit hunderten Freiwilligen auf den vorbereiteten Flächen bis zu 10.000 Laubbäume gepflanzt. Damit sollen naturnahe Mischwaldbestände begründet werden, die langfristig auch die Berliner Trinkwasserversorgung sichern. Der Bergwaldprojekt e.V. engagiert sich seit 30 Jahren im ökologischen Waldumbau in ganz Deutschland und hat mit Freiwilligenarbeit bereits Tausende Hektar naturfernen Wald in klimastabile und naturnahe Mischwälder gewandelt. Der Verein fordert von der Bundesregierung, Waldbesitzer in der aktuellen Situation nicht pauschal für Flächen, sondern nur noch in Verbindung mit einem naturnahen Umbau der Wälder zu fördern.
"In den letzten drei Jahren haben wir in Deutschland über 300.000 Hektar Wald durch die Folgen der Erderwärmung verloren. Zwar waren dies meist labile Altbestände aus Fichte und Kiefer, aber trotzdem fehlt damit ein wertvolles Schutzgitter gegen Frost, Hitze und Erosion im naturnahen Umbau der Wälder", so Peter Naumann, Vorstand des Bergwaldprojekts. "Den Umbau in noch stehenden Beständen wie in den Berliner Kiefernforsten mit standortheimischen Mischbaumarten zu starten, ist daher die einzige Möglichkeit, die Waldökosysteme zu stabilisieren und zu erhalten. Bedingungslose Flächenprämien für Waldbesitzer sind daher der falsche Weg und eher herausgeworfenes Steuergeld als eine effektive Hilfe für den Wald."
Waldumbau Berlin
In Zusammenarbeit mit den Berliner Forsten und dem Landesbetrieb Forst Brandenburg wird in verschiedenen Revieren in Tegel, Grunewald und Grünheide die Spätblühende Traubenkirsche von den Freiwilligen in den vier Einsatzwochen unter der Leitung von Forstfachleuten des Bergwaldprojektes flächig entnommen. Die aus Nordamerika stammende invasive Baumart stellt heute in Teilen der Berliner Wälder neben dem Wildverbiss das grösste waldbauliche Hindernis dar, da sie die Naturverjüngung standortheimischer Baumarten unterdrückt. Der angestrebte Waldumbau der einschichtigen Kiefernbestände wird daher nur durch ihre Entnahme möglich.
"Das Zurückdrängen der Traubenkirsche ist aufgrund des hohen Aufwands nur gerechtfertigt, wenn unmittelbar danach auch eine Verjüngung erfolgt, um die Traubenkirsche möglichst schnell durch einheimische Laubbaumarten zu substituieren", so der Waldumbau-Experte Peter Naumann vom Bergwaldprojekt. Daher werden parallel zur Arbeit die Gebiete mit Wildschutzzäunen eingezäunt und im Spätherbst mit Buche, Traubeneiche, Winterlinde, Hainbuche und Esskastanie bepflanzt.
Problembaum Spätblühende Traubenkirsche
Die Spätblühende Traubenkirsche ist eine Baumart, die in Europa - wie auch die heimische Traubenkirsche - klein bleibt. Sie war einst ein Hoffnungsträger, da sie in ihrer Heimat Nordamerika stattliche Größen erreicht und tolles Holz liefert. Ihre Pflanzenzellen enthalten einen Wirkstoff, der bei Beschädigung der Zellen mit Luftsauerstoff reagiert und zu Blausäure zerfällt. Durch diese toxische Substanz ist die Pflanze gegen Wildverbiss geschützt und hat damit einen entscheidenden Konkurrenzvorteil gegenüber heimischen Baumarten im Kampf um das einfallende Licht in den Kiefernbeständen Berlins und Brandenburgs.
Berliner Trinkwasserschutz durch Waldumbau
Die alten Kiefernbestände werden durch Insekten und Pilze sowie Trockenheit, Sturm und Frost in ihrem Waldgefüge zunehmend destabilisiert und müssen in den kommenden Jahrzehnten verstärkt durch die Pflanzung von heimischen Laubbaumarten wie Eiche, Linde, Ulme und Buche zu stabilen und vielfältigen Mischwäldern entwickelt werden. Gleichzeitig wird damit auch die Trinkwasservorsorge Berlins nachhaltig verbessert. Im Unterschied zu der hohen Verdunstungsrate in immergrünen Nadelwäldern, auch in den Wintermonaten, sorgen Laubmischwälder in dieser Zeit für einen verbesserten Wasserhaushalt und steigern die Grundwasserneubildung. Da Berlin sein Trinkwasser nicht importiert, sondern innerhalb des Stadtgebiets gewinnt, ist die Rückhaltung und Versickerung der Niederschläge über die Wälder der Stadt eine wesentliche Voraussetzung für die Qualität und die nachhaltige Verfügbarkeit des Trinkwassers. Durch den Waldumbau kann die Menge des versickernden Niederschlagswassers in einem Laubbestand langfristig um bis zu 50 Prozent im Vergleich zu den einschichtigen Kiefernbeständen gesteigert werden.
Bergwaldprojekt e.V.
Das Bergwaldprojekt e.V. mit Sitz in Würzburg organisiert deutschlandweit Freiwilligen-Wochen mit jährlich mehr als 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in über 140 Projektwochen an mehr als 70 Einsatzorten in Deutschland. Schwerpunkte der Arbeiten sind neben Waldumbau und -pflege auch Moorwiedervernässungen sowie der Biotop- und Artenschutz.
Ziele der Arbeitseinsätze sind, die vielfältigen Funktionen der Ökosysteme zu erhalten, den Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Bedeutung und die Gefährdung unserer natürlichen Lebensgrundlagen bewusst zu machen und eine breite Öffentlichkeit für einen naturverträglichen Umgang mit den natürlichen Ressourcen zu bewegen. Der Verein finanziert sich größtenteils aus Spenden.
Quelle: Bergwaldprojekt e.V. (ots)