Behördenskandal: Cadmium und Blei verseuchen Böden in Wohngebieten um Müllanlage Pohritzsch
Archivmeldung vom 20.02.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.02.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHochgiftiges Cadmium und Blei haben Chemiker in Bodenproben von Wohn- und Gewerbegebieten rings um die Abfallbehandlungsanlage der Firma S.D.R. Biotec in Pohritzsch gefunden.
Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) hatte die Analyse in Auftrag gegeben, nachdem das zuständige Regierungspräsidium Leipzig die nötigen Untersuchungen für den Gesundheitsschutz der dortigen Bevölkerung verweigert hat. Nach mehrmaliger Aufforderung durch die DUH hatte die Behörde zwar die Staubbelastung in der Luft gemessen, aber nicht die entscheidenden Bodenuntersuchungen durchgeführt, die Hinweise auf eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung liefern können. "Der Grenzwert für Cadmium wird um das 11-fache überschritten, der Grenzwert für Blei um das 6-fache - bei diesen hohen Werten der krebserregenden Schwermetalle können Gesundheitsgefahren für die Anwohner rings um die Anlage nicht ausgeschlossen werden", warnt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Wir reden von Bleibelastungen in Höhe von 2,3 Gramm pro Kilogramm - also 2,3 Promille - hochgiftiges Blei in der Erde in Wohngebieten."
In der sogenannten Immobilisierungsanlage am Ortsrand behandelt das Unternehmen Biotec gefährliche Abfälle, wie Rückstände aus Müllverbrennungsanlagen und schwermetallhaltige Abfälle. Die Anwohner klagen seit Jahren über die hohen Staubbelastungen durch Biotec. Das zuständige Regierungspräsidium Leipzig hat wiederholt die Forderungen der DUH zur Bodenprobennahme auf dem Firmengelände und in der Umgebung abgewiesen. Nachdem die DUH im vergangenen Jahr mehrfach auf diesen Missstand hingewiesen und die Untätigkeit der Landesbehörden beklagte, erklärte sich die Behörde im Frühjahr 2008 bereit, die Staubemissionen zu untersuchen. Es dauerte vier weitere Monate bis der Giftstaub in der Luft gemessen wurde. Das Erdreich in der Umgebung der Anlage bzw. im angrenzenden Wohngebiet wurde von staatlicher Seite bis heute nicht in die Schadstoffanalyse einbezogen. Die DUH hat daher selbst Bodenproben analysieren lassen - und bei den hochgiftigen Schwermetallen Cadmium und Blei hohe Überschreitungen der zugelassenen Grenzwerte festgestellt. Sie begründen den Verdacht auf eine sogenannte schädliche Bodenveränderung. Die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) schreibt für solche Fälle eine Detailuntersuchung vor.
"Die zuständigen Behörden sind ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen. Die Überwachung der Anlage war nachlässig und als die Hinweise auf potenziell gefährliche Staubbelastungen in Pohritzsch sich häuften, geradezu fahrlässig", sagte Resch. Nach einer Feststellung vorliegender Gefahren durch die Überschreitung von Grenzwerten in Böden muss die zuständige Behörde nach BBodSchV geeignete Sanierungs- sowie Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen vorschlagen. Die DUH fordert die sofortige Schließung der Abfallbehandlungsanlage bis sichergestellt ist, dass keine weiteren Giftemissionen von der Anlage ausgehen.
Hintergrund
Bereits im Februar 2008 hat die DUH das Regierungspräsidium Leipzig auf die hohen Staubbelastungen um die Abfallbehandlungsanlage in Pohritzsch aufmerksam gemacht und Bodenproben gefordert. Bereitgestellte Fotos ließen vermuten, dass die vor Ort vorgefundene Staubbelastung direkt von der Abfallbehandlungsanlage ausgeht. Nach schriftlicher Aussage des Regierungspräsidiums Leipzig werde die Anlage "regelmäßig überwacht". Die Behörde habe hinsichtlich der Staubemissionen der Anlage und der Umgebung "keinerlei Beanstandungen festgestellt". Ohne jegliche Bodenproben gemacht und analysiert zu haben, stellte das Regierungspräsidium Leipzig der DUH gegenüber fest: "Ein Verdacht auf Gesundheitsgefahr für die Bürger durch die Abfallbehandlung der S.D.R. Biotec Verfahrenstechnik GmbH in Pohritzsch liegt nicht vor". Auch der damalige Staatsminister Wöller hat auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Sächsischen Landtag am 17. März 2008 versichert, dass es zur Sammlung von Staubproben in der Umgebung der Anlage "keine Veranlassung" gäbe.
Auf wiederholte Forderungen der DUH hat das Sächsische Umweltministerium im April 2008 eine Staubmessung durch das Regierungspräsidium Leipzig angekündigt. Bodenanalysen wurden weiterhin abgelehnt. Es sollte dann aber bis zum September noch vier Monate dauern, bevor die Staubmessungen mittels offenen Glasbehältern aufgenommen wurden. Auf Nachfrage hat das Umweltministerium mitgeteilt, dass die Messungen "aufgrund erster Zwischenwerte" bis August 2009 verlängert wurden. "Zwischenergebnisse, die nicht näher erläutert werden, aber zu einer erheblichen Verlängerung der Messung führen, lassen Unregelmäßigkeiten vermuten", befürchtet Maria Elander, Leiterin der Abteilung Kreislaufwirtschaft bei der DUH. "Trotzdem werden keine Bodenproben veranlasst. Das ist aus Umwelt- und Gesundheitsaspekten unverantwortlich". Daraufhin hat die DUH selbst insgesamt drei Bodenproben aus der Umgebung der Anlage analysieren lassen. In der Probe eines angrenzenden Wohngebiets hat ein staatlich anerkanntes Prüflabor Bleikonzentrationen 2.340 Milligramm pro Kilogramm und Cadmiumkonzentrationen von 223 Milligramm pro Kilogramm Trockenmasse festgestellt. Die entsprechenden Grenzwerte für Wohngebiete liegen bei 400 bzw. 20 Milligramm pro Kilogramm Trockenmasse.
Sowohl Blei als auch Cadmium sind sehr giftig und gesundheitsschädigend. Blei schädigt über einen langen Zeitraum schon in niedrigen Konzentrationen die Nerven. Laut Umweltbundesamt stehen die neurotoxischen Effekte beim Menschen durch Bleivergiftungen im Vordergrund. Bei Cadmium sind langfristig Schädigungen der Nieren zu erwarten. Beide Stoffe sind auch krebsauslösend. Untersuchungen lassen u.a. auf ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko nach langjähriger Exposition von hohen Cadmiumkonzentrationen in Form atembarer Stäube schließen. Die Exposition beider Stoffe ist nach Aussage des Umweltbundesamtes so gering wie möglich zu halten.
Quelle: DUH