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Warum ist das Wasser plötzlich so kalt?

Archivmeldung vom 08.07.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.07.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Ausbringen eines Gleiters vom Schlauchboot aus. Was im offenen Ozean funktioniert, hat sich auch in
Quelle: Foto: Michael Schneider, FS METEOR (idw)
Ausbringen eines Gleiters vom Schlauchboot aus. Was im offenen Ozean funktioniert, hat sich auch in Quelle: Foto: Michael Schneider, FS METEOR (idw)

Gleiter sind autonome Messsonden, die im offenen Ozean auf beliebigen Kursen zwischen der Wasseroberfläche und bis in 1000 Metern Wassertiefe für die Meeresforschung Daten erheben. Dass die Geräte auch geeignet sind, in der 20 Meter flachen Ostsee präzise zu arbeiten, zeigte ein Versuch des GEOMAR Helmholtz Zentrums für Ozeanforschung Kiel an der Zeitserienstation Boknis Eck. Die dabei gewonnen Daten wurden jetzt in der internationalen Fachzeitschrift „Biogeosciences“ veröffentlicht.

Wer regelmäßig in der Ostsee badet, kennt das Phänomen: Wenn der Wind vom Land Richtung Meer weht, sollte man auch im Hochsommer nur mit Vorsicht in die Wellen springen. Selbst wenn das Wasser am Vortag noch angenehme 22°C warm war, kann es plötzlich auf unangenehme Temperaturen deutlich unter 20° abgekühlt sein. Diese Erscheinung ist Folge eines Prozesses, den Ozeanographen „Auftrieb“ nennen. Der Wind drückt das warme Oberflächenwasser in die offene See und kälteres Wasser aus der Tiefe steigt dafür an die Oberfläche. Das merkt der Schwimmer sofort. Der Auftrieb hat aber auch positive Eigenschaften: Gerade im Sommer gehen den Pflanzen im warmen und leichten Oberflächenwasser häufig die Nährstoffe aus und sie sterben ab. Der Auftrieb befördert neue Nährstoffe aus der Tiefe in die lichtdurchfluteten oberen Wasserschichten, die das Pflanzenwachstum unterstützen, was wiederum andere Meerestiere freut.

Dieses Prinzip funktioniert in den Ozeanen, es funktioniert aber auch im kleineren Maßstab in einem flachen Randmeer wie der Ostsee. Hier sind – im Gegensatz zu ozeanischen Auftriebsgebieten vor Afrika oder Südamerika – jedoch besondere Messtechniken notwendig, um die kleinräumigen und schnell ablaufenden Auftriebsprozesse exakt vermessen zu können. In der internationalen Fachzeitschrift „Biogeosciences“ stellen Ozeanographen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel jetzt die Ergebnisse einer Messkampagne in der Eckernförder Bucht vor, für die sie im Juli 2010 einen sogenannten „Gleiter“ eingesetzt haben. „Gleiter sind Messroboter, die ferngesteuert über Tage, Wochen bis hin zu Monaten Daten erheben und über Satellit an die Heimatinstitute senden“, erklärt Dr. Johannes Karstensen, Erstautor der Studie. Auch wenn die Gleitertechnik schon ein bewährtes Hilfsmittel der Kieler Forscher ist, stellte der Einsatz in der Eckernförder Bucht doch ein Novum dar: „Es war die erste Gleiter-Mission in der flachen Ostsee. Sonst arbeiten wir mit den Geräten im offenen Ozeane, wo sie zwischen der Wasseroberfläche und 1000 Meter Wassertiefe hin und her pendeln“, erklärt Dr. Karstensen.

Ziel der Kampagne war es, den Einfluss des Küstenauftriebs im Sommer auf die vertikale Verteilung von Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff, Chlorophyll und Trübung im Wasser zu untersuchen. Der Gleiter war so eingestellt das er alle 15 Minuten von der Oberfläche bis in etwa 20 Meter Tiefe und zurück zur Oberfläche fuhr. „Das Gerät musste sehr genau eingestellt werden, damit es nicht im schlammigen Ostseegrund stecken blieb“, erinnert sich der Kieler Ozeanograph. Als Messgebiet wählten die Forscher die Region vor Boknis Eck, wo Kieler Wissenschaftler schon seit über 50 Jahren jeden Monat Daten wie Temperatur, Nährstoffkonzentrationen, Algenblüten und Sauerstoffgehalt bestimmen.

Während der einwöchigen Kampagne wurden zwei von eher moderatem Wind angetriebene Auftriebsereignisse aufgezeichnet. Dabei kam es in nur wenigen Stunden zu einer starken Abkühlung des etwa 22°C warmen Oberflächenwassers auf unter 16°C. Innerhalb weniger Stunden nach Abflauen und Richtungsänderung des Windes war durch ein Rückströmen des Wassers die warme Oberflächenschicht wieder vorhanden. „Die Intensität und Schnelligkeit, mit der die Ereignisse stattfanden, war sehr überraschend für uns. Nur die hohe zeitliche und räumliche Auflösung der Daten erlaubte es uns, diese enormen Schwankungen genau zu analysieren“, sagt Karstensen.

Durch die Verbindung der Messungen im Wasser mit Windmessungen des GEOMAR am Kieler Leuchtturm war es möglich, die Stärke des Auftriebs in der Eckernförder Bucht bis ins Jahr 1982 zurück zu rekonstruieren. Diese Information konnte dann zur Interpretation der monatlich gewonnen Schiffsdaten bei der Messstation Boknis Eck genutzt werden.

Neben der wissenschaftlichen Relevanz der Kampagne konnten die Wissenschaftler so zeigen, dass Gleiter auch in der Ostsee als äußerst taugliche Beobachtungsplattformen eingesetzt werden können.

Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (idw)

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