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Wie Totengräber-Mütter signalisieren, dass Paarungsversuche während der Brutpflege zwecklos sind

Archivmeldung vom 23.03.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.03.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Ein Totengräber füttert seinen Nachwuchs mit vorverdautem Aas
Quelle: Foto: Heiko Bellmann / Uni Ulm (idw)
Ein Totengräber füttert seinen Nachwuchs mit vorverdautem Aas Quelle: Foto: Heiko Bellmann / Uni Ulm (idw)

Totengräber sind fürsorgliche Eltern. Sowohl das Weibchen als auch das Männchen der Käferart Nicrophorus vespilloides kümmern sich hingebungsvoll um die Brut. Bis die kleinen Käferlarven groß genug sind, um sich selbstständig durch den Wirbeltier-Kadaver zu fressen, den die Totengräber-Eltern für sie unter der Erde vergraben haben, werden sie von Mama und Papa „von Mund zu Mund“ mit vorverdautem Aas gefüttert. Und das ist für die Käfereltern ziemlich anstrengend. Biologen der Uni Ulm haben nun mit Fachkollegen der Uni Regensburg und aus Jena herausgefunden, wie die Totengräber-Weibchen ihren Partnern signalisieren, dass Paarungsversuche in dieser intensiven Brutpflegephase zwecklos sind.

Doktorandin Katharina Engel am Gaschromatograph
Quelle: Foto: Rosa Grass / Uni Ulm (idw)
Doktorandin Katharina Engel am Gaschromatograph Quelle: Foto: Rosa Grass / Uni Ulm (idw)

„Der Zeit- und Energieaufwand für die Brutpflege ist enorm. Für die Eltern macht es daher meist mehr Sinn, sich in dieser Zeit ausschließlich dem bedürftigen Nachwuchs zu widmen als neue Nachkommen zu zeugen“, erläutert PD Dr. Sandra Steiger, Wissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe von Professor Manfred Ayasse am Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der Universität Ulm. Die Biologin hat mit ihrer Doktorandin Katharina Engel nachgewiesen, dass diese biologische Grundregel auch für Insekten wie den Totengräber gilt. Die Forscher konnten dabei zum einen den zugrundeliegenden hormonellen „Verhütungsmechanismus“ aufdecken, der die Eiproduktion der Käfermutter unterbricht. Das Team fand zum anderen heraus, wie das Weibchen das Käfermännchen über ihre zeitweise Unfruchtbarkeit informiert und damit die Paarungsavancen des Partners während der Brutpflege unterbindet. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse im hochrangigen Fachjournal „Nature Communications“.

Die Biologinnen konnten in ihrer Studie zeigen, dass die Neuproduktion an Eiern bei der Totengräber-Mutter so lange aussetzt, wie die kleinen Käferlarven auf die elterliche Fütterung angewiesen sind. Waren die Nachkommen schon größer und so gut wie selbstständig, setzte die Eiproduktion wieder ein. Denselben Effekt beobachteten die Wissenschaftlerinnen, wenn die Mutter keinen Kontakt mehr hatte zu ihrem frisch geschlüpften Nachwuchs. „Verantwortlich dafür ist das sogenannte Juvenilhormon (JH), das in hohen Dosen die Reproduktionsfähigkeit der Käferweibchen hemmt“, erklärt Engel. Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin konnte zeigen, dass der Hormontiter für JH III nicht nur mit der Anzahl an Nachkommen steigt, sondern gerade dann am höchsten ist, wenn der Nachwuchs auf die Brutpflege der Eltern besonders angewiesen ist.

Und nun zum Vater: „Da auch das Käfermännchen an der Brutpflege beteiligt ist, sollte es sich in dieser anstrengenden Zeit nicht von Fortpflanzungsaktivitäten ablenken lassen“, meint Dr. Steiger, die als korrespondierende Autorin die Studie koordiniert hat. Und tatsächlich konnten die Forscherinnen beobachten, dass die Männchen in dieser Phase auf Paarungsversuche verzichten. Sobald das Weibchen jedoch wieder fruchtbar ist, gibt das Männchen seine sexuelle Abstinenz sogleich wieder auf, ganz so als wüsste es darüber Bescheid. Die Wissenschaftler haben hierfür eine plausible Erklärung.

Die mit der Brutpflege beschäftigte Mutter signalisiert dem Vater über ein flüchtiges Pheromon (Methylgeranat) ihre vorübergehend unterbrochene Eiablage. In der chemischen Ökologie spricht man bei einem solchen Stoff von einem Anti-Aphrodisiakum. „Wir haben uns den Biosyntheseweg dieses Pheromons genauer angesehen und konnten schließlich zeigen, dass dieser an den Syntheseweg für das Juvenilhormon gekoppelt ist“, so die Forscherinnen. Der Clou: Mit dem leicht flüchtigen Anti-Aphrodisiakum signalisiert das Totengräberweibchen ihrem Partner also ihren „unpässlichen“ Reproduktions- und Hormonzustand. Damit konnte das Forscherteam erstmals nachweisen, dass bestimmte chemische Signale zur Kommunikation direkt an hormonelle Prozesse gekoppelt und daher äußerst zuverlässig im Hinblick auf die „Botschaft“ sind.

„Um die abstinenzfördernde Wirkung des Pheromons zu testen, haben wir am Halsschild der Käfermännchen ein mit Methylgeranat getränktes Stück Gummi befestigt. Und tatsächlich verging dem Totengräbermännchen bei diesem Duft ganz schnell die Lust auf Sex“, erläutert Joachim Ruther. Der Professor für chemische Ökologie und sein Wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Johannes Stökl vom Institut für Zoologie der Uni Regensburg gehören ebenfalls zum Team. Dass die Weibchen das Anti-Aphrodisiakum gezielt gegen die Käferherren einsetzen, konnten die Wissenschaftler ebenfalls überzeugend darlegen: Fehlen die Väter und kooperieren die Weibchen bei der Brutpflege stattdessen mit anderen Müttern, verzichten sie auf die ‚abtörnenden‘ Duftbotschaften.

Für das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft unterstützte Forschungsprojekt, an dem auch das Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie in Jena beteiligt war, wurde eine Vielzahl von Methoden eingesetzt: von der klassischen Verhaltensbeobachtung über die chemische Analyse mittels Gaschromatographie (GC), Massenspektrometrie und Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) bis hin zur Genexpressionsanalyse. „Die Herausforderung bestand für uns darin, verhaltensökologische Fragestellungen mit Fragen der chemischen Ökologie und der Tierphysiologie zu verbinden. Denn grundsätzlich geht es uns darum herauszufinden, wie Tiere im Familienverband miteinander kommunizieren und wie sich beispielsweise chemische Kommunikationsmuster im Laufe der Evolution verändern beziehungsweise stabilisiert haben“, sagt PD Dr. Sandra Steiger.

Quelle: Universität Ulm (idw)

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