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Ein Fluss fließt – und was, wenn nicht?

Archivmeldung vom 07.03.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.03.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Trockengefallener Abschnitt im Unterlauf des Demnitzer Mühlenfließes bei Fürstenwalde (Brandenburg).
Quelle: Foto: Jörg Gelbrecht (idw)
Trockengefallener Abschnitt im Unterlauf des Demnitzer Mühlenfließes bei Fürstenwalde (Brandenburg). Quelle: Foto: Jörg Gelbrecht (idw)

Temporäre Fließgewässer – also Bäche und Flüsse, die nur zeitweise Wasser führen – machen einer Untersuchung von Wissenschaftlern unter Beteiligung des Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Freien Universität Berlin (FU) mehr als die Hälfte des globalen Flussnetzwerkes aus. In den politischen Managementstrategien der meisten Länder finden sie dennoch keine Berücksichtigung.

Die wichtigsten wissenschaftlichen Informationen zur Bedeutung dieser Ökosysteme haben internationale Wissenschaftler, darunter Klement Tockner vom IGB und von der FU, nun in den aktuellen Ausgaben der Zeitschriften Science und BioScience veröffentlicht. Denn, auch wenn es ungewöhnlich klingt, natürlich trockenfallende Gewässer sind Zentren der biologischen Vielfalt und übernehmen für den Menschen wichtige Funktionen.

Unterhalb des 60. Breitengrades führen sogar 70 Prozent aller Flüsse nur zwischenzeitlich Wasser. Für die lokale Bevölkerung sind diese temporären Gewässer von hoher Bedeutung: Sie dienen dem Fischfang, der Bewässerung von Feldern und speisen das Grundwasser. Durch Übernutzung fallen jedoch mehr und mehr Flüsse zeitweise trocken, darunter so bekannte Ströme wie der Nil, der Rio Grande und der Colorado River. Aber auch in Deutschland trocknen den Erkenntnissen zufolge bisher permanent wasserführende Gewässer vermehrt aus, besonders in den östlichen Bundesländern, wo kleine Änderungen im Niederschlag oder im Grundwasserstand massive Auswirkungen auf den Oberflächenabfluss haben können. Begünstigt wird das Trockenfallen durch Entwässerungen und Begradigungen.

Fehlendes oder schlechtes Management beeinträchtigt nicht nur die temporären Gewässer selbst, sondern kann sich schwerwiegend und irreversible auf die Wasserquantität und -qualität von Seen, Trinkwasserspeichern und Meeresküsten auswirken. So können die hohen Mengen an Nährstoffen und organischem Material während Starkregenereignissen zu massiven Fischsterben in flussabwärts gelegenen Gewässern führen.

Unterschiedliche Länder – unterschiedliche Ansätze

Die Debatte, wie diese Gewässer in der Umweltpolitik zu behandeln sind, wird in vielen Ländern geführt – gerade auch angesichts des Klimawandels, der die Wasserverfügbarkeit stark verändern wird. In der Europäischen Union werden temporäre Gewässer je nach „Typologie“ als Gewässer anerkannt, oder eben auch nicht. Die Definition wird von den Gesetzgebungen der EU-Staaten unterschiedlich ausgelegt. In Australien jedoch, wo ein Großteil der Flüsse nur zeitweise Wasser führt, werden diese bereits als Gewässer klassifiziert und daher auch bei Managementmaßnahmen berücksichtigt. In den USA steht derzeit ein geplantes Gesetz des dortigen Umweltbundesamtes (US-EPA) zum Schutz von temporären Gewässern in Diskussion. Es geht um die grundlegende Frage, ob ein umfassender Schutz dieser Ökosysteme zu kostspielig wäre, oder ob temporäre Gewässer als ökologisch besonders wertvoll und zugleich gefährdet einzustufen seien. Mit den vorliegenden Arbeiten werden grundlegende Informationen bereitgestellt, um eine solche Entscheidung von hoher politischer Bedeutung zu unterstützen.

Ein junges Forschungsgebiet mit neuen Perspektiven

Die Ökologie von temporären Flüssen ist noch ein relativ junges Forschungsgebiet. Neue Sensoren und Messmethoden ermöglichen Wissenschaftlern genauere Aussagen zu deren Ausbreitung und Funktion. Die biologische Vielfalt dieser Lebensräume wurde bislang jedoch vernachlässigt. Dabei zeigt sich, dass natürlicherweise trockenfallende Gewässer eine einzigartige terrestrische Fauna beherbergen und die Artenvielfalt oft deutlich höher als entlang stabiler Abschnitte ist.

Hingegen sind Gewässer die durch menschlichen Einfluss austrocknen, zumeist artenarm, da diese zugleich durch andere Stressoren wie Verschmutzung und Verlust an Lebensräumen belastet sind.

„Temporäre Gewässer sind weltweit verbreitet und Teil unserer natürlichen Umwelt. Daher müssen sie bei Managementmaßnahmen entsprechend berücksichtigt und über Ländergrenzen hinweg einheitliche Regelungen gefunden werden. Wir können nicht die Hälfte aller Fließgewässer ignorieren und dabei riskieren, wichtige Lebensräume für Mensch und Natur zu verlieren. Die Folgekosten können langfristig weitaus höher ausfallen als für den Schutz dieser Gewässer benötigt werden“, betont Klement Tockner.

Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V. (idw)

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