Dünger bringt global das Gleichgewicht von Wiesen und Weiden ins Wanken
Archivmeldung vom 17.02.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDüngemittel steigern zwar kurzzeitig den Ertrag, schwächen aber langfristig den stabilisierenden Effekt der Artenvielfalt auf Ökosysteme. Das zeigt eine internationale Studie unter der Leitung eines Ökologen des Instituts für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich. Erstmals wurden dazu umfassende Daten von natürlichen Standorten auf allen fünf Kontinenten erhoben.
Dünger hat einen negativen Einfluss auf die Ökosysteme von Wiesen und Weiden der Erde. Er destabilisiert diese, absichtlich eingebracht oder unabsichtlich als Nebenprodukt aus Industrie und Landwirtschaft, global. Das zeigt ein internationales Forschungsteam um Yann Hautier vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich mit Daten aus einem einzigartigen weltweiten Netzwerk von Forschungsstandorten, dem so genannten «Nutrient Network». Die Studie ist das erste Experiment in dieser Grössenordnung, das natürliche Ökosysteme auf allen fünf Kontinenten einbezieht. Bisherige Experimente wurden hauptsächlich in künstlichen Systemen im Gewächshaus oder Versuchsgarten durchgeführt.
«Unsere Resultate sind den Ergebnissen aus Studien in künstlichen Systemen ähnlich. Das weist daraufhin, dass sich anhand künstlicher Systeme die Entwicklung von natürlichen Wiesen und Weiden prognostizieren lässt», erläutert Studienleiter Yann Hautier, derzeit Marie Curie Fellow an der University of Minnesota. Die Studie, an der aus der Schweiz auch Anita Risch und Martin Schütz von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL beteiligt sind, ist nun im Wissenschaftsjournal «Nature» publiziert.
Eintrag von Stickstoff synchronisiert das Pflanzenwachstum
Die Forschenden fanden heraus, dass artenreiche Ökosysteme viel weniger stark auf sich verändernde Umweltbedingungen reagieren als artenarme – und damit langfristig stabiler bleiben. Verantwortlich dafür ist das sogenannte asynchrone Wachstum der Pflanzen: Wächst unter gewissen Bedingungen eine Art weniger gut, kompensiert eine andere Art den Verlust mit besserem Wachstum. Das ist vergleichbar mit dem «Portfolio-Effekt», wie er aus der Wirtschaft bekannt ist: Verteilt man seine Investitionen auf mehrere Anlagen, wird die Reaktion auf die Bewegungen in der Gesamtwirtschaft ausgeglichener erfolgen, als wenn man nur auf wenige Anlagen setzt.
Gleichzeitig zeigt die Studie, dass sich die Vielfalt und Stabilität in Wiesen und Weiden verringert, wenn Dünger zugegeben wird. Düngemittel werden absichtlich eingesetzt, um die Produktivität von Nahrungs- und Futtermitteln zu erhöhen. Sie gelangen aber auch unabsichtlich in den Stoffkreislauf, da Stickstoff durch die Landwirtschaft, Industrie und die Verbrennung von fossilen Brennstoffen in die Atmosphäre gelangt und über die Niederschläge auf Wiesen und Weiden fällt. Dort verändern sich dadurch das Wachstum und die Vielfalt der Pflanzenarten: Je mehr Nährstoffe in das System gelangen, desto stärker geht der stabilisierende Effekt der Artenvielfalt verloren und das Ökosystem kann aus dem Gleichgewicht geraten.
Der Grund dafür ist gemäss Autorenschaft der Verlust des «Portfolio-Effekts», da durch den Nährstoff-Eintrag weniger Arten wachsen und diese gleich, also synchron, auf Umweltveränderungen reagieren. Die Studie zeigt die Effekte von Diversität und Düngung auf die Stabilität von Ökosystemen auf: «Man sollte nicht nur berücksichtigen, wie produktiv Ökosysteme im Moment sind, sondern auch wie stabil sie langfristig sein werden. Die biologische Vielfalt ist dabei entscheidend, wenn die Stabilität von Ökosystemen langfristig erhalten werden soll», erklärt Martin Schütz von der WSL.
Quelle: Universität Zürich (idw)
Düngung destabilisiert Grasland-Ökosysteme: Weltweite Studie in „Nature“ publiziert
Die Düngung von natürlichem Grasland – ob absichtlich oder durch Einträge von Landwirtschaft oder Industrie – hat weltweit eine destabilisierende Wirkung auf Grasland-Ökosysteme. Das belegt eine Studie, die das Wissenschaftsmagazin „Nature“ jetzt veröffentlicht hat. Unter Federführung der University of Minnesota (USA) haben 31 WissenschaftlerInnen aus der ganzen Welt erstmals eine derart breit angelegte Untersuchung durchgeführt. Der Oldenburger Biologe und Direktor des Instituts für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM), Prof. Dr. Helmut Hillebrand, ist einer von ihnen.
Er hat an „NutNet“ mitgewirkt, einem globalen Netzwerk zur Erforschung von Naturwiesen. “Dieses Kollektiv ist weltweit einzigartig, denn die Stärke liegt in der globalen Betrachtung, die wir mit Hilfe gleicher experimenteller Ansätze und Analysen erreichen“, so Hillebrand, und er fügt hinzu: „Es macht einfach Freude, mit dieser internationalen Gruppe zu arbeiten und zu diskutieren.“
Die WissenschaftlerInnen konnten zeigen, dass Pflanzenvielfalt mittelfristig dafür sorgt, dass natürliche Ökosysteme stabilisiert werden. Der Grund: Das Wachstum der Pflanzen verläuft nicht synchron. „Dies wird auch als Portfolio-Effekt bezeichnet“, erläutert Projektleiter Dr. Eric Seabloom von der University of Minnesota. Vergleichbar sei dies mit einem breit gestreuten Geldanlage-Portfolio, das die Stabilität der Renditen begünstigt.
Die ForscherInnen untersuchten Pflanzen an Standorten weltweit, bestimmten die Anzahl der Arten und die Menge der Biomasse, die in einem bestimmten Zeitraum gewachsen ist. Diese Informationen nutzen sie, um die Artenvielfalt und Ökosystemstabilität zu quantifizieren. Yann Hautier, der die Analysen zu Stabilität ferderführend durchführte, stellt fest: „Es ist wirklich erstaunlich, wie unmittelbar der Zusammenhang zwischen Diversität – also Artenvielfalt – und Stabilität ist.“ Die Ergebnisse zeigten, dass nicht nur die Produktivität der Ökosysteme, sondern auch die Stabilität von der biologischen Vielfalt abhänge.
„Diese Vielfalt und Stabilität der Ökosysteme wird durch Einsatz von Dünger eingeschränkt“, erklärt Hillebrand. Düngemittel werden im Grünland verwendet, um den Ertrag an Viehfutter zu erhöhen. Aber Dünger kommt an vielen Orten der Welt aber auch ungewollt vor, weil durch Landwirtschaft, Industrie und die Verbrennung fossiler Brennstoffe Stickstoff freigesetzt wird. Durch Niederschläge gelangt der Stickstoff auf das Grasland und beeinflusst das Wachstum und die Artenvielfalt. „In der Konsequenz geht die stabilisierende Wirkung der Artenvielfalt verloren und macht den Portfolio-Effekt zunichte“, so Hillebrand.
Die Studie wurde durch mehr als 100 ehrenamtlich arbeitende WissenschaftlerInnen des Nutrient-Netzwerks möglich, die drei Jahre lang an 41 Standorten auf fünf Kontinenten Daten erhoben haben. „Aufgrund dieser idealen Ausgangssituation können wir davon ausgehen, dass unsere Untersuchungsergebnisse eine allgemeingültige Tendenz repräsentieren“, erklärt Hillebrand. Das Nutrient-Netzwerk will für mindestens weitere zehn Jahre Informationen über langfristige Trends zur Pflanzenartendiversität und Ökosystemstabilität, zu Artensterben, Arteninvasionen und anderen wichtigen Änderungen im Grasland sammeln.
Quelle: Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg