Vattenfall kämpft für Schwachstellen-Reaktor Brunsbüttel - Gabriel schweigt
Archivmeldung vom 22.06.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAKW-Betreiber Vattenfall will nun Stromkontingent aus dem AKW Krümmel auf Brunsbüttel übertragen - Deutsche Umwelthilfe fragt, warum Bundesumweltminister Gabriel über den Antrag vom 22. Mai bis heute geschwiegen hat - Brunsbüttel-Mängellliste bleibt "Staatsgeheimnis", weil Vattenfall eine Wertminderung des Altmeilers fürchtet.
Nach dem erneuten Anlauf des Brunsbüttel-Betreibers Vattenfall,
sein über 30 Jahre altes Atomkraftwerk Brunsbüttel mit Strommengen -
diesmal aus dem Atomkraftwerk Krümmel - über den Bundestagswahltermin
2009 zu retten, fordert die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) das
Unternehmen auf, endlich die Schwachstellen des Siedewasserreaktors
an der Elbe zu offenbaren. Merkwürdig sei, dass der Antrag, der nach
Presseberichten schon am 22. Mai eingereicht wurde, der
Öffentlichkeit bis heute nicht bekannt war.
"Es ist ärgerlich, dass Vattenfall erneut gegen den Geist des
Atomgesetzes versucht, Strommengen von einem neueren auf ein älteres
Atomkraftwerk zu übertragen. Unerträglich macht diesen Vorgang die
Tatsache, dass das Unternehmen sich gleichzeitig mit abenteuerlichen
juristischen Winkelzügen gegen die Veröffentlichung einer
Schwachstellenliste über das Atomkraftwerk Brunsbüttel mit mehreren
hundert offenen Fragen wehrt", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer
Rainer Baake zu dem heute bekannt gewordenen Antrag vom 22. Mai.
Fragen richteten sich jedoch auch an Bundesumweltminister Sigmar
Gabriel, der es offenbar einen Monat lang nicht für nötig gehalten
habe, die Öffentlichkeit über den neuerlichen Schachzug des
Vattenfall-Konzerns zu unterrichten. Baake: "Das Vertrauen in die
bisher konsequente Haltung des Bundesumweltministers in der
Auseinandersetzung um Laufzeitverlängerungen alter Atomkraftwerke
leidet, wenn er diese hoch brisante Angelegenheit der Beobachtung
durch die Öffentlichkeit entzieht. Er öffnet so Spekulationen aller
Art Tor und Tür."
Die Schwachstellenliste ist das (Zwischen-)Ergebnis einer im
Atomgesetz vorgeschriebenen umfangreichen Sicherheitsüberprüfung
("periodische Sicherheitsüberprüfung"), die im Fall Brunsbüttel am
30. Juni 2001, also vor fast genau sechs (!) Jahren abgeschlossen
worden war. Seither wurde sie nicht abgearbeitet, sondern zwischen
den Gutachtern des schleswig-holsteinischen Sozialministeriums (als
zuständiger Atomaufsichtsbehörde) hin- und hergeschoben. Die Die DUH
bemüht sich seit Ende August letzten Jahres auf Basis der
EU-Umweltinformationsrichtlinie vergeblich um die Herausgabe der
Liste.
Die Kieler Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) stimmte im
November 2006 zwar zunächst der beantragten Einsichtnahme in die
Liste grundsätzlich zu, wies jedoch anschließend den Antrag der
Umweltschützer auf sofortige Vollziehung dieser Entscheidung zurück.
Seither hat die DUH vergeblich versucht, die sofortige Herausgabe der
Mängelliste vor den Gerichten zu erzwingen. Gleichzeitig klagt
Vattenfall als Betreiber des AKW Brunsbüttel unter Hinweis auf
angebliche Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gegen die Herausgabe
der Liste. Für Aufsehen sorgte vor allem die Begründung des Konzerns
für die Geheimhaltung der fast 1000 Seiten starken Mängelliste. Sie
erlaube eine Bewertung des aktuellen Anlagenzustandes und lasse so
Rückschlüsse auf Nachrüstungserfordernisse, fehlende
Sicherheitsnachweise und damit den Wert der Anlage zu. Vattenfall
würde deshalb bei einem möglichen Verkauf ein wirtschaftlicher
Schaden entstehen, da ein potenzieller Käufer durch die
Veröffentlichung der Liste (etwa durch die DUH) den mangelhaften
Zustand des Reaktors erkennen könne. Zitat: "Die Mängelliste kann den
Kaufpreis des Kernkraftwerkes im Falle einer Veräußerung direkt
beeinflussen".
Baake forderte Vattenfall auf, seine Interessen mit offenem Visier
zu verfolgen. "Mit jedem Tag der Geheimhaltung verstärkt Vattenfall
den Verdacht, dass in der Liste schwere Mängel aufgeführt sind. Es
ist ein zynisches Spiel mit der Sicherheit der Bevölkerung in
Schleswig-Holstein und weit darüber hinaus."
Derzeit läuft in Brüssel ein Beschwerdeverfahren, mit dem sich die
DUH wegen der Nicht-Herausgabe der Liste an EU-Umweltkommissar
Stavros Dimas gewendet hat.
Quelle: Pressemitteilung DUH