NABU präsentiert Ergebnisse des VI. Internationalen Weißstorchzensus
Archivmeldung vom 14.08.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Naturschutzbund NABU hat heute im Rahmen des Internationalen Ornithologen Kongresses die Ergebnisse des VI. Internationalen Weißstorchzensus 2004/2005 aus 26 Ländern vorgestellt, darunter u.a. Polen, Spanien, Weißrussland und die Ukraine mit den größten Weißstorchvorkommen.
Im Vergleich zu der
Zählung 1994/95 haben weltweit die Störche von 166.000 Paaren um 37%
auf 230.000 Paare zugenommen. Für Hamburg zieht der NABU eine
positive Bilanz der diesjährigen Brutsaison: 13 Storchenpaare zogen
insgesamt 29 Junge groß. Rüdiger Wolff, Schirmherr über den
NABU-Storchenschutz in Hamburg: "Dieser große Erfolg ist der
unermüdlichen Arbeit des NABU und der ehrenamtlichen Helfer zu
verdanken."
"Die Weißstorchbestände nahmen nicht überall in gleicher Weise
zu", sagte Kai-Michael Thomsen vom Michael-Otto-Institut im NABU in
Bergenhusen. "Besonders stark ist der Zuwachs der so genannten
Westpopulation des Weißstorchs, die über Spanien nach Westafrika ins
Winterquartier zieht." Diese Population nahm um fast 90% innerhalb
der letzten 10 Jahre zu. Gründe hierfür seien günstige
Nahrungsressourcen auf Reisfeldern und Mülldeponien, gute
Überwinterungsbedingungen im westafrikanischen Sahel und die
Entstehung einer Überwinterungstradition von mehreren 10.000 Störchen
in Spanien.
Die ostziehende Population Mittel- und Osteuropas stieg um 26% an.
Auch dabei sind regional unterschiedliche Entwicklungen auszumachen.
Beispielweise veränderte sich die Zahl der Störche in Tschechien und
Lettland kaum, während in Weißrussland und der Ukraine Zunahmen von
über 70% festgestellt wurden. Thomsen: "Insgesamt stieg die Zahl der
Störche in Osteuropa erheblich stärker an als im westlichen
Mitteleuropa. In Europa nahm lediglich in Dänemark der
Weißstorchbestand von sechs auf drei Paare ab."
Sorge bereitet dem NABU allerdings die Bestandsentwicklung in
Usbekistan, wo die seltene Unterart Turkestanstorch ihre
Hauptverbreitung hat. Hier halbierte sich der Brutbestand von 1.450
auf 745 Paare. Ein Grund dafür sei die Wahl ihrer Nistplätze vor
allem auf den Masten von Stromleitungen. "Da dies zu Komplikationen
der Stromversorgung führen kann, werden die Nester von den
Stromversorgungsunternehmen zerstört", erläutert Thomsen. "Dies
könnte aber durch den Bau von geeigneten Nisthilfen verhindert
werden."
Die meisten Störche brüten in Polen (52.500 Paare) gefolgt von
Spanien (33.217 Paare). In der Ukraine brüten ca. 30.000 Paare und in
Weißrussland 20.342 Paare. In Deutschland waren es 2005 immerhin
4.087 Paare. Dr. Christoph Kaatz, Sprecher der
NABU-Bundesarbeitsgruppe "Weißstorchschutz": "Bundesweit hat sich der
Storchenbestand stabilisiert. Allerdings sind die Reproduktionsraten
in vielen Gebieten rückläufig."
Jürgen Pelch, Referent für Storchenschutz des NABU Hamburg, ist
mit der diesjährigen Brutsaison in der Hansestadt zufrieden: "Wir
haben zwar noch nicht das Superstorchenjahr 2004 mit 36 Jungstörchen
erreicht. Aber im Vergleich zum Vorjahr gibt es in Hamburg 2006 mehr
als doppelt so viele Jungstörche." Die größte Bedrohung sei die
zunehmende Bebauung in den Vier- und Marschlanden, dem angestammten
Brutgebiet. Dadurch gingen wichtige Wiesen verloren, auf denen die
Störche nach Nahrung suchen können. "Geht dieser Trend weiter, kann
es in den nächsten Jahren für die Hamburger Störche eng werden", so
Pelch.
Weitere Informationen zum Weißstorchzensus gibt es unter
http://bergenhusen.nabu.de und zum Storchenschutz in Hamburg unter
www.NABU-Hamburg.de.
Hintergrund Weißstorchzensus
Der Internationale Weißstorchzensus hat das Ziel, den weltweiten
Bestand dieses Großvogels zu erfassen. Seit 1934 haben insgesamt
sechs internationale Weißstorcherfassungen stattgefunden. Seit 1974
finden sie im 10-jährigen Rhythmus statt. Insgesamt 39 Länder aus
Europa, Nordafrika und Vorder- und Zentralasien beteiligten sich am
VI. Internationalen Weißstorchzensus. Der Zensus ist ein gemeinsames
Projekt vom NABU und seiner Dachorganisation BirdLife International.
Die Zählungen in den einzelnen Teilnehmerländern haben die nationalen
BirdLife-Partner organisiert. Der Zensus wurde technisch und
finanziell durch den RSPB, BirdLife UK, unterstützt. Weitere
Unterstützung gab es durch Organisationen, wie z.B. die Stiftung
CICONIA aus Liechtenstein. Die Gesamtkoordination des internationalen
Zensus erfolgte durch das Michael-Otto-Institut im NABU in
Bergenhusen. Für Deutschland organisierte die
NABU-Bundesarbeitsgruppe "Weißstorchschutz" aus den Zensus, die auch
die jährliche Bestandserfassung koordiniert.
"2004 wurden 10 neue Länder in die EU aufgenommen, in denen ca.
43% der Weltpopulation des Weißstorchs brüten", erklärt Kai-Michael
Thomsen vom Michael-Otto-Institut "Die spannende Frage ist, wie sich
dort die Storchenbestände entwickeln werden, wenn in Polen und den
anderen Beitrittsländern die Agrar- und Strukturpolitik der EU
greift." Der VI. Internationale Weißstorchzensus fand am Startpunkt
dieser Entwicklungen statt. "Der Weißstorch dient dabei als eine Art
Indikator für seinen Lebensraum wie Feuchtwiesen, Flussauen und
intakte Kulturlandschaften", so der NABU-Vertreter. Der NABU
befürchtet, dass die Agrar- und Strukturpolitik der EU die
Lebensräume des Weißstorchs zerstören wird.
Quelle: Pressemitteilung NABU