Wachsen oder schrumpfen die Alpen?
Archivmeldung vom 31.10.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Alpen wachsen genau so schnell in die Höhe, wie sie schrumpfen. Dieses paradoxe Resultat konnte eine Gruppe deutscher und schweizer Geowissenschaftler nachweisen. Durch Gletscher und Flüsse wird etwa genau so viel Material von den Alpenhängen abgetragen wie aus der tiefen Erdkruste nachwächst. Die Klimazyklen der Kaltzeit in Europa seit 2,5 Millionen Jahren haben diese Erosion beschleunigt.
In der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Tectonophysics" (Nr.474, S.236-249) weisen die Wissenschaftler nach, dass die heutige Hebung der Alpen durch die starken Klimavariationen angetrieben wird.
Die Entstehung der Alpen durch die Kollision der beiden Kontinente
Afrika und Europa begann vor etwa 55 Millionen Jahren. Dies führte zur
Auffaltung des höchsten europäischen Gebirges, das seine große Höhe
wahrscheinlich schon vor einigen Jahrmillionen erreichte. Derzeit
wachsen aber die Schweizer Alpen durch diesen tektonischen Prozess
nicht mehr.
Schweizer Geodäten, die schon seit Jahrzehnten die Alpen mit
allerhöchster Genauigkeit vermessen, haben festgestellt, dass
Alpengipfel dennoch im Vergleich zum Flachland mit bis zu einem
Millimeter pro Jahr aufsteigen. Über Jahrmillionen müsste sich eine
beträchtliche Höhe ergeben. Doch warum sind dann die Alpen dann nicht
so hoch wie das Himalaya? Forscher des Deutschen GeoForschungsZentrums
GFZ konnten messen, dass die Berge mit fast genau der gleichen
Geschwindigkeit gleichzeitig wieder abgetragen werden.
"Diese Erosion der Berge ist nicht einmal mit den hochpräzisen Methoden
der modernen Erdvermessung zu erfassen," erläutert Prof. Friedhelm v.
Blanckenburg vom GFZ das Problem. "Wir benutzen das seltene Isotop
Beryllium-10, das in der Landoberfläche durch kosmische Strahlung
entsteht. Je schneller eine Oberfläche abgetragen wird, umso weniger
Isotope dieser Art sind darin vorhanden." Dazu haben von Blanckenburg
und GFZ-Wissenschaftlerin Dr. Hella Wittmann dieses "kosmogene" Isotop
im Sand schweizer Alpenflüsse und damit in den unmittelbaren Produkten
der Erosion analysiert.
Wie kommt es nun, dass die Alpen genauso schnell abgetragen werden wie
sie hochsteigen? "Hier sind reine Auftriebskräfte am Werk. Es ist wie
bei einem Eisberg im Meer. Schmilzt die Spitze, steigt der Eisberg im
fast denselben Betrag aus dem Wasser," erklärt von Blanckenburg. So ist
die paradoxe Situation der Alpen, dass sie durch Wind, Wasser,
Gletscher und Bergstürze ständig von oben fein gemahlen und abgetragen
werden, aber von unten, aus dem Erdmantel, ständig nachwachsen. Dieses
Phänomen, wenn auch längst theoretisch postuliert, wurde für ein
gesamtes Gebirge nun jetzt erstmals nachgewiesen.
So bewegen sich die Alpen stetig nach oben, obwohl sie im
plattentektonischen Sinne fast für "tot" erklärt werden können.
Anstelle der Plattenkräfte sind es die starken Klimavariationen seit
dem Anfang der sog. quartären Kaltzeit vor ungefähr 2.5 Millionen
Jahren, auf die gerade die Berghänge so besonders empfindlich durch
Erosion reagieren. Das hält die Alpen in Bewegung.
Quelle: Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ