Mondzyklus bestimmt Jagdverhalten von nachtaktiven Möwen
Archivmeldung vom 19.03.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.03.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtZooplankton, kleinere Fische und Kalmare halten sich bei Vollmond kaum an der Meeresoberfläche auf. Um sich vor Fressfeinden zu schützen, verstecken sie sich in helleren Nächten nämlich in tieferen Wasserschichten, während sie bei Neumond im Schutz der Dunkelheit an die Oberfläche steigen.
Wissenschaftlern am Max-Planck Institut für Ornithologie in Radolfzell zufolge beeinflusst dies auch das Verhalten von Gabelschwanzmöwen (Creagrus furcatus) einer einzigartigen nachtaktiven Möwenart aus Galapagos. Sie rüsteten die Vögel mit Fahrtenschreibern und Feuchtigkeitssensoren aus, anhand derer sie feststellten, wie viel Zeit die Tiere nachts auf dem Meer verbrachten. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Aktivität der Vögel bei Neumond am stärksten war, also genau dann, wenn sich die meiste Beute an der Wasseroberfläche befand. Der Mondzyklus beeinflusst demnach auch das Verhalten von Seevögeln.
Der Mondzyklus steuert das Verhalten verschiedener Tierarten: Eulen, Schwalben und Fledermäuse, beispielsweise, richten ihre Aktivität nach der Mondphase aus, um ihren Jagderfolg zu maximieren. Doch auch die Lebewesen des Meeres werden vom Mond beeinflusst. Viele Fischarten verstecken sich beispielsweise tagsüber vor Feinden in der Tiefe und wandern erst in der Dunkelheit zur Wasseroberfläche. Diese sogenannte Vertikalmigration wird zusätzlich vom Mondzyklus beeinflusst. So vermeiden die Fische, dass sie an der Wasseroberfläche bei Vollmond wie auf einem Präsentierteller schwimmen. In helleren Nächten ist die Vertikalmigration deswegen eingeschränkt und die Tiere bleiben in tieferen Bereichen. Bei Neumond dagegen werden die Organismen aktiv und wandern an die Oberfläche.
Doch auch in der Dunkelheit der Nacht warten Jäger auf sie, beispielsweise die Gabelschwanzmöwe Creagrus furcatus von den Galapagos-Inseln. Mit ihren an Dunkelheit gut angepassten Augen sieht sie selbst bei schwachen Lichtverhältnissen noch Fische unter der Wasseroberfläche und braucht den Mond deshalb nicht als Lichtquelle. Wissenschaftler des Max-Planck Instituts für Ornithologie wollten deshalb herausfinden, welche Auswirkung der Mondzyklus auf das Jagdverhalten der Möwen hat.
Sie versahen dafür 37 Tiere mit Sensor-bestückten Fahrtenschreibern, mit denen die Forscher messen konnten, wo, wann und wie lange die Vögel im Wasser waren. „Die Möwen fliegen auf der Jagd über das offene Meer und lassen sich kurz auf die Wasseroberfläche fallen, um Tintenfische oder kleine Fische zu schnappen“, erläutert Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut in Radolfzell. „Aus der Kontaktzeit der Sensoren mit dem Wasser konnten wir deshalb schließen, in welchen Nächten des Monats die Möwen besonders aktiv waren.“ Durchschnittlich 120 Tage lang wurde das Verhalten jedes Vogels aufgezeichnet, um so mehrere Mondphasen zu erfassen.
Die Vögel hielten sich streng an die Mondzyklen: Bei Neumond waren die Möwen besonders oft im Wasser. War es nachts sehr hell, blieben die Vögel dagegen eher im Trockenen. „Für die Gabelschwanzmöwen ist es sinnvoll, sich bei der Jagd am Mondzyklus zu orientieren, denn mit einer Tauchtiefe von nur maximal einem Meter ist in Vollmondnächten die Beute schnell außerhalb ihrer Reichweite“, sagt Wikelski.
Gabelschwanzmöwen haben für die nächtliche Jagd im Laufe der Evolution lichtempfindliche Augen entwickelt, die besonders an die dunklen Nächte über dem Meer angepasst sind. Außerdem haben sie ihren Melatonin-Rhythmus verloren – einen wichtigen Taktgeber zur Schlafsteuerung. So können die Gabelschwanzmöwen eine einzigartige, neue ökologische Nische besetzen.
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. (idw)