Mikroplastik im Meer: Biologen untersuchen Effekte auf Meerestiere
Archivmeldung vom 18.12.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtMeeresasseln scheiden gefressene Mikroplastik-Partikel unverdaut wieder aus. Das ergab eine Studie von Biologen des Nordseebüros am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), die kürzlich in der Fachzeitschrift „Environmental Science and Technology“ erschienen ist. Die Studie bildet den Auftakt einer Reihe von Untersuchungen, um eine Gefährdungsmatrix zur Sensibilität verschiedenartiger Meereslebewesen gegenüber Mikroplastik-Verschmutzung zu erstellen.
Fressen manche Vögel oder Fische große Plastikteile, so kann das durch Verstopfungen des Magen-Darm Traktes letztlich dazu führen, dass die Tiere verhungern. „Wir haben uns gefragt, ob kleine Plastikteilchen einen vergleichbaren Effekt auf kleinere Tiere haben“, sagt Dr. Lars Gutow vom AWI-Nordseebüro. „Die Effekte von Mikroplastik auf die Lebewelt sind weitgehend unerforscht, so dass es eine große Unsicherheit gibt, welche Schäden entstehen können“, erläutert der Biologe die Motivation für die Studie.
Lars Gutow und seine Kollegen haben die Meeresassel Idotea emarginata als Modellorganismus für eine erste Fallstudie ausgewählt. In Fütterungsexperimenten boten die Forscher den Asseln künstliches Algenfutter an, das mit Kunststoffpartikeln angereichert war. Das Futter enthielt drei verschiedene Sorten von Mikroplastik in unterschiedlichen Konzentrationen. Dabei wurden industriell hergestellte Partikel aus Polystyrol mit einem Durchmesser von zehn Mikrometern sowie selbst hergestellte Fragmente und Fasern aus Polyethylen bzw. Polyacryl verwendet.
Unter dem Lichtmikroskop, mithilfe eines Fluoreszenzmikroskops und unter dem Elektronenmikroskop haben die Forscher die verschiedenen Gewebe untersucht. So konnten sie den Weg der Mikroplastik-Partikel durch die Asseln nachvollziehen und die Konzentrationen der Partikel in den Organen bestimmen. Ihr Ergebnis: Die Konzentration von Mikroplastik im Futter war ebenso hoch wie in den Ausscheidungen der Asseln. Sowohl im Magen als auch im Darm der Tiere fanden sie geringe Mengen Mikroplastik. In den Verdauungsdrüsen der Asseln konnten sie keine Mikropartikel nachweisen. „Die Meeresasseln haben das künstliche Futter mit den Mikroplastik-Partikeln gefressen und wieder ausgeschieden, ohne die Partikel zu resorbieren beziehungsweise zu akkumulieren,“ fasst Gutow die Ergebnisse zusammen. Die Plastik-Partikel in der untersuchten Größenordnung stellen demnach keine unmittelbare mechanische Gefahr für Meeresasseln und wahrscheinlich auch nicht für andere Krebsarten dar. „Bei Idotea emarginata geraten die von uns untersuchten Mikroplastik-Partikel nicht in die Verdauungsdrüse. In diesem sensiblen Organ findet bei Krebstieren hauptsächlich die Aufnahme von Nährstoffen statt“, so der Biologe vom AWI-Nordseebüro.
In einem länger angelegten Experiment fanden die Wissenschaftler zusätzlich heraus, dass die Asseln auch nach sechs bis sieben Wochen keine Langzeiteffekte zeigten. Fitnessparameter wie Überlebensrate oder Wachstum unterschieden sich nicht zwischen Tieren, die mit beziehungsweise ohne Mikroplastik in der Nahrung gefüttert wurden.
In einer früheren Studie hatte jedoch die AWI-Biologin Prof. Dr. Angela Köhler nachgewiesen, dass Miesmuscheln Mikroplastik-Partikel aufnehmen, resorbieren und Entzündungsreaktionen zeigen, wenn sie im Experiment hohen Partikelkonzentrationen ausgesetzt sind. Das zeigt eindeutig, dass die verschiedenen Tierarten ganz unterschiedlich auf Mikroplastik reagieren. „Anders als die filtrierenden Muscheln nehmen Meeresasseln der Gattung Idotea wahrscheinlich in ihrem natürlichen Lebensraum viel häufiger unverdauliche Partikel mit der Nahrung auf und sind entsprechend daran angepasst,“ erläutert Gutow.
Aber nicht nur der Ernährungstyp interessiert die Biologen bei ihren langfristigen Betrachtungen: „Wir wollen systematisch untersuchen, wie Lebensweise, Lebensraum, Physiologie und Anatomie von verschiedenen Meeresbewohnern die Aufnahme und Verwertung von Mikroplastik-Partikeln beeinflussen, um darauf aufbauend eine Gefährdungsmatrix für verschiedenste Organismentypen zu erstellen,“ sagt Lars Gutow. „Außerdem ist es wichtig, neben den von uns betrachteten physikalischen Effekten auch mögliche chemische (toxische) und biochemische Effekte zu überprüfen“, so sein Ausblick auf zukünftige Aufgaben.
Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (idw)