Globale Klimaerwärmung: Atmosphärenphysiker untersuchen Sahara-Staubstürme in Südmarokko
Archivmeldung vom 02.08.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEine 40-köpfige Forschergruppe hat sich für sechs Wochen am Rande der Sahara in Südmarokko aufgehalten, um die Zusammensetzung und die Verteilung von Sand- und Staubteilchen in der Luft zu untersuchen.
"Wir wollten meteorologische Situationen mit wenig Staub und solche mit Staubstürmen messtechnisch erfassen", erläutert Dr. Lothar Schütz vom Institut für Physik der Atmosphäre an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. "Beides ist uns auch gelungen und wir haben hervorragende Daten erhalten." Bislang ist unbekannt, wie sich die eineinhalb Milliarden Tonnen von Staub und Sand auswirken, die jährlich von den Wüsten der Erde in die Atmosphäre gelangen - ob sie zum Temperaturanstieg auf unserem Planeten beitragen oder ihm entgegenwirken. Forschungsarbeiten unter Beteiligung von sechs deutschen Einrichtungen wollen dies herausfinden.
Bei Temperaturen bis zu 42 Grad im Schatten haben die Mainzer Atmosphärenphysiker zusammen mit ihren Kollegen nahe der "Porte au Sahara" - dem Tor zur Sahara - Messcontainer, die den Weg über den Hohen Atlas gekommen sind, aufgestellt und Messvorrichtungen am Boden aufgebaut. Sie haben Instrumente zum Einsammeln von Saharastaub an Flugzeugen installiert. Und sie haben Messstationen im Atlas-Gebirge, teilweise auf 4.000 Meter Höhe und nur noch zu Fuß zu erreichen, angesteuert und die dort aufgezeichneten Daten gesammelt und mit nach Deutschland gebracht. "Jetzt brauchen wir ein Jahr Zeit, um die Daten und vor allem die gesammelten Proben komplett auszuwerten", sagt Dr. Konrad Kandler von der TU Darmstadt. "Dann können wir etwas über die Strahlungswirkung von Staub und Sand sagen und vielleicht auch etwas über ihren Einfluss auf unser Klima", stellt Schütz in Aussicht.
Staub aus der Sahara-Wüste wird regelmäßig vom Wind bis zu
5.000 Meter hoch in die Atmosphäre getragen und zieht dann über den Atlantik bis
in die Karibik oder an die südamerikanische Küste und das Amazonas-Gebiet. Die
"Staubwolken" können dabei enorme Ausmaße annehmen und in Einzelfällen mit
500.000 Quadratkilometern die Größe Spaniens erreichen. Die Frage ist nun,
welchen Einfluss dieser Transport von Staub auf die Strahlungsbilanz in der
Atmosphäre hat: Laufen in vier bis fünf Kilometer Höhe vielleicht auch Prozesse
ab, die dem Temperaturanstieg entgegenwirken? Staubpartikel tragen zur
Wolkenbildung bei und sie können Sonnenstrahlung in den Weltraum rückstreuen
oder aber die Energie speichern, je nachdem, ob es sich um helle oder dunkle
Partikel handelt. Insgesamt gelangen jährlich rund fünf Milliarden Tonnen
Staubteilchen oder Aerosolpartikel durch im Wesentlichen natürliche, aber auch
vom Menschen verursachte Prozesse in die Atmosphäre. Der Mineralstaub aus den
Wüsten der Erde hat daran einen Anteil von 1,5 Milliarden Tonnen und wiederum 60
Prozent davon entstammen dem Wüstenkomplex der Sahara. "Während der anhaltenden
Dürreperiode in der Sahelzone der letzten Jahrzehnte wurde die weltweite
Staubproduktion möglicherweise um ein Drittel erhöht, ohne dass dies in den
bisherigen Abschätzungen zur Klimaveränderung berücksichtigt wurde", rechnet
Schütz vor.
Schütz gehört zu der Forschergruppe SAMUM, an der - außer dem Institut für Physik der Atmosphäre in Mainz - das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig, das Institut für Meteorologie der Universität München, das Institut für Mineralogie der Technischen Universität Darmstadt und das Institut für Umweltphysik und Fernerkundung der Universität Bremen beteiligt sind. Samum - der trockenheiße Sandsturm aus der Sahara hat dem Projekt seinen Namen gegeben - wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in den ersten drei Jahren mit rund einer Million Euro unterstützt wird. Das Mainzer und Darmstädter Team um Dr. Lothar Schütz und Dr. Konrad Kandler haben dabei die Aufgabe, die Zusammensetzung und die räumliche Verteilung des Mineralstaubs in der Atmosphäre zu untersuchen.
Bei dem Großexperiment im Süden Marokkos kam dazu ein
riesiger Instrumentenpark zum Einsatz und die Messungen gehören zu den
umfangreichsten, die je in diesem Teil Afrikas vorgenommen wurden. An zwei
Bodenstationen in Zagora und Ouarzazate, mit zwei Flugzeugen und bei Überflügen
von Satelliten hat das Forscherteam Staub und Strahlung in der Atmosphäre
vermessen. Zudem wurden Proben für spätere, aufwendige Laboruntersuchungen in
Deutschland gewonnen. "Wir sind mit den Daten aus dem Feldexperiment sehr
zufrieden", fasst Schütz die Ergebnisse zusammen. "Und wir werden auch für die
Computersimulationen der Kollegen die Angaben liefern können, die zur
Verbesserung der Modelle gebraucht werden."
Außerdem sind die
Wissenschaftler einem bislang wenig beachteten Phänomen nachgegangen, von dem
sie vermuten, dass es bei der Entstehung von Staub- und Sandstürmen eine
wichtige Rolle spielt: "An den Rändern des Atlas-Gebirges kann es dazu kommen,
dass durch Verdunstung von Regen abgekühlte Luft wie eine Lawine den Hang
runterrutscht", berichtet Dr. Peter Knippertz, Expeditionsteilnehmer und Leiter
einer Nachwuchsforschergruppe an der Uni Mainz, dessen Teilnahme an der
SAMUM-Kampagne aus dem Forschungsfond der Universität Mainz finanziert wurde.
"Diese Luft-Rutschungen können Ausmaße von mehr als 200 Kilometern erreichen und
tragen vermutlich maßgeblich zur Aufwirbelung von Staub in die Atmosphäre
bei."