Müllaffäre in Sachsen-Anhalt weitet sich aus
Archivmeldung vom 12.03.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Müllaffäre in Sachsen-Anhalt, über die das ZDF-Magazin "Frontal 21" in seiner Ausgabe vom 11. März 2008 berichtet hatte, zieht immer weitere Kreise. So erklärt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. (bvse), Eric Rehbock, gegenüber dem "heute-journal", das Problem gehe weit über Sachsen-Anhalt hinaus und betreffe alle Bundesländer.
Es werden "ganz offensichtlich große Mengen von Abfällen illegal im Tagebau oder in Tongruben verbracht", so Rehbock weiter, und dabei "systematisch bestehendes Recht verletzt, um die Vorbehandlung von Abfällen zu umgehen". Die Folge sei im schlimmsten Fall ein "großer Schaden für die Umwelt." Rehbock wirft den Vollzugsbehörden und insbesondere auch den Bergbehörden vor, zu lange die Augen verschlossen zu haben und fordert "systematische Kontrolle und konsequentes Handeln" in allen Bundesländern.
Unterdessen ist der Präsident des Landesamtes für Geologie und Bergwesen (LAGB) in Sachsen-Anhalt, Armin Forker, am Mittwoch suspendiert worden. Das Amt war für die Genehmigungen für Müllablagerungen in der Tongrube Vehlitz zuständig. Zuvor hatte das ZDF-Magazin "Frontal 21" berichtet, dass noch bis Ende voriger Woche täglich Dutzende Schwertransporter aus vielen Teilen Deutschlands in dieser Tongrube Müll abkippten. Bei einem Großteil handelt es sich nach Einschätzungen von Experten um organischen Abfall mit hohem Kunststoffanteil, vermutlich klein geschredderter Haus- und Gewerbemüll. Der Gutachter der Staatsanwaltschaft Potsdam im Brandenburger Müllskandal, Prof. Lothar Ebner, erklärte gegenüber "Frontal 21": "Ein solcher Müll gehört im Normalfall in eine Verbrennungsanlage." In eine Tongrube, die verfüllt werden soll, dürfe im wesentlichen nur mineralisches Material eingebaut werden, zum Beispiel Bauschutt. Die Verfüllung mit organischen Abfall "ist nach dem Bodenschutzgesetz nicht zulässig".
"Frontal 21" hatte die Umweltministerin Petra Wernicke (CDU) am Montag mit den Recherchen konfrontiert. Die Ministerin räumte ein, dass der Verdacht der illegalen Müllentsorgung in der Tongrube Vehlitz bereits seit Oktober 2007 bestehe. Wörtlich sagte Umweltministerin Wernicke gegenüber "Frontal 21": "Wir haben das Landesamt für Umweltschutz dort hingeschickt, um eine unvorbereitete, unangekündigte Kontrolle durchzuführen. Das ist erfolgt, und die Probenentnahme hat ergeben, dass dort tatsächlich gegen geltendes Recht verstoßen worden ist." Sie habe daraufhin gegenüber dem für die Bergaufsicht zuständigen Wirtschaftsministerium die Stillegung der Grube gefordert, bislang allerdings erfolglos. "Das Ergebnis der Kontrolle lag am 1. Oktober 2007 vor. Daraufhin ist das Wirtschaftsministerium zum Handeln aufgefordert worden durch mein Haus und ist am 30. November ins Haus gebeten worden, weil wir feststellen mussten, dass man zögerlich an das Handeln herangegangen ist", erklärte die Umweltministerin Wernicke.
Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit wollte sich gegenüber "Frontal 21" zu den Vorwürfen zunächst nicht äußern. Am Dienstag räumte das Ministerium schließlich schriftlich ein, dass bereits Ende November 2007 Einigkeit "über eine notwendige, zügige Anpassung der Betriebsgenehmigungen" bestand - nicht nur für Vehlitz, sondern sogar für 200 weitere Gruben im Land, deren Zulassungen zur Ablagerung von Müll nicht den bodenschutzrechtlichen Anforderungen entsprechen. Umweltministerin Petra Wernicke kritisiert gegenüber "Frontal 21", die Genehmigung der Tongrube Vehlitz hätte schon längst durch das Landesamt für Geologie und Bergwesen, das dem Wirtschaftsministerium untersteht, widerrufen werden müssen. Die Ministerin verweist auf das so genannte "Tongruben-Urteil" des Bundesverwaltungsgerichts vom April 2005. Danach ist die Rekultivierung von Tongruben mit organischen Haus- und Gewerbeabfällen nicht mehr erlaubt, weil dadurch die Gefahr der Boden- und Grundwasserverunreinigung besteht.
Die Staatsanwaltschaft Stendal hat unterdessen Ermittlungen wegen des Verdachts der illegalen Müllentsorgung in der Tongrube Vehlitz aufgenommen. Der Betreiber der Tongrube Vehlitz, die Sporkenbach Ziegelei GmbH, wies gegenüber "Frontal 21" alle Vorwürfe zurück. Es werde kein klein geschredderter Haus- und Gewerbemüll in der Tongrube Vehlitz deponiert, sondern lediglich genehmigte Abfälle aus mechanisch-biologischen Abfallaufbereitungsanlagen.
Quelle: ZDF