Der Schweinswal in der Ostsee ist vom Aussterben bedroht
Archivmeldung vom 18.05.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.05.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDem Schweinswal in der Ostsee ist jeder dritte Sonntag im Mai gewidmet. Doch der Ehrentag, in 2006 der 21. Mai, ist kein Tag zum Feiern. Der Kleine Tümmler, wie der etwa 1,60 m lange schwarz-weiße Wal mit der stumpfen Schnauze auch heißt, hat in der Ostsee kaum eine Überlebenschance.
In der Östlichen und Zentralen
Ostsee leben nach Hochrechnungen noch höchstens 600 Schweinswale, in
der Westlichen Ostsee etwa 800 bis 2000. Etwas besser geht es ihnen
in Kattegat und Beltsee, so wie in der Nordsee. "Doch auch hier
sterben jedes Jahr mehr Tiere als geboren werden", sagt die
Meeresbiologin Petra Deimer von der Gesellschaft zum Schutz der
Meeressäugetiere (GSM). "Das kann kein Bestand verkraften".
Schadstoffe, Unterwasserlärm und Kiesabbau vom Meeresboden, aber
vor allem die Fischerei machen den sensiblen Meeressäugern das
Überleben schwer. Zu viele sterben in nicht für sie ausgebrachten
Fischernetzen, im sogenannten Beifang. Sie können die modernen Netze
aus Kunststoffgarn weder sehen noch mit ihrem Echolot erfassen. Sie
verheddern sich und ersticken elendig.
Um den einzigen Wal der Ostsee vorm Aussterben zu bewahren, wurde
unter dem "Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in Nord- und Ostsee"
(ASCOBANS) ein Rettungsplan entwickelt. Er rät zur Umrüstung auf
weniger gefährliche Fischfangtechniken: Von Treibnetzen auf
Langleinen und von Stellnetzen auf Fischreusen. Er rät auch zu
Öffentlichkeitsarbeit und Schutzgebieten, wie sie für
Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen von "Natura
2000" ohnehin Pflicht geworden sind.
Die Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere (GSM) bittet seit
2002 Seefahrer um Mithilfe: Melden Sie der GSM Schweinswalsichtungen,
möglichst mit ausführlichen Angaben wie GPS-Daten unter
www.gsm-ev.de. 869 Sichtungen erhielt die GSM für die Saison 2005,
die das Bundesamt für Naturschutz (BfN) auf eine Seekarte übertragen
hat. In diesem Jahr verbindet die GSM ihr Projekt mit einem Foto- und
Videowettbewerb, der mit Mitteln der Deutschen Umwelthilfe (DUH)
gefördert wird. "Jedes Lebenszeichen hilft", sagt Jörg Dürr-Pucher,
Geschäftsführer der DUH. "Zumal manche Politiker und Fischer nur zu
gern ein Scheitern des Rettungsplans sehen würden." Ihr Motto: Wo
keine Schweinswale sind, werden Rettungsmaßnahmen überflüssig. Dabei
haben auch die Fischbestände Schutz längst bitter nötig.
"Die Sichtungsdaten helfen, Schutzgebiete einzurichten - und zu
verteidigen", sagt Hans-Jürgen Schütte, Initiator des
GSM-Sichtungsprojektes. "Doch keine Angst. Naturverträglicher
Wassersport, wird genau wie nachhaltige Fischerei dadurch nicht
beeinträchtigt werden." Die Ergebnisse des Foto- und Videowettbewerbs
werden am 20. Oktober 2006 im Deutschen Meeresmuseum (DMM) in
Stralsund bekannt gegeben.
Das DMM führt seit 2002 ein akustisches Monitoring in der gesamten
deutschen Ostsee durch. Schweinswaldetektoren registrieren die
Echoortungslaute der Kleinwale, mit denen diese sich orientieren und
jagen. "Ich freue mich sehr, dass uns die Detektoren so hervorragende
Ergebnisse über das Vorkommen von Schweinswalen liefern. Dabei müssen
wir leider aber auch erkennen, dass in der östlichen deutschen Ostsee
nur sehr wenige Schweinswale registriert werden, was für einen sehr
kleinen Bestand spricht." meint Dr. Harald Benke, Walforscher und
Direktor des Deutschen Meeresmuseums.
Historische Dokumente belegen, dass Schweinswale einst überall in
der Ostsee lebten. Sie wurden auch als "Meerschwein" gegessen. Heute
kommen sie fast nur noch im südwestlichen Teil, vor den Küsten
Dänemarks, Deutschlands und Schwedens vor, aber nur noch selten in
finnischen und polnischen Gewässern. Eine etwaige Grenze liegt in
Höhe der dänischen Insel Bornholm. Ein Rettungsplan kann natürlich
nur funktionieren, wenn dem Ostsee-Wal keine tödlichen Fallen mehr
gestellt werden und er eine Chance bekommt, seine angestammte Heimat
wieder zu erobern: die ganze Ostsee.
Quelle: Pressemitteilung Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere (GSM),