Klimawandel: Tropische Blaualgen sind eingewandert
Archivmeldung vom 07.04.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWissenschaftler des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben mehrere tropische Blaualgenarten in norddeutschen Gewässern nachwiesen. Bei der näheren Untersuchung der Invasion gab es eine Überraschung: Das ebenfalls gefundene Blaualgen-Gift stammt von einheimischen Arten.
Der Klimawandel macht sich bereits in den heimischen Gewässern bemerkbar. So hat
sich eine tropische Blaualgenart (Cylindrospermopsis raciborskii) bis in die
Seen Norddeutschlands ausgebreitet. Das ergab ein Projekt unter der Federführung
des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB).
Bei der Suche nach dem typischen Gift dieser Blaualge erlebten die Forscher
jedoch eine Überraschung: Zwar konnten sie das Toxin Cylindrospermopsin (CYN) in
hiesigen Seen nachweisen, doch es stammt gar nicht von der eingewanderten Art,
sondern von heimischen Blaualgen. Mehr über die Ergebnisse der Wissenschaftler
können Journalisten bei einem internationalen Symposium erfahren, das am 19.
April in Berlin stattfindet.
Cyanobakterien ("Blaualgen") sind weit
verbreitet und vor allem im Sommer ein Problem an Badeseen. Jetzt hat ein
Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Dr. Claudia Wiedner vom IGB
nachgewiesen, dass das tropische Cyanobakterium Cylindrospermopsis raciborskii
sich bis in die Seen Norddeutschlands ausgebreitet hat. Als Ursache sehen die
Wissenschaftler den Klimawandel an. Die Forscher fanden heraus, dass sich die
tropische Art in Gewässern der Berliner Region weiter ausgebreitet hat als
bisher angenommen wurde und dass außerdem weitere tropische Cyanobakterien
vorkommen. Claudia Wiedner sagt: "Wir rechnen mit weit reichenden Veränderungen
der planktischen Lebensgemeinschaften unserer Gewässer durch diese Invasion
tropischer Arten."
Zu den Forschern gehörten Experten des Berliner
Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), der BTU
Cottbus und des Umweltbundesamtes. Das Team fand auch das typische Toxin
Cylindrospermopsin (CYN) in hiesigen Gewässern, aber zunächst war nicht klar, ob
es durch die eingewanderte Art produziert wird. Im Rahmen eines dreijährigen
Projektes, gefördert vom KompetenzZentrum Wasser Berlin (KWB) und Veolia Water,
stießen die Wissenschaftler auf die Giftproduzenten. Demnach kommt das Toxin
überraschenderweise nicht von den tropischen Arten, sondern von zwei heimischen
"Allerweltsarten" (Aphanizomenon flos-aquae und A. gracile).
Claudia
Wiedner berichtet: "Welche Umstände das Toxinvorkommen steuern, konnten wir
allerdings noch nicht vollständig aufklären." Wichtig für die Einschätzung des
Gefährdungspotenzials sei die Tatsache, dass das Toxin nicht in den Zellen
gebunden, sondern frei gelöst im Gewässer vorkommt. "Unsere Forschungsergebnisse
weisen auf weitere, bisher nicht identifizierte Produzenten hin", sagt Wiedner.
Daneben sei zu beachten, dass es innerhalb einer Art unterschiedliche Anteile
von Genotypen gibt, die zur Toxinproduktion in der Lage sind. Vereinfacht
gesagt: Manche Organismen einer Art können das Gift produzieren, andere der
selben Art können dies nicht.
Die IGB-Wissenschaftlerin sagt, die
Ergebnisse "bilden eine gute Grundlage, um konkrete Empfehlungen zur Überwachung
von Badegewässern und Trinkwasserressourcen erarbeiten zu können." Jetzt gehe es
darum zu klären, welche Faktoren die Verbreitung des Toxins und das Maß der
Giftproduktion steuern.
Im Rahmen eines vom Leibniz-Institut für
Gewässerökologie und Binnenfischerei organisierten internationalen Symposiums
werden die Ergebnisse des Forschungsprojektes sowie ein Ausblick auf die
künftige Entwicklung von Cyanobakterien und Toxinen in unseren Gewässern
präsentiert. Zudem wird ein weltweiter Überblick zu dieser Problematik durch
Gastbeiträge von Wissenschaftlern u.a. aus Amerika, Australien, Israel und
Skandinavien gegeben.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.