Zur Mauser in die Antarktis oder nach Brasilien
Archivmeldung vom 13.03.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNicht nur Landvögel, auch manche Seevögel legen ungeheure Distanzen zurück: Der Dunkle Sturmtaucher beispielsweise umrundet auf seiner Reise anderthalb Mal die Erde. Trotzdem ist das Zugverhalten von Seevögeln im Vergleich zu ihren auf dem Land lebenden Verwandten kaum bekannt. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie haben das Zugverhalten von Dünnschnabel-Walvögeln untersucht und entdeckt, dass die Tiere ihre Mauserzeit in zwei weit auseinander liegenden Gebieten verbringen.
Manche Seevögel können also offenbar ihren Lebensraum äußerst flexibel wechseln, wenn es die Bedingungen erfordern - eine lebensnotwendige Anpassung an die unvorhersehbaren Bedingungen auf hoher See. Während das Zugverhalten einiger der größten Hochseevögel, vor allem der Albatrosse, seit einigen Jahren erfolgreich mit Satellitensendern verfolgt werden kann, ist das bei kleineren Arten noch nicht möglich. Auch Beringungsmethoden oder Radiotelemetrie, wie sie an Land eingesetzt werden, haben auf dem offenen Ozean geringe Erfolgsaussichten. Einem Forscherteam um Petra Quillfeldt am Max-Planck Institut für Ornithologie in Radolfzell ist es gelungen, trotz dieser Schwierigkeiten Details im Zugverhalten von Dünnschnabel-Walvögeln zu entschlüsseln. Diese etwa amselgroße Art aus der Familie der Röhrennasen, zu denen auch die Albatrosse, Sturmvögel und Sturmschwalben gehören, brüten von November bis Februar auf den Falkland-Inseln sowie benachbarten Inselgruppen im Südatlantik. Bereits in einer früheren Untersuchung hatten die Max-Planck-Wissenschaftler nachgewiesen, dass zumindest ein Teil der Vögel für die Mauser in ein Gebiet südlich der antarktischen Konvergenzzone fliegt, um ihre Federn zu erneuern. Gleichzeitig wurden Dünnschnabel-Walvögel jedoch auch vor dem südamerikanischen Schelf und der Küste Brasiliens gesichtet.
Den Forschern zufolge suchen 90% der Dünnschnabel-Walvögel die antarktischen Gewässer auf. Dort bleiben die meisten während der gesamten Mauserzeit vom April bis in den Juni. Einzelne Vögel mausern jedoch auch weiter nördlich vor Südamerika. Trotz dieser unterschiedlichen Reiseziele handelt es sich bei den beiden Populationen nicht um genetisch getrennte Gruppen. Die Wissenschaftler konnten einzelne Walvögel während ihrer Brutaufenthalte beringen und anschließend über mehrere Jahre hinweg verfolgen. Beringte Vögel flogen zwar bevorzugt wieder in das gleiche Gebiet, das sie schon im Vorjahr angeflogen hatten. Es gab aber auch Individuen, die im jeweils anderen Gebiet mauserten. Zudem kam es auch vor, dass ein Vogel im Laufe des Winters erst in die Antarktis und später weiter nach Norden wanderte. "Die Ergebnisse zeigen, dass sich nicht nur die gesamte Art, sondern auch einzelne Dünnschnabel-Walvögel äußerst flexibel verhalten. So können sie in den riesigen Meeresgebieten mit ihren oft unvorhersagbaren, durch Wetterlagen und ozeanografische Zyklen beherrschten Gebieten erfolgreich den Winter überleben, ihr Federkleid erneuern und Reserven für die kommende Brutsaison anlegen", erklärt Petra Quillfeldt.
Federn als Reise-Archiv
Möglich gemacht haben diese Ergebnisse unterschiedlich schwere Kohlenstoff- und Stickstoffatome in den Federn. Die Forscher entnahmen von Brutvögeln auf den Falklandinseln im Südwestatlantik je eine kleine Feder. Außerdem sammelten sie Flügel von Tieren, die Raubmöwen zum Opfer gefallen waren. Kleine Proben dieser Federn wurden dann am Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierbiologie in Berlin mit einem hochsensiblen Massenspektometer auf ihren Gehalt an stabilen Isotopen der Elemente Kohlenstoff und Stickstoff untersucht. Insbesondere das schwere Isotop C13 des Kohlenstoffs ist auf dem Meer nicht gleichmäßig verteilt. Seine Häufigkeit in Algen, die die Grundlage der ozeanischen Nahrungsnetze bilden, nimmt mit geringerer Meerestemperatur ab. Dadurch haben Vögel im Nahrungsnetz des Antarktischen Ozeans einen niedrigeren Gehalt an C13 als Tiere in gemäßigten Meeresgebieten. Während der Mauser werden neue Federn gebildet und C13 je nach Aufenthaltsort in unterschiedlicher Menge eingebaut. Die neuen Federn speichern so in einem charakteristischen Isotopenmuster, wo sich der Vogel gemausert hat.
Quelle: Max-Planck-Institut für Ornithologie