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Endlich die Sau rauslassen - Zwölf Tierschutzorganisationen legen Konzept für sofortiges Ende der Kastenstandhaltung vor

Archivmeldung vom 22.06.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.06.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
4 Schweine auf einem Bauernhof
4 Schweine auf einem Bauernhof

Bild: Markus Walti / pixelio.de

Gemeinsam mit elf weiteren Tierschutzorganisationen hat die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt einen Vorschlag erarbeitet, wie Kastenstände für Sauen in Deutschland innerhalb weniger Jahre komplett abgeschafft werden können.

Unter dem Titel "Sauenhaltung in Deutschland - Handlungsmöglichkeiten aus Sicht des Tierschutzes" zeigen die Organisationen Schritte für einen sofortigen Umbau des Systems Kastenstand auf, hin zu einer für die Sauen weniger leidvollen Gruppenhaltung.

Mit dem Papier wollen die Tierschutzorganisationen einen konstruktiven Beitrag zur aktuellen Debatte um die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung leisten. Ihre Position ist dabei klar: Kastenstände sind tierschutz- und verfassungswidrig und müssen abgeschafft werden. Es kann aus Sicht des Tierschutzes keinen akzeptablen Kompromiss zwischen den Bundesländern geben, der lediglich Fixierungszeiten verkürzt und Kastenstandsbreiten anpasst.

"Seit nunmehr 28 Jahren treten Politik und Landwirtschaft den Tierschutz in der Sauenhaltung mit Füßen. Es darf keine faulen Kompromisse mehr zu Lasten der Sauen geben - die Kastenstände müssen unverzüglich und ein für alle mal weg", erklärt Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung.

Die Kernpunkte der Handlungsmöglichkeiten

Nach Vorstellung der Tierschutzverbände sollen zunächst alle Betriebe im Deckbereich nach Abschluss von zwei Jahren auf die Gruppenhaltung - ohne jeglichen Kastenstand - umgestellt haben. Dabei sollen die Sauenhalter*innen innerhalb der ersten sechs Monate ein Umbaukonzept und innerhalb des ersten Jahres einen Bauantrag vorlegen. Die maximale Fördermöglichkeit sollten diejenigen Betriebe erhalten, die noch vor Ablauf der Frist von einem Jahr einen Bauantrag einreichen.

Nach spätestens fünf Jahren müssen alle Betriebe auch auf freie Abferkelsysteme umgestellt haben. Hier ist nach zwei Jahren ein Umbaukonzept und nach einem weiteren Jahr ein Bauantrag vorzulegen. Die maximale Fördermöglichkeit sollten diejenigen Betriebe erhalten, die noch vor Ablauf der Frist von drei Jahren einen Bauantrag eingereicht haben.

Bis der Umbau wie beschrieben vollzogen wurde, müssen die seit 1992 geltenden Mindestanforderungen umgesetzt werden, die bis heute systematisch ignoriert werden. Die Sauenhalter*innen sollen, um die Mindeststandards zu erfüllen, die Kastenstände im Deckbereich öffnen und den Bereich hinter den Kastenständen für die Tiere nutzbar machen oder einen anderen Umstallungsrhythmus wählen.

Um den raschen Systemwechsel zu ermöglichen sollten die Sauenhalter entsprechende finanzielle Unterstützung erhalten. Neben bereits existierenden Fördermöglichkeiten schlagen die Tierschutzorganisationen drei weitere Finanzierungsinstrumente vor: Sonderabgaben auf Produkte tierischen Ursprungs, eine Neuregelung der Mehrwertsteuer auf pflanzliche und tierische Produkte sowie eine Umschichtung der Fördergelder aus dem Budget der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) von der ersten in die zweite Säule. Fördergelder darf es allerdings nur für tierschutzfachlich einwandfreie Um- und Neubauten ohne jeglichen Kastenstand geben und nicht zum Beispiel für die Verbreiterung von Kastenständen.

Neben der Finanzierung bedarf es dringender Anpassungen im Baurecht. Darüber hinaus müssen Genehmigungsverfahren stark vereinfacht und beschleunigt werden, wenn die Baumaßnahmen nicht mit einer Bestandsaufstockung einhergehen.

Ebenfalls braucht es ein zuverlässiges Kontrollkonzept, um die Einhaltung der Vorgaben zu überwachen und gegebenenfalls Sanktionen zu verhängen. Im Tierschutz ist das Kontrollsystem extrem mangelhaft, so dass hier großer Nachholbedarf besteht.

Das Papier "Sauenhaltung in Deutschland - Handlungsmöglichkeiten aus Sicht des Tierschutzes" wurde gemeinsam erarbeitet von:

  • Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt
  • Bundesverband Tierschutz e. V.
  • Bund gegen den Missbrauch der Tiere e. V.
  • Compassion in World Farming
  • Deutsche juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V.
  • Deutscher Naturschutzring
  • Deutscher Tierschutzbund
  • mensch fair tier
  • Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e. V.
  • PROVIEH e. V.
  • Tierschutzverein für Berlin e. V.
  • VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz

Hintergrund Kastenstand-Neuregelung

Bereits 1988 wurden in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) rechtliche Anforderungen zur Haltung von Sauen geschaffen, wonach "jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken" können muss. Diese Position nehmen Schweine normalerweise während der Tiefschlafphase ein.

Damals bestand eine Übergangsfrist bis Ende 1991, um die neue Regelung in der Tierhaltung umzusetzen. Doch bis heute ignorieren zahlreiche SauenhalterInnen sie, während die Kontrollbehörden wegschauen. Fast zwei Millionen Schweine leben in Deutschland über mehrere Wochen pro Jahr in Kastenständen. Das sogenannte "Kastenstandurteil" des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2016 bemängelte diese permanente Rechtsverletzung höchstrichterlich.

Statt nun die Vorgaben durchzusetzen oder Kastenstände gleich abzuschaffen, wollte Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner mit der Kastenstand-Neuregelung in der TierSchNutztV die Anforderung des "Ausstreckens der Gliedmaßen in Seitenlage" streichen und den seit 1992 illegalen Kastenständen Übergangsfristen von weiteren 15 und mehr Jahren einräumen. Darauf ließen sich die Länder im Bundesrat glücklicherweise nicht ein. Stattdessen erarbeiteten sie zuletzt einen Kompromiss, der aus Sicht des Tierschutzes allerdings ebenso mangelhaft ist. Bislang fand sich keine Mehrheit im Bundesrat für diesen Kompromiss, weshalb das Thema voraussichtlich am 3. Juli erneut auf die Tagesordnung gesetzt wird.

Quelle: Albert Schweitzer Stiftung f. u. Mitwelt (ots)


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