Die Spinnen kommen mit dem Bus - Neue Spinnenarten in Deutschland
Archivmeldung vom 26.01.2012
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtZwei neue Spinnenarten wurden in Deutschland von Wissenschaftlern des Senckenberg Forschungsinstitutes verstärkt nachgewiesen. Die Frankfurter Arachnologen untersuchen die Einwanderung und Lebensweise dieser Neozoen. In Deutschland sind rund 1.000 Spinnenarten bekannt und das Land gilt unter Arachnologen als eines der am besten untersuchten Gebiete weltweit. Eine gute Voraussetzung, um eine Veränderung der heimischen Fauna festzustellen. Wissenschaftler stoßen immer wieder auf neue, eingewanderte oder eingeschleppte Arten - so genannte Neozoen. So ging es auch Dr. Peter Jäger, Arachnologe am Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt, als er 1995 erstmals die Zitterspinnenart Holocnemus pluchei in einem Kölner Parkhaus unter einem Euro-Busbahnhof entdeckte.
„Hier kommen Busse direkt aus Mittelmeerländern an, Gepäck wird ausgeladen, eventuelle blinde Passagiere finden in dem frostfreien Habitat „Parkhaus“ eine erste Bleibe“, erklärt Dr. Jäger seinen Fund und ergänzt „Die Population wurde von uns stichprobenhaft in den folgenden Jahren bis 1999 unter anderem in Mannheim und Mainz nachgewiesen“.
Anfang dieses Jahres dokumentierte Dr. Jäger im Parkhaus am Mainzer Theater eine weitere Population der Zitterspinnen, die vor allem an den Leuchtstoffröhren ihre Netze spannte. Die Lichtquelle lockt potentielle Beutetiere für die Spinnen an und ermöglicht ihnen das Leben in diesem kargen Lebensraum.
Angst braucht man vor der eingewanderten Art nicht zu haben: Die Spinne ist ungefährlich und vertilgt hauptsächlich Insekten, unter anderem auch Lästlinge wie Schaben oder Stechmücken. Auch im ökologischen Sinne wird die Zitterspinne wahrscheinlich keinen Schaden anrichten. Im schlimmsten Fall wird eine eingewanderte Art durch eine neue ersetzt, denn auch die fast ausschließlich in Gebäuden vorkommende „heimische“ Zitterspinne Pholcus phalangioides ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Einwanderer.
Die neue Art Holocnemus pluchei unterscheidet sich von ihr durch ein dunkles Längsband an der Bauchseite und einer lebhaften Rückenzeichnung .Sie scheint außerdem unempfindlicher gegen Licht und Trockenheit zu sein, so dass sich die Spinnenarten wahrscheinlich - ökologisch gesehen - aus dem Weg gehen werden.
Darüber hinaus konnte eine weitere eingeschleppte Art in Gebäuden in Frankfurt am Main, Mainz, Mannheim, Heidelberg, Heilbronn, Metzingen, Freiburg sowie Bonn, Köln, Düsseldorf und Bremen nachgewiesen werden. Die Spinne Zoropsis spinimana (Kräuseljagdspinne) hat eine Körperlänge - diese wird ohne die Beine gemessen - von bis zu 2 Zentimetern und erinnert an die heimischen Wolfsspinnen. Die gedrungenen Tiere jagen nachts frei in Gebäuden und werden daher sensiblen Wohnungsinhabern eher auffallen, als die schlanke, langbeinige Zitterspinne, die häufig mit Weberknechten verwechselt wird.
Doch auch hier geht keine Gefahr von den Tieren aus. Dr. Ambros Hänggi und Dr. Angelo Bolzern vom Naturhistorischen Museum Basel wiesen die Art 2006 zum ersten Mal für Deutschland nach und führten Selbstversuche zur Giftigkeit durch. Danach wurde ein Biss als „nicht nennenswert“ bezeichnet.
„Ich habe es noch nicht mal geschafft, die großen Weibchen der Art so zu reizen, dass sie mich überhaupt beißen“ beruhigt Dr. Jäger.
Andere, kleinere Spinnenarten, wie die nur 1,5 bis 2 Millimeter messende Mermessus trilobatus aus der Familie der Baldachinspinnen, sind ebenfalls als Zuwanderer in Deutschland bekannt. Sie sind jedoch so klein und unscheinbar, dass sie von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden. In Nachbarländern sind schon zahlreichere fremde Arten angekommen und stehen sozusagen vor der deutschen Haustür: In Belgien verzeichnet man beispielsweise vier neue Spinnenarten, darunter die in allen tropischen Gebieten vorkommende Zitterspinne Crossopriza lyoni, die an ihrem dreieckigem Hinterleibs-Umriss zu erkennen ist.
Sind die aktuellen Funde noch überwiegend von Interesse für Biologen und Ökologen, könnte das Auftauchen von Giftspinnen die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit nach sich ziehen. Funde der giftigen Schwarzen Witwen - meist Latrodectus mactans - werden aus Belgien, vereinzelt auch aus Deutschland gemeldet. Bisher sind hier allerdings keine Populationen, die sich fortpflanzen, bekannt. Die Arachnologen im Senckenberg Forschungsinstitut verfolgen die weitere Entwicklung aufmerksam!
Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen (idw)