"Ego-Supergen" macht Mäuse zu Migranten
Archivmeldung vom 17.10.2018
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHausmäuse mit dem egoistischen "Supergen" t-Haplotyp wechseln deutlich häufiger die Population als ihre Artgenossen, wie Forscher der Universität Zürich gezeigt haben. Das Wissen um dieses Migrationsverhalten könnte dabei helfen, invasive Mäuseplagen in den Griff zu bekommen, sind sich die Experten einig.
Unfairer Vorteil bei Vererbung
"Dieses Supergen verschafft sich gegenüber anderen Genen einen unfairen Vorteil bei der Vererbung", erklärt der Evolutionsbiologe und Erstautor der Studie, Jan-Niklas Runge. Eigentlich habe jedes Gen eine 50-Prozent-Chance, an einen Nachkommen übertragen zu werden. Doch Spermien, die das Supergen in sich tragen, vergiften laut dem Fachmann konkurrierende Spermien desselben Tieres und erhöhen ihre Befruchtungschance dadurch auf 90 Prozent. Ähnliche Mechanismen fänden sich auch in anderen Organismen, etwa in Fruchtfliegen oder in Mais.
In einer Langzeitstudie wurde untersucht, wie sich das Supergen auf das Migrationsverhalten von Hausmäusen auswirkt. Hierzu führten die Forscher acht Jahre lang genau Buch über das Kommen und Gehen in vier Gruppen von wilden freilebenden Hausmäusen in einer Scheune in der Nähe von Zürich. Mithilfe von Genanalysen, Funksendern und regelmäßigen Zählaktionen konnten sie nachweisen, dass Träger des t-Haplotyps vermehrt zwischen den Gruppen wechselten oder die Scheune ganz verließen. Die Wahrscheinlichkeit für eine solche Migration war dabei gegenüber normalen Tieren um fast 50 Prozent erhöht.
Träger suchen gezielt das Weite
Die Studie hat sich auf Jungtiere konzentriert, die bei Hausmäusen die typische Altersgruppe für Migration darstellen. Die Wissenschaftler glauben, dass das Supergen das Verhalten der Mäuse auf diese Weise manipuliert, um sich selbst immer weiter auszubreiten. Eine solche Migration sichert zudem wahrscheinlich auch den Erhalt des t-Haplotyps im Genpool der Hausmäuse: Nimmt das Supergen nämlich in einer Population überhand, dann kann dies dazu führen, dass es sich selbst auslöscht. So sind beispielsweise Mäuse, die zwei Kopien des Supergens (von der Mutter und vom Vater) erhalten, nicht mehr lebensfähig.
Außerdem können sich Supergen-Spermien schlecht gegen normale Spermien durchsetzen, wenn sich ein Weibchen im gleichen Ei-Zyklus mit mehreren Männchen paart. "Große Populationen mit viel Konkurrenz um paarungsbereite Weibchen sowie Populationen mit einem hohen Anteil an Trägern des t-Haplotyps sind also eher schlecht für das Supergen", erklärt Runge. "Die Träger des Supergens wandern deshalb wahrscheinlich aus und schließen sich Populationen an, in denen die Chancen auf Verbreitung besser sind."
Diese Vermutung wird durch die Studie belegt: Je größer die Population, desto ausgeprägter war das beobachtete Migrationsverhalten. So lässt sich auch erklären, wie es das Supergen trotz aller Nachteile geschafft hat, etwa zwei Mio. Jahre lang im Erbgut der Mäuse zu überleben. Die Forschenden arbeiten nun daran, diese Hypothese mit Computersimulationen und weiteren Experimenten zu überprüfen.
Quelle: www.pressetext.com/Florian Fügemann