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Natur- und Hochwasserschutz vereinen: Praxisleitfaden soll Auwälder retten

Archivmeldung vom 20.03.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.03.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Experten der Universität Karlsruhe und Marburg haben einen Leitfaden entwickelt, mit sich geeignete Flächen für Auwälder ermitteln lassen und ökologische Kriterien sowie Ziele des Hochwasserschutzes unter einen Hut passen.
Quelle: © Uni Marburg (idw)
Experten der Universität Karlsruhe und Marburg haben einen Leitfaden entwickelt, mit sich geeignete Flächen für Auwälder ermitteln lassen und ökologische Kriterien sowie Ziele des Hochwasserschutzes unter einen Hut passen. Quelle: © Uni Marburg (idw)

Auwälder an Flüssen und Bächen – seit der Regulierungswut Mitte des vorigen Jahrhunderts europaweit quasi vom Aussterben bedroht – sind problemlos mit dem Hochwasserschutz vereinbar, wenn sie an der richtigen Stelle positioniert sind. Untersuchungen der Universitäten Karlsruhe und Marburg am Beispiel des Rühstädt-Bälower Bogens nahe Wittenberge haben ergeben, dass die Elbevorländer ein beträchtliches ökologisches Potenzial für Auwälder sowie ausreichend Überflutungsareale für den Hochwasserfall bieten.

Die Experten haben einen Praxisleitfaden entwickelt, mit dem sich geeignete Flächen für Auwaldpflanzungen ermitteln lassen und ökologische Kriterien sowie Ziele des Hochwasserschutzes unter einen Hut passen. Auf Basis der Ergebnisse wurden an der Mittelelbe fünf Hektar neuer Auwald gepflanzt. Der Praxisleitfaden zum Projekt, das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit rund 350.000 Euro gefördert wurde, ist auf der Homepage der Uni Marburg, Fachbereich Naturschutzbiologie, online abrufbar.

„Auwälder gehören zu den am stärksten bedrohten Lebensräumen in Deutschland. Wir wollen diese wertvollen Biotope bewahren und zeigen, dass Natur- und Hochwasserschutz mit innovativen und nachhaltigen Strategien vereinbar sind“, sagte heute DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E. h. Fritz Brickwedde. In der Vergangenheit seien viele Auwälder abgeholzt und zu Weideland umgewandelt worden. Der Wunsch, die Flussläufe zu regulieren und damit möglichst ganzjährig schiffbar zu machen, habe vor allem in Mitteleuropa nur noch Reste des ursprünglichen Auwaldvorkommens übrig gelassen. Seitdem die häufigeren und schwereren Flusshochwasser in das Licht der Öffentlichkeit gerückt seien und auf das Fehlen dringend benötigter Überflutungsflächen deuteten, sei eine Umkehr dieser Entwicklung im Gange. So würden heute vor allem kleinere Flussläufe und Flussabschnitte wieder vernässt und deren Vorlandbereiche an das Hauptgewässer angebunden, wie etwa an der Isar und im Nationalpark Donau-Auen.

„Unsere Untersuchungen bei Wittenberge haben ergeben, dass die weitläufigen Grünländer der Elbevorländer winterliches Schmelzwasser oder Hochwasser nach starken Regenfällen auch dann noch aufnehmen können, wenn ökologisch nicht unbedeutende Teilbereiche zu Auwäldern umentwickelt werden“, erklärte Projektleiterin Dr. Ilona Leyer von der AG Naturschutzbiologie der Universität Marburg. Dazu seien zwei Szenarien mit 32 Hektar und 49 Hektar zusätzlicher Weichholzaue untersucht worden.

Weichholzauen, in denen zum Beispiel Schwarz-Pappeln oder Silber-Weiden wachsen, erfüllen laut Leyer herausragende Funktionen für die Natur: „Sie verhindern zum Beispiel das Unterspülen und Wegbrechen der Uferböschungen. Überflutete Auwälder filtern zudem das versickernde Wasser und führen es dem Wasserlauf in besserer Qualität wieder zu“, so Leyer. Dennoch werde die Neuanlage von Auwäldern wegen der dramatischen Hochwasserereignisse der letzten Jahre immer noch kritisch gesehen, ergänzte DBU-Naturschutzreferent Dr. Volker Wachendörfer. Es sei bekannt, dass zu dichter Gehölzbewuchs am Flussufer die Hochwassergefahr verschärfen könne. Im Hochwasserfall müsse das Wasser das Gehölz um- und durchfließen. Die dabei entstehenden hydraulischen Widerstände könnten einen Wasseraufstau stromaufwärts verursachen. Das allerdings alles nur, wenn der Auwald an Stellen platziert werde, die für das abfließende Wasser einen wichtigen Korridor darstellen.

„Der entwickelte Praxisleitfaden erlaubt Anwendern – wie Naturschutzeinrichtungen, Planungsbüros und Wasserbehörden – nun, die Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie sowie von NATURA 2000 umzusetzen. Das im Projekt angewandte Verfahren lässt sich außerdem auf Hartholzauwälder übertragen“, betonte Leyer. In diesen Auwäldern seien vor allem Stiel-Eichen und Feld-Ulmen zu finden. „Weitere Möglichkeiten, um Hochwasserschutz und Auwaldentwicklung miteinander zu verbinden, bestehen darin, neue Überschwemmungsgebiete zu schaffen, zum Beispiel durch Deichrückverlegungen“, sagte Dr.-Ing. Boris Lehmann vom Institut für Wasser und Gewässerentwicklung der Uni Karlsruhe. Auch Nebenrinnen und Altläufe im Vorland von Flüssen können hydraulisch gezielt an den Hauptfluss wieder angebunden werden und damit Überflutungsräume vergrößern und das Hochwasserrisiko für naheliegende Siedlungen verringern.

Das DBU-Projekt wurde von einem Expertenrat wissenschaftlich begleitet und positiv bewertet. Dieser setzte sich aus von der DBU berufenen Vertretern der Bundesanstalt für Gewässerkunde Koblenz, des Bundesamtes für Naturschutz Bonn sowie des Fachbereichs Ingenieurhydrologie und Wasserbewirtschaftung der Universität Darmstadt zusammen. Das Biosphärenreservat Mittelelbe in Sachsen-Anhalt und das Forstamt Kyritz in Brandenburg haben die Forschungsergebnisse modellhaft umgesetzt. Das Projekt erhielt 2011 den Projekt-Förderpreis der Deutschen Ökologischen Gesellschaft.

Quelle: Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) (idw)

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