Offener Brief: Über 60 Organisationen fordern eine Schonzeit für Füchse
Archivmeldung vom 30.01.2020
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Freigeschaltet durch André OttWährend in Dortmund auf der "Jagd & Hund" neueste Fallensysteme, halbautomatische Jagdwaffen und exotische Trophäenreisen feilgeboten werden, verlieren im Wald und auf der Feldflur tausende von Füchsen ihr Leben im Rahmen von so genannten "Fuchswochen".
Darunter befinden sich mit großer Wahrscheinlichkeit massenhaft Elterntiere, die für die Aufzucht von Jungtieren notwendig sind. Denn bereits bei Jagden, die ab Beginn der Paarungszeit der Füchse - also ab Ende November eines Jahres - stattfinden, ist jeder getötete Rüde ein potentieller werdender Fuchsvater, jede getötete Fähe potentiell bereits trächtig. Ab Mitte Januar werden die ersten Fuchswelpen geboren, so dass bereits bei den jetzt stattfindenden Jagden das Risiko besteht, tatsächlich Elterntiere zu töten und deren Welpen zu einem schrecklichen Hungers- oder Erfrierungstod zu verdammen.
Wildtierschutz Deutschland und das Aktionsbündnis Fuchs, welches von über 60 Organisationen aus dem Tier- und Naturschutz unterstützt wird, wollen das verhindern.: Die Tierfreunde fordern Julia Klöckner und ihre Kolleginnen und Kollegen in den Landwirtschafts- und Umweltministerien der Länder in einem Schreiben auf, auf gesetzlicher Ebene unverzüglich die realen Setzzeiten bei Füchsen zu berücksichtigen und dem Umstand gerecht zu werden, dass auch der Fuchsrüde zur Aufzucht von Jungtieren notwendig ist. Auch wenn der Hauptversorger der Fuchsfamilie zwischen Paarungs- und Setzzeit getötet wird, haben seine Nachkommen wesentlich geringere Überlebenschancen. Um den Elterntierschutz ernsthaft zu gewährleisten, wäre daher eine Schonung der Füchse ab Beginn der Paarungszeit nötig.
Als das Bundesjagdgesetz 1952 erstmals veröffentlicht wurde, hat man die Schonung von Elterntieren lediglich über den Zeitraum definiert, in welchem damals Fuchswelpen zur Welt kamen. Viele Jäger handeln noch heute danach und berücksichtigen nicht, dass Fuchswelpen hierzulande aktuell nachweislich nicht erst im März, sondern bereits im Januar und Februar das Licht der Welt erblicken. Erkenntnisse aus der Fuchsforschung über die Familienstruktur von Füchsen werden sowohl von der Jägerschaft als auch von der Politik weitgehend ignoriert.
"Dabei wird es im Sinne des damaligen Gesetzgebers gewesen sein, einen umfassenden Schutz der für die Aufzucht von Jungtieren notwendigen Elterntiere zu schaffen", erläutert Lovis Kauertz von Wildtierschutz Deutschland. "Auch sollte ein Jagdverband, der auf dem Papier die Waidgerechtigkeit hochhält, mal in sich gehen. Vielleicht erinnert man sich dort an das eigene Grundsatzpapier, welches im Rahmen der Waidgerechtigkeit eine Selbstbeschränkung des Jägers fordert und konstatiert, dass keineswegs alles erlaubt sei, was nicht ausdrücklich verboten ist."
Anschreiben vom 29. Januar 2020 an Landwirtschafts-/ Umweltminister/innen:
Sehr geehrte Frau Ministerin Klöckner,
im Verantwortungsbereich Ihres Ressorts wird im Januar und Februar jeden Jahres billigend in Kauf genommen, dass die für die Aufzucht von Jungtieren erforderlichen Elterntiere von Füchsen im Rahmen der Jagd getötet werden. Sogenannte Fuchs- oder Raubwildwochen finden in einigen Bundesländern, die nicht einmal eine Schonzeit für Füchse ab März eines Jahres vorsehen, sogar bis in den März hinein statt.
Im Rahmen der Zusammenarbeit mit zahlreichen Wildtierauffangstationen wird uns immer wieder bestätigt, dass Fuchsgeburten häufig im Februar und sogar bereits im Januar stattfinden. Demnach beginnt die Paarungszeit der Füchse nachweislich bereits Ende November. Bei Fuchsjagden ab diesem Zeitpunkt ist jeder getötete Rüde ein potentieller werdender Vater und jede getötete Fähe potentiell bereits trächtig. Ab Mitte Januar besteht auch das Risiko, tatsächlich Elterntiere zu töten.
Es ist in zahlreichen Studien belegt (u.a. Vergara V. (2001): Comparison of parental roles in male and female Red Foxes, Vulpes vulpes, in southern Ontario. Canadian Field Naturalist 115(1), 22-33) und inzwischen in der Jagd- und Jagdausbildungsliteratur anerkannt, dass auch der Fuchsrüde für die Aufzucht von Jungtieren notwendig ist (Blase, Die Jägerprüfung (30. Auflage 2010), Kapitel 2.3 (303)).
Das Bundesjagdgesetz wurde erstmals 1952 veröffentlicht. Doch noch heute wird der § 22 Absatz 4 lediglich über die Setzzeit definiert und ignoriert somit die neueren Erkenntnisse über die Familienstruktur von Füchsen:
"(4) In den Setz- und Brutzeiten dürfen bis zum Selbständigwerden der Jungtiere die für die Aufzucht notwendigen Elterntiere, auch die von Wild ohne Schonzeit, nicht bejagt werden. ..."
Schon zur Zeit der frühen Bundesrepublik war es Anliegen des Gesetzgebers, mit dem § 22 Absatz 4 BJagdG einen umfassenden Schutz der für die Aufzucht von Jungtieren notwendigen Elterntiere zu schaffen. Spätestens seit den 1980er Jahren ist aus zahlreichen Studien bekannt, dass bei Füchsen eben nicht nur die weiblichen Tiere ab der Setzzeit für die Aufzucht von Jungtieren notwendig sind, sondern eben auch die Rüden. Ein Rüde, der zwischen Paarungs- und Setzzeit getötet wird, steht logischer Weise als für die Aufzucht erforderliches Elternteil später nicht mehr zur Verfügung.
Wir fordern Sie deshalb auf, im Sinne des Bundesjagdgesetzes und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Setz- und auch Paarungszeit unverzüglich eine bundesweite Schonzeit für Füchse festzulegen, die den gesamten Zeitraum vom Beginn der Paarungszeit bis zur Selbständigkeit der Jungtiere umfasst und somit auch den Schutz der zur Aufzucht der Jungtiere erforderlichen Fuchsrüden berücksichtigt.
Eine darüberhinausgehende Jagdzeit für Füchse lehnen wir ebenfalls ab, weil weder aus ökologischen noch aus epidemiologischen Gründen die Fuchsjagd überhaupt erforderlich ist. Das belegen u.a. zahlreiche Nationalparks in Deutschland und seit 2015 unser Nachbar Luxemburg, wo seitdem eine ganzjährige Schonzeit für Füchse gilt. Ausführliche Erläuterungen und Quellenangaben des Aktionsbündnisses Fuchs legen wir diesem Schreiben bei.
Mit freundlichen Grüßen
Aktionsbündnis Fuchs und Wildtierschutz Deutschland e.V
Lovis Kauertz (Vorsitzender Wildtierschutz Deutschland e.V.)
Quelle: Wildtierschutz Deutschland e.V. (ots)