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Geht es Walen und Delfinen in Europa besser als erwartet?

Archivmeldung vom 04.05.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.05.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Gewöhnlicher Schweinswal
Gewöhnlicher Schweinswal

Foto: AVampireTear
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Zehn EU-Mitgliedsstaaten haben eine umfassende Zählung durchgeführt, die Aufschluss über Verbreitung und Vorkommen von Walen und Delfinen in europäischen Gewässern gibt. Die meisten Populationen scheinen stabil zu sein – doch die Wal- und Delfinschutzorganisation WDC ist besorgt über den Zustand einiger Arten.

Eine derart großangelegte Untersuchung (SCANS III) wurde nach 1994 und 2005 nun zum dritten Mal durchgeführt. Mit speziell ausgerüsteten Flugzeugen und systematischen Schiffsrouten wurde ein umfassendes Bild über die Anzahl und Verteilung von Walen und Delfinen generiert. Die Ergebnisse scheinen Anlass zur Hoffnung zu geben, denn bei den meisten Arten wurden keine Hinweise auf einen Rückgang der Populationen innerhalb der letzten 20 Jahre gefunden.

Als Beispiel dafür, dass trotzdem gravierende Probleme bestehen, kann der Schweinswal genannt werden – die einzige in deutschen Gewässern heimische Walart. Die Zahl der Schweinswale im gesamten Untersuchungsgebiet wird nun auf 466.569 Tiere geschätzt. Auf die Nordsee entfallen dabei 345.373 und die westliche Ostsee (Kattegat und Beltsee) 42.324. Nach dem Vergleich mit den Zahlen aus den letzten zwei Jahrzehnten zeigte sich: Die Populationen scheinen sich nicht wesentlich verändert zu haben. Das ist natürlich eine gute Nachricht. Doch nicht allein die Zahl der Tiere ist entscheidend, sondern auch deren Zustand.

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen deutlich, dass die Reproduktionsfähigkeit der Schweinswale in der Nordsee stark durch die hohe Belastung mit Umweltgiften eingeschränkt ist. Auch kommen jedes Jahr mehrere Tausend Schweinswale in Europa in Netzen ums Leben, da nach wie vor sehr viel mit Stellnetzen gefischt wird. In der Nordsee wird der Meeresboden jedes Jahr mehrfach durch die Grundschleppnetzfischerei „umgepflügt“. Vergiftung, Beifänge und Lebensraumzerstörung geschehen sogar innerhalb ausgewiesener Schutzgebiete und dies soll sich nach den neuesten Gesetzentwürfen der Bundesregierung auch nicht ändern. Deutsche Umweltschutzorganisationen (darunter WDC) sind der Ansicht, dass die Regierung in Sachen Meeresschutz in heimischen Gewässern komplett versagt.

Ein weiteres großes Problem ist laut Ansicht von WDC der zunehmende Unterwasserlärm in den Meeren. Die Abbildung zeigt, dass die Schweinswal-Dichte im Gebiet der Deutschen Bucht deutlich geringer ist als in den umliegenden Gebieten. In der Deutschen Bucht werden aber seit Jahren die meisten Offshore-Windparks in Europa errichtet - unter Einsatz extrem lauter Bauverfahren, deren Lärm Schweinswale nachweislich massiv stört oder gar schädigt. Niemand weiß, ob die vergleichsweise geringe Dichte von Schweinswalen, welche das SCANS III-Projekt ergeben hat, darauf zurück zu führen ist. Die Lage der Delfine und Wale in Europa ist aber sicherlich nicht besser geworden.

„Wir müssen immer das Gesamtbild im Auge behalten“, so Fabian Ritter, Meeresschutzexperte bei WDC. „Obwohl die Ergebnisse Mut machen, ist es um Nord- und Ostsee als Lebensraum für Schweinswal & Co. schlecht bestellt. Leider setzt sich die Große Koalition gerade im Moment dafür ein, dass der Schutz der Natur innerhalb Schutzgebieten praktisch wirkungslos bleibt. Im Gegenteil wird sogar versucht, das Bundesnaturschutzgesetz gerade im Bereich Meeresschutz entscheidend zu schwächen. Dass dieses Vorgehen einem Ausverkauf von Naturschätzen in Deutschland gleich kommt, daran ändern auch die neuen Zahlen nichts. Darüber hinaus haben wir bisher kaum Erkenntnisse darüber, inwieweit der Klimawandel die Tiere beeinträchtigt. Es bleibt also noch eine Menge zu tun, bevor wir sagen können, dass es Walen und Delfinen in Europa wirklich besser geht“.

Datenbasis: SCANS III

Quelle: Whale and Dolphin Conservation (WDC)

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