Der Schlüssel zur Nuss
Archivmeldung vom 09.11.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittGoffin-Kakadus benutzen in der freien Natur keine Werkzeuge, in Experimenten setzen diese sehr wohl welche ein. KognitionsbiologInnen der Universität Wien sowie der Veterinärmedizinischen Universität Wien testeten die Fähigkeit dieser Vögel, Formen als Werkzeuge zu verwenden und in Relation zu einer Oberfläche zu bewegen. Die Tiere mussten den korrekten "Schlüssel" zu einem "Schlüsselloch" in einer Box auswählen und diesen so ausrichten, dass er durch die Öffnung passt, damit sie an eine Nuss kommen. Interessanterweise brauchten die Vögel für diese Aufgabe auch weniger Platzierungsversuche als Primaten in einer ähnlichen Studie.
Ein Objekt in einen passenden Rahmen einzuführen, wie etwa einen Schlüssel in ein Schlüsselloch, oder das Ende eines Schraubenziehers in eine Schraube, ist eine vielfach ausgeführte Handlung im Alltag. Diese Fähigkeiten entwickeln sich bereits in den ersten Jahren unseres Lebens. In spielerischen Versuchen mit einem Briefkasten und einem Münzautomaten können erst Kleinkinder über zwei Jahren die Briefe und Münzen richtig orientieren, um sie einzuwerfen. Kinder beginnen in diesem Alter nicht nur ihren eigenen Körper, sondern auch Punkte in der Umwelt zur Orientierung zu verwenden, wenn sie Objekte im Raum bewegen. Diese Art von Bezugsrahmen nennt man allozentrisch, und die Fähigkeit diesen auch anzuwenden gilt als Voraussetzung für die Entwicklung des Werkzeuggebrauchs (wie etwa Löffel, Rechen) bei Kleinkindern.
Weitere wichtige Aspekte dabei sind Geometrie und Symmetrie. Eine Kugel in ein Loch zu stecken, erfordert keine besondere Ausrichtung, eine asymmetrische Form jedoch hat nur eine mögliche Orientierung, um in den Rahmen zu passen. Dementsprechend können Kinder schon mit einem Jahr eine Kugel in ein passendes Loch stecken, brauchen jedoch ein weiteres Jahr um auch einen Würfel richtig zu orientieren und einwerfen zu können. Drei- oder vierjährige Kinder hingegen vergleichen die Formen mit den Rahmen zuerst visuell und halten sie darüber, bevor sie versuchen sie hindurchzuführen. Solche Fähigkeiten zur visuellen Anpassung scheinen bei höheren Primaten wie Kapuziner- und Menschenaffen nicht vorhanden zu sein. Trotz ihrer bemerkenswerten Geschicklichkeit bei anderen Aufgaben können sie nur einfache Formen in entsprechende Rahmen passen und benötigen dabei viele Anläufe.
Das Experiment
"Wir haben eine Box mit einer austauschbaren, transparenten Vorderseite mit einem spezifisch geformten Loch in der Mitte verwendet. Wenn ein Vogel das passende Objekt durch das Loch geworfen hat, ist eine Plattform heruntergeklappt und hat eine Nuss freigegeben", erklärt Cornelia Habl die Versuchsanordnung des Experiments im Goffin-Lab. "Die Vögel haben schon nach kurzer Zeit und ohne Training das korrekte Objekt aus bis zu fünf verschiedenen Formen ausgewählt. Sie brauchten weniger Anläufe als Primaten, um einfache Gegenstände wie Kugeln, Würfel und Dreiecke einzupassen".
Bei komplexer geformten "Schlüsseln" fanden die Vögel jedoch einfachere Wege, um an die Nuss zu kommen: Sie drehten die "Schlüssel" so, dass sie nicht deckungsgleich in das "Schlüsselloch" passten, sondern individuell um verschiedene Achsen, damit Vorsprünge der Formen beim Hineinwerfen vermieden wurden. Sie bewegten etwa ein kreuzförmiges Objekt um 90 Grad, damit nur noch zwei statt vier Vorsprüngen gleichzeitig durch das Loch gesteckt werden mussten, oder ein L-förmiges mit einem Vorsprung voran.
"Wir konnten zeigen, dass Goffin-Kakadus tatsächlich einen allozentrischen Bezugsrahmen verwenden, wenn sie Objekte im Raum bewegen, ganz so wie zweijährige Kinder", sagt Alice Auersperg, die Leiterin des Goffin-Labs: "Unsere Resultate beweisen auch, dass nicht nur Tiere mit handähnlichen Extremitäten Formen in Rahmen einpassen können. Vögel verlassen sich dabei eher auf ihren Sehsinn als Primaten". In weiteren Studien wollen sich die ForscherInnen mit Details dieser Form-Rahmen-Passfähigkeiten beschäftigen, etwa mit den genauen Schnabel-Zungen-Interaktionen am Objekt vor und während des Einwerfens, damit sie die Rolle des Sehens beim Objekt-Platzieren untersuchen können.
Quelle: Universität Wien (idw)