Kanzlerin Angela Merkel - die Schutzheilige der deutschen Autobauer
Archivmeldung vom 05.02.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDeutschland stößt nach Informationen der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) mit seinem "Kamikazekurs in der Klimapolitik" zunehmend auf Unverständnis und Verärgerung in Europa.
Insider gehen davon aus,
dass es an diesem Mittwoch, 7. Februar 2007 - trotz erbitterter
Gegenwehr von deutscher Seite - im Kabinett Barroso zu einer
Verabschiedung von Grundsätzen zur europäischen Klimaschutzpolitik
kommen wird, die allerdings für die Automobilindustrie kaum konkrete
Auswirkungen haben sollen. Die Verbitterung über Deutschland und den
als Missbrauch seiner EU-Präsidentschaft wahrgenommenen Einsatz für
heimische Großindustrien ist daher groß. Britische und skandinavische
Umweltpolitiker zeigen sich irritiert über die Blockadehaltung
Deutschlands. Und EU-Umweltkommissar Stavros Dimas wirft
Deutschland vor, "keineswegs Vorreiter beim Klimaschutz" zu sein.
"Die Investition großer deutscher Automobilhersteller in ehemalige
Spitzenpolitiker als deren "Beauftragte für Regierungsbeziehungen"
zahlt sich jetzt offensichtlich aus. Allen aktuellen Alarmmeldungen
der Klimawissenschaftler zum Trotz stellt sich Bundeskanzlerin Angela
Merkel wie eine Schutzheilige vor die deutschen Autobauer und lehnt
den von ihr einst selbst als Umweltministerin eingebrachten CO2-Wert
für die Autoindustrie ebenso ab wie Fahrverbote oder andere wirksame
Klimaschutzmaßnahmen im Straßenverkehr", so Jürgen Resch,
Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH). "Was wir
brauchen, ist ein Befeiungsschlag der Bundes- und Landespolitiker
gegen den Würgegriff der im VDA versammelten deutschen
Automobilbauer, die derzeit jede wirksame Klimaschutzpolitik der
Bundesrepublik blockieren. Die DUH fordert ein Ende der
klimapolitischen Geisterfahrt dieser Bundesregierung und Taten statt
neuer Pläne und teurer Forschungsprogramme, wie von
Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) angekündigt."
In keinem anderen europäischen Land sei die Verschmelzung von
Politik und Großindustrie so ausgeprägt wie in Deutschland. So
berieten, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, ehemalige
Wirtschaftsminister wie Dieter Spöri (für DaimlerChrysler) oder bis
vor wenigen Tagen Reinhold Kopp (Volkswagen) mit gut ausgestatteten
Lobbyabteilungen Abgeordnete, Ministerien und die politische Führung
dieses Landes. In der Folge konnten deutsche Autobauer mit dem Segen
der Politik immer schnellere, höher motorisierte und sprithungrigere
Pkw auf den Markt bringen, ohne auf politischen oder öffentlichen
Widerstand zu treffen. Deutschland ist das einzige zivilisierte Land,
in dem es kein generelles Tempolimit gibt. Wer es sich leisten kann,
darf auf der Autobahn mit Tempo 407 km/h (VW Bugatti Veyron)
schneller fahren als Formel 1-Boliden auf der Zielgeraden. Nur die
deutsche Politik erlaubt diese "unbegrenzte freie Fahrt für
Klimakiller" und subventioniert Spritfresser mit ihrem "unsäglichen
Dienstwagenprivileg" auch noch mit bis zu 49% des Kaufpreises.
Dass sich die Bundesregierung unter dem Druck des Vierten
Statusberichts der Klimawissenschaftler auf hinhaltende
Forschungsprogramme, sanfte Ermahnungen in Richtung Autoindustrie und
Verbrauchertipps wie "Umsteigen auf Bus und Bahn" und "Fuß vom Gas
beim Autofahren" beschränkt, sei "ärgerlich und opportunistisch", so
Resch. Die Deutsche Umwelthilfe appelliert an von DaimlerChrysler,
BMW und Volkswagen unabhängige Abgeordnete des Bundestages aus allen
Fraktionen, sich mit einer parteiübergreifenden Initiative für
kurzfristig wirksame Maßnahmen einzusetzen. Dazu gehörten ein
generelles Tempolimit auf Autobahnen, die Beschränkung des
"Dienstwagenprivilegs" auf Klima schonende Pkw und ein sofortiges
Werbeverbot in deutschen Medien für Pkw mit mehr als 210 g
CO2-Emissionen (d.h. Pkw, die 50% und mehr über dem EU-Zielwert von
140 g CO2/km für 2008 liegen). Nach Überzeugung der DUH muss die
Bundesregierung der Automobilindustrie "unmissverständliche Zeichen
für eine ab sofort stringentere Klimapolitik in Deutschland geben",
um das 140 g CO2/km-Klimaschutzziel bis 2008 doch noch zu erreichen.
"Dazu ist das Werbeverbot für Klimakiller ein geeignetes, für
jedermann nachvollziehbares Mittel", sagte Resch.
Die DUH verwies auf das von ihr in der vergangenen Woche
vorgestellte Sofortprogramm zur Reduzierung der Klimagas-Emissionen
im Straßenbereich (www.duh.de), mit dem das weitergehende Ziel von
120 g CO2/km bis 2012 erfüllt werden kann. Ein Flottengrenzwert von
120 g CO2/km bedeute, dass Kleinwagen deutlich weniger, Ober- oder
Luxusklassewagen eben auch moderat mehr CO2 ausstoßen dürften als den
Durchschnittswert. Der Maximalwert für Kleinwagen müsste nach diesem
Konzept zukünftig bei 80 - 85 g CO2/km liegen, für
Mittelklassefahrzeuge bei etwa 110 g CO2/km, bei großen Limousinen
und SUVs würde sich eine Grenze von 160 - 170 CO2/km ergeben.
Über die Einführung von verbindlichen Spritverbrauchsgrenzwerten hinaus seien steuerliche Maßnahmen wie die längst überfällige Teilumstellung der Kfz-Steuer auch auf CO2-Bezug notwendig.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe e.V.