Paläogenomik - Die Prähistorie des Hundes: Genanalyse zeigt Vernetzung zwischen Tier und Mensch
Archivmeldung vom 31.10.2020
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtWissenschaftler haben die Genome von bis zu 10.900 Jahre alten Hunden untersucht und zeigen, dass die Populationsgeschichte der prähistorischen Hunde sich nur teilweise mit der des Menschen deckt.
Hunde waren die ersten Tiere, die vom Menschen domestiziert wurden und begleiten uns seit mindestens 15 000 Jahren. Trotz dieser langen gemeinsamen Zeit ist bis heute nur wenig darüber bekannt, wie sich verschiedene Hunde-Populationen über den Globus verbreiteten – und ob und in welchem Ausmaß dies mit der Besiedlungsgeschichte des Menschen zusammenhängt. Im Rahmen einer groß angelegten internationalen Kooperation ist Wissenschaftlern nun ein entscheidender Fortschritt gelungen: „Wir konnten mithilfe genetischer Analysen die Populationsgeschichte prähistorischer Hunde rekonstruieren und ihre Verknüpfung mit derjenigen des Menschen untersuchen“, sagt Laurent Frantz, Professor für Paläogenomik der Haustiere an der LMU und einer der Hauptautoren der Studie.
Insgesamt sequenzierten die Forscher 27 bis zu 10.900 Jahre alte Hundegenome aus Europa, dem Nahen Osten und Sibirien. Ihre Ergebnisse zeigen, dass es schon vor 11.000 Jahren größere Populationen gegeben haben muss, die bereits in verschiedene Abstammungslinien diversifiziert waren. „Eine der größten Überraschungen für mich war, dass wir nur einen geringen Genfluss von Wölfen zu Hunden gefunden haben“, erzählt Frantz. „Die wilden Vorfahren der Hunde haben nach der ersten Domestikation demnach kaum noch Spuren in deren Erbgut hinterlassen.“ Frantz spekuliert, dass dies möglicherweise mit einer starken Selektion gegen – eventuell aggressivere – Wolfsmischlinge zusammenhängt.
Um Zusammenhänge zwischen der Populationsgeschichte des Hundes und derjenigen des Menschen zu untersuchen, verglichen die Forscher die Hundegenome mit menschlichen genetischen Datensätzen, die bezüglich Alter, geographischer Herkunft und kulturellem Kontext vergleichbar waren. Dabei fanden sie, dass bestimmte Aspekte beider Populationsgeschichten übereinstimmen. So wurden etwa die ersten Bauern, die während der neolithischen Expansion von der Levante aus nach Europa und Afrika wanderten, wohl von ihren Hunden begleitet. Diese mischten sich dann mit ortsansässigen Hunden.
In anderen Fällen dagegen passen die Migrationsmuster von Mensch und Hund nicht unbedingt zusammen: Die Einwanderung von Steppenvölkern aus dem Osten während der Bronzezeit etwa brachte nicht nur einen dramatischen kulturellen Umschwung, sie hat auch in den Genen der bronzezeitlichen Europäer deutliche Spuren hinterlassen – nicht aber in denen ihrer Hunde. Mögliche Gründe für die Diskrepanzen sehen die Forscher etwa in Handel, Präferenzen für bestimmte Hundearten, unterschiedlichen Anfälligkeiten für Infektionskrankheiten oder dem Wechsel der Hunde von einer menschlichen Gruppe zu einer anderen.
Wann, wo und wie oft der Wolf vom Menschen domestiziert wurde, ist immer noch umstritten. „Unsere Daten unterstützen die These, dass Hunde nur einmal domestiziert wurden und sich dann gemeinsam mit den Menschen ausbreiteten“, sagt Frantz. An welchem Ort die erste Domestikation erfolgte, ist nach Ansicht der Forscher eine nach wie vor ungelöste Frage und erfordert noch weitere Untersuchungen.
Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München (idw)