Kieler Meeresforscher weist Temperaturanstieg im Südatlantik nach
Archivmeldung vom 28.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEine neue Studie deutscher und russischer Wissenschaftler, die seit fast vier Jahrzehnten regelmäßig zu Temperaturmessungen in den Südatlantik fahren, zeigt: Das kälteste Wasser, das dort am Boden der Tiefsee vorkommt, wird immer wärmer. Unklar ist noch, ob dieser Trend seinen Ursprung in der Antarktis hat und wie er sich langfristig auf die globale Ozeanzirkulation auswirken wird.
Die Ergebnisse der Langzeituntersuchung haben die Forscher, darunter ein Ozeanograph des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR), in der internationalen Fachzeitschrift "Geophysical Research Letters" veröffentlicht.
Die Messung der Temperatur an Schlüsselstellen der Weltmeere, man könnte es auch
als "Fiebermessen" im Ozean bezeichnen, ist eine wichtige Aufgabe der
Ozeanographen. Damit können sie mögliche Veränderungen in den Strömungen relativ
rasch erkennen. Eine dieser Stellen befindet sich östlich von Rio de Janeiro, im
so genannten "Vema-Kanal", einem Canyon zwischen dem Argentinischen und
Brasilianischen Becken. Der Kanal in 4500m Wassertiefe ist nur 15km breit, doch
werden dort unvorstellbare drei Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde am Boden
nach Norden transportiert. Das sind 20 Mal mehr als der Amazonas in den Atlantik
führt. Das Wasser, auch antarktisches Bodenwasser genannt, stammt aus südpolaren
Breiten, wo es im Weddell-Meer während des Winters gebildet wird. Anders als bei
vielen Oberflächenströmungen, die vom Wind angetrieben werden, wirken hier
Dichteunterschiede als Antrieb. Der enge Kanal lässt die Strömung auf etwa 25
Zentimeter pro Sekunde anschwellen. "Das scheint auf den ersten Blick nicht
viel, ist aber in diesen Wassertiefen schon fast wie ein Sturm in der
Atmosphäre", erklärt Dr. Walter Zenk vom Leibniz-Institut für
Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR).
Der Kieler Meeresforscher verfasste
die Studie zusammen mit seinem Kollegen Eugene Morozov vom Shirshov-Institut für
Ozeanologie in Moskau. "Bemerkenswert an den von uns und unseren Kollegen in
über 35 Jahren gesammelten Daten ist, dass die Temperatur in diesen Tiefen
systematisch ansteigt, von weniger als 0.18 Grad in den 70iger Jahren auf über
0.22 Grad im Mai 2007, so Zenk weiter. "Das mag vernachlässigbar klingen, hat
aber einen deutlichen Einfluss auf die Dichte des transportierten Wassers, und
Dichteunterschiede sind verantwortlich für den Austausch zwischen den
Tiefseebecken".
Kann man überhaupt so genau messen? "Ja", bestätigt Zenk,
"unsere Instrumente können sogar Temperaturunterschiede von drei tausendstel
Grad messen." Bleibt noch zu klären, woher die Erwärmung kommt. Da ist Zenk
vorsichtiger. "Aus den vorliegenden Daten können wir nicht klar sagen, ob dies
Teil einer langen natürlichen Schwankung ist oder sich vielleicht hier schon die
Klimaerwärmung zeigt. Letzteres wäre möglich, denn die Wassermasse ist nur
einige Jahrzehnte "alt". Das ist die Zeit, die seit dem Absinken von der
Oberfläche in der Antarktis bis zur Ankunft im Vema-Kanal vergangen
ist.
Und die Folgen? Das antarktische Bodenwasser ist Teil einer globalen Ozeanzirkulation, die Wassermassen auf einer Zeitskala von Jahrhunderten umwälzt. Verändern sich diese globalen Umwälzbewegungen, so wirkt dies langfristig auch auf unser Klima zurück. Insofern ist Bodenwasser im Vema-Kanal ein kleines, aber wichtiges Mosaiksteinchen in diesem globalen Spiel. Walter Zenk und seine Kollegen werden deshalb weiter "Fieber messen", um Licht ins Dunkel der Tiefsee und ihrer Geheimnisse zu bringen.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.