Auswirkungen des Tankerunglücks im Schwarzen Meer auf lokale Kleinwale
Archivmeldung vom 12.11.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.11.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittZunächst möchten wir anführen, dass wir über den Tod zahlreicher Seeleute, die bei dem Unfall ums leben kamen, bestürzt sind. Das Unglück wird aber auch langfristige Auswirkungen auf das marine Ökosystem und vor allem leider auch für lokale – als stark gefährdet eingestufte – Kleinwalpopulationen haben. Bei dem betroffenen Gebiet handelt es sich nämlich um ein wichtiges saisonales Paarungs-, Nahrungs- und Aufzuchtsgebiet für Große Tümmler und Schweinswale.
Das aktuelle Tankerunglück, Austritt von Öl und anderer Umweltgifte, vom 11. November 2007
erfolgte in der Straße von Kertsch, einer Meeresenge zwischen der Ukraine und Russland, bei
der sich um eine wichtige Schifffahrtsroute zwischen dem Asowschen Meer und dem
Schwarzen Meer handelt. Es handelt sich jedoch auch um einen extrem wichtigen Lebensraum
für zwei seltene Unterarten von Delfinen und Schweinswalen: Der Schwarzmeer Große
Tümmler ((Tursiops truncatus ponticus) und der Schwarzmeer-Schweinswal (Phocoena
phocoena relicta). In der Straße selbst lebt eine ortstreue Gemeinschaft von Großen
Tümmlern. Zweimal im Jahr migrieren einige Tausend Schweinswale durch die Straße von
Kertsch. Die Höhepunkte dieser Wanderungen vom Asowschen Meer ins Schwarze Meer und
zurück liegen im September-Oktober und zwischen Ende März und Anfang Mai.
Sollten sich Delfine und Schweinswale gegenwärtig nicht im betroffenen Gebiet aufhalten, was
nicht bekannt ist, so können die Auswirkungen viele Jahre lang andauern, den Lebensraum der
Meeressäuger beeinträchtigen und sowohl Nahrungsquellen als auch Wanderrouten betreffen.
In der Zeit von Frühling bis Herbst ist der seichte südliche Teil des Asowschen Meeres auch ein
wichtiges Fortpflanzungs-, Aufzuchts- und Nahrungsgebiet für den Schwarzmeer-Schweinswal.
Auch Teile dieses Gebietes könnten von dem Ölunglück betroffen sein.
Ende Oktober 2007, bei einer Tagung der Vertragsstaaten von ACCOBAMS (Abkommen zum
Schutz von Walen und Delfinen im Mittelmeer und im Schwarzen Meer), wurde die Straße von
Kertsch vom Wissenschaftsausschuss als für Kleinwale auszuweisendes Schutzgebiet
vorgeschlagen. Die Mitgliedsstaaten einigten sich auf eine Resolution über
Meeresschutzgebiete, bei der die Empfehlung der Straße von Kertsch beinhaltet. Es liegt
jedoch nun an der Ukraine und Russland, geeignete Schutzmaßnahmen und einen effizienten
Managementplan unter der nationalen Gesetzgebung auszuarbeiten. Die Ukraine hat das
ACCOBAMS Übereinkommen unterzeichnet, Russland bisher jedoch nicht.
Lebenswichtige Lebensräume für Wale und Delfine im Schwarzen Meer
1. Die Straße von Kertsch (890 km2) verbindet das Schwarze Meer und das Asowsche Meer;
es handelt sich um nationale Gewässer von der Ukraine und Russland. In diesem Gebiet lebt
eine saisonale ortstreue Gemeinschaft von Großen Tümmlern (Tursiops truncatus ponticus).
Im Winter verlassen die Tiere die Straße und ziehen ins Schwarze Meer.
Die Straße von Kertsch ist auch eine wichtige Wanderroute für Schweinswale (Phocoena
phocoena relicta). Diese Meeressäuger unternehmen zweimal im Jahr Wanderungen, verlassen
das Asowsche Meer vor dem Winter (vor allem im September-Oktober) und kehren im Frühling
zurück (normalerweise Ende März bis Anfang Mai). Mehrere Tausend Schweinswale nutzen diese Straße für ihre Wanderungen.
Bedrohungen in der Straße von Kertsch: Intensiver maritimer Verkehr (Störungen),
Küstenfischerei (Beifang in Bodenstellnetzen), der Lebendfang von Großen Tümmlern für
Delfinarien (nur in russischen Gewässern), sowie die Bedrohung durch Umweltgifte.
2. Beim Asowschen Meer (vor allem der südliche Teil) handelt es sich um nationale
Gewässer der Ukraine und Russland. Dieses seichte Meer ist in der warmen Jahreszeit ein
wichtiges Fortpflanzungs-, Aufzuchts- und Nahrungsgebiet für Schweinswale.
Große Tümmler besuchen das Asowsche Meer zu sehr seltenen Gelegenheiten. Gemeine
Delfine (Delphinus delphis ponticus) kommen weder in diesem Gebiet noch in der Straße von
Kertsch vor.
Bedrohungen im Asowschen Meer: Küstenfischerei von Steinbutt und Stör (Beifang in
Bodenstellnetzen), Bedrohung durch Umweltgifte;
Alle drei im Schwarzen Meer vorkommenden Cetacea-Arten – Schweinswal, Großer Tümmler,
Gemeiner Delfin – gelten als „stark gefährdet“.
Quelle: Pressemitteilung WDCS Deutschland