Warum die Anden sich langsamer gehoben haben als gedacht
Archivmeldung vom 09.04.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Anden erstrecken sich von Norden nach Süden über eine Länge von mehr als 7000 Kilometern im westlichen Teil Südamerikas. Im Schnitt ist das Gebirge rund 4000 Meter hoch, einige Gipfel mehr als 6000 Meter. In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler mit neuen Techniken versucht, die Entwicklungsgeschichte des imposanten Gebirges in Zahlen zu fassen: Ihre Modelle legten nahe, dass sich die zentralen Anden im späten Miozän, vor zehn bis sechs Millionen Jahren, vergleichsweise schnell um bis zu 2500 Meter gehoben haben.
Nun haben Prof. Todd Ehlers vom Institut für Geowissenschaften der Universität Tübingen und Prof. Christopher Poulsen von der University of Michigan, der zurzeit als Humboldt-Stipendiat am Tübinger Institut forscht, sowie Nadja Insel von der University of Michigan diese Modelle korrigiert. Sie erklären, warum die den Modellen zugrundeliegenden Daten nicht unbedingt eine schnelle Gebirgshebung anzeigen. Vielmehr spiegeln die Daten eher eine langsame und allmähliche Hebung der Berge wider, die von einem dramatischen Klimawandel begleitet wurde. Diese Klimaänderungen waren in früheren Modellen jedoch nicht berücksichtigt worden. Die Ergebnisse der Forscher wurden kürzlich von der Fachzeitschrift Science online vorab veröffentlicht.
Die Anden haben sich am westlichen Rand der Südamerikanischen Platte der Erdkruste aufgefaltet, an dem diese mit der Nazca-Platte zusammenstößt. Die Nazca-Platte ist unter die Südamerikanische Platte abgetaucht, die Südamerikanische Platte wird durch seitliche Kräfte gegen die abgetauchte Platte gedrückt. Sie wurde dabei zusammengestaucht, das Gestein türmte sich zu dem Gebirge der Anden auf.
Was die Geowissenschaftler über den zeitlichen Ablauf der Hebung der Anden wissen, verdanken sie der Tatsache, dass es Sauerstoffatome mit unterschiedlicher Masse gibt. Neben den 16O-Atomen gibt es zu einem sehr geringen Prozentsatz die schwereren 18O-Atome. Beide Atomarten kommen im Regenwasser vor und werden in Bodensedimente eingebaut. Je weniger 18O-Atome anteilig in den Bodensedimenten vorkommen, desto höher über dem Meer lag das Gebiet zur Zeit der Ablagerung. "Regenwolken steigen durch eine Vertikalbewegung an Bergen auf, dabei fallen die Wassermoleküle mit 18O-Atomen zuerst nach unten, weil sie schwerer sind", erklärt Todd Ehlers. Aktuelle Messungen heutiger Niederschläge geben diese Beziehung präzise wieder: 1000 Höhenmeter machen einen Unterschied von rund drei Promille 18O-Atomen in der Bodenschicht aus. Die Untersuchung von Bodensedimenten aus verschiedenen Höhenlagen der Anden, deren Alter bekannt ist, führte zu der Annahme, dass die Anden in wenigen Millionen Jahren im späten Miozän um rund 2500 Meter höher geworden waren.
In einer Veröffentlichung von 2008 der Earth and Planetary Science Letters kritisierten Todd Ehlers und Christopher Poulsen, dass ihre Kollegen die Rechnung ohne das Klima gemacht hatten, genauer gesagt die Klimaänderung, die mit der Hebung der Anden verbunden war. In einer Simulation des südamerikanischen Klimas, deren Ergebnisse jetzt in Science veröffentlicht werden, haben Poulsen, Ehlers und Insel die Wege der verschiedenen Typen der Sauerstoffatome im Wasserdampf der Atmosphäre während der Hebung der Anden verfolgt. Danach ergaben sich Änderungen der Winde und Niederschlagsmengen im späten Miozän, die den 18O-Gehalt in den damaligen Bodenablagerungen beeinflussten. Zunächst waren diese Einflüsse nicht sehr stark. "Als aber die Anden eine Höhe von rund 2000 Metern erreicht hatten, intensivierten sich die Niederschläge an den Osthängen des zentralen Teils der Anden. Größere Niederschlagsmengen ergeben eine Abnahme von 18O aus dem atmosphärischen Wasserdampf und spiegeln niedrigere Höhen der früheren Bodensedimente vor. Andere Wissenschaftler haben mit völlig anderen Methoden wie Untersuchungen der Vegetation und anderer Isotopenverhältnisse festgestellt, dass das Klima in den Anden damals nasser wurde", sagt Todd Ehlers.
Für die Modelle zur Hebung der Anden bedeuten die Ergebnisse, dass Korrekturen nötig sind: Das Gebirge hat seine beeindruckende Höhe durch eine allmähliche, langsame und stetige Hebung über die vergangenen 40 Millionen Jahre erreicht, nicht durch einen schnellen Prozess in den vergangenen zehn bis sechs Millionen Jahren.
Quelle: Universität Tübingen