Die Rückkehr der Gelbbauchunke: Mehr Leben für die Flussauen
Archivmeldung vom 13.12.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittLebensbedingungen, die für Gelbbauchunken ideal sind, ziehen auch eine Reihe anderer Amphibien an. Die Rückkehr der vom Aussterben bedrohten Art in die Flussauen wird nun in einem Projekt von Wissenschaftlern der Universitäten Kassel und Trier vorangetrieben.
Früher saß die Gelbbauchunke mit ihrer herzförmigen Pupille und der gelbschwarzen Bauchzeichnung buchstäblich in jeder Pfütze. Sie besiedelte als erste neu entstandene Kleingewässer, die das Hochwasser oder ein Sommergewitter zurückließen. In von Weiderindern geschaffenen schlammigen Suhlen und Tränken fühlte sich die Unke mit ihrer lehmbraunen Rückenfarbe sicher.
Seitdem Flüsse und Bäche begradigt, Auenweideland und Tümpel trockengelegt wurden, verschwanden auch die optimalen Lebensbedingungen für die nur fünf Zentimeter große Amphibienart. Aus einem alltäglichen Bewohner der Flussauen wurde eine bundesweit stark gefährdete und in Nordhessen gar vom Aussterben bedrohte Art.
Mit ihrem Projekt „Die Gelbbauchunke als Leitart für Pionieramphibien in den Flussauen Nordhessens: Naturschutzgenetik, Populationsökologie und Schutzmaßnahmen“ wollen Wissenschaftler der Universitäten Kassel und Trier die Gelbbauchunke dabei unterstützen, ihren ursprünglichen Lebensraum Aue wieder zu besiedeln und dauerhaft überlebensfähige Populationen aufzubauen. Geleitet wird das Projekt von Prof. Dr. Ulrich Braukmann vom Fachgebiet Gewässerentwicklung / Gewässerökologie der Universität Kassel und Prof. Dr. Michael Veith vom Fachgebiet Biogeographie der Universität Trier.
Die Forscher messen der Gelbbauchunke eine besondere Bedeutung zu: Ihre optimalen Lebensbedingungen teilt sie mit einigen anderen Auenbewohnern und gilt dabei als „Leitart“, als Stellvertreterin ihrer Artengruppe: „So wie Lachs und Aal uns sagen, wie es um die Durchgängigkeit der Flüsse bestellt ist, zeigt uns die Gelbbauchunke, wie es um den Wasserhaushalt und die Nachhaltigkeit der Nutzung in den landwirtschaftlich hochproduktiven Auen steht“, erklärt Dipl.-Ing. Claus Neubeck, Projektkoordinator im Fachgebiet Gewässerentwicklung / Gewässerökologie der Universität Kassel.
Zentrale Maßnahme des Projekts ist die „Wiedervernässung“ – also die Wiederherstellung des natürlichen Wasserhaushaltes in der Auenlandschaft. Gleichzeitig soll die Einrichtung einer ganzjährig extensiven Rinderbeweidung erfolgen, damit ideale Bedingungen für die Gelbbauchunke entstehen. Damit sollen zahlreiche weitere Bewohner der Aue wie etwa Bekassine, Braunkehlchen, Weißstörche, Kreuzkröten oder verschiedene Libellenarten angelockt werden.
Als Projektgebiet wurde das Mittlere Fuldatal zwischen Rotenburg und Bebra ausgewählt, da hier die Gelbbauchunke noch in kleinsten Restpopulationen vorkommt und ihre Lebensbedingungen von Kommunen, Naturschutzbehörden und –verbänden bereits durch Renaturierungsprojekte verbessert wurden. „Wir wollen wissen, wie weit Revitalisierung gehen muss, damit auch die anspruchsvollen Auenbewohner, die die Spitzenplätze der Roten Listen bevölkern, davon profitieren können“, sagt Claus Neubeck.
An insgesamt zehn Standorten in der Fulda-Aue wollen die Forscher die Startbedingungen für die Wiederbesiedlung gezielt verbessern. Auf allen Flächen werden begleitende wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, so überprüfen die Forscher die vorhandenen Unkenpopulationen auch auf eine Infektion mit dem Amphibien-Chytridpilz Batrachochytrium dendrobatidis. Der Pilz gilt als eine der Ursachen des weltweiten Amphibiensterbens. Er ist inzwischen auch in Europa weit verbreitet und gefährdet auch einheimische Arten. Zur Verbreitung des Pilzes bei Gelbbauchunken und deren Gefährdung ist jedoch bisher kaum etwas bekannt.
Darüber hinaus werden alle noch überlebenden nordhessischen Unkenvorkommen genetisch untersucht. Im Sommer wurden den Tieren hierfür Speichelproben entnommen. Die Wissenschaftler erhoffen sich dadurch Erkenntnisse, wie sich die Isolation einzelner Unkenpopulationen in einer vielfach zerschnittenen Landschaft auf genetischer Ebene auswirkt. So soll geklärt werden, ob diese Umweltbedingungen etwa zu Inzestproblemen geführt haben könnten. Die Daten sind eine wichtige Voraussetzung zur Abschätzung der Gefährdungssituation einzelner Populationen und Grundlage zukünftiger Maßnahmen.
In diesem Teilprojekt forschen Prof. Dr. Kurt Weising vom Institut für Biologie der Universität Kassel und Dr. Ina Pfeiffer von der Uni-Ausgründung Genocanin GmbH i. Gr., die bei der Geländeerfassung von der Arbeitsgemeinschaft Amphibien- und Reptilienschutz in Hessen (AGAR e.V.) unterstützt werden. Neben den wissenschaftlichen Erfahrungen in Nordhessen sollen auch umfangreiche unpublizierte Vergleichsdaten aus dem ganzen Bundesgebiet aufbereitet und die Ergebnisse für andere Regionen nutzbar gemacht werden.
Für ihre Vorhaben haben sich die Wissenschaftler namhafte Partner ins Boot geholt. Das noch bis 2014 laufende Projekt wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, der Michael Otto Stiftung, dem Regierungspräsidium Kassel, Hessen Forst, der Sparkasse Hessen-Thüringen, der Stadt Rotenburg, der Firma Beisheim aus Bebra, aber auch durch die Eigenleistung der beteiligten Wissenschaftler und ehrenamtlichen Naturschützer unterstützt.
Quelle: Universität Kassel (idw)