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Selbstverpflichtung: Universität Hohenheim verabschiedet Leitlinien für Tierversuche

Archivmeldung vom 29.06.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.06.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Matthias Preisinger / pixelio.de
Bild: Matthias Preisinger / pixelio.de

Mehr Transparenz, ein klares Bekenntnis zu Tierversuchen, aber auch die Selbstverpflichtung diese nach Möglichkeit zu reduzieren und abzumildern: Dies sind die Kernaussagen der Hohenheimer Leitlinien für Tierversuche in Forschung und Lehre, die die Universität Hohenheim in Stuttgart heute, am 28. Juni 2017, vor Medienvertretern vorstellte. Zuvor hatte sie der Senat der Universität einstimmig verabschiedet.

Tierversuch ist nicht gleich Tierversuch: „Forschungsprojekte an der Universität Hohenheim reichen von Verhaltensstudien, bei denen landwirtschaftliche Nutztiere lediglich beobachtet werden über die Untersuchung von Blutproben bis zu Versuchen, die das Töten von Tieren notwendig machen“, erklärt Rektor Prof. Dr. Stephan Dabbert.

Die Ziele reichen von verbesserter Tierhaltung bis zum Erkenntnisgewinn über grundlegende biologische Zusammenhänge und der Bekämpfung von Krankheiten. „An der Universität Hohenheim gibt es drei große Forschungsschwerpunkte: Bioökonomie, globale Ernährungssicherung und Gesundheitswissenschaften. Auf absehbare Zeit kann keiner der drei Tierversuche ausschließen“, so der Rektor.

Eingesetzt werden Mäuse, Ratten, Frösche und landwirtschaftliche Nutztiere. Rund 80 % der Versuche entsprechen der Kategorie „geringer Schweregrad“. Rund 5 % fallen in die Kategorie „mittlerer Schweregrad“. Bei zirka 15 % werden Versuchstiere für den Versuch getötet.

Leitlinien wollen Tierversuche auf das notwendige Minimum reduzieren

In ihren Leitlinien bekennt sich die Universität Hohenheim dazu, Tiere in Forschung und Lehre nur dann einzusetzen, wenn ihre Wissenschaftler den Versuch für den Erkenntnisgewinn unerlässlich halten. Sorgfältige Planung und der Einsatz aller möglichen Alternativen soll diesen Einsatz von Tieren auf das unerlässliche Minimum reduzieren.

Dabei unterstützt die Universität strenge Vorgaben und Kontrollen. Angestellte sind aufgefordert, persönliche Bedenken zu äußern und auf eventuelle Mängel in Haltung, Pflege und Umgang mit Tieren aufmerksam zu machen, ohne dabei Benachteiligungen fürchten zu müssen. Eine Misshandlung von Tieren wird nicht toleriert und hat arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Gleichzeitig bekennt sich die Universität zu Transparenz und Dialog. Neben gesetzlich vorgeschriebenen Informationen an Behörden, veröffentlicht sie künftig jährlich aktualisierte Statistiken und gibt Einblicke in Forschung, Lehre und Tierhaltung.

Leitlinien betonen Bedeutung des Themas

„Da wir Tierversuche in einem gewissen Umfang für unverzichtbar halten, ist es der Universität Hohenheim wichtig, ihr Tun und ihre Ziele zu erklären und zu begründen“, erläutert Rektor Prof. Dr. Dabbert die Motivation für Leitlinien und neue Informationspolitik.

Vor allem sollen die Leitlinien jedoch nach innen wirken: „Alle Angestellten sollen wissen: Den Wissenschaftlern, der Universitätsleitung und den gewählten Vertretern der Statusgruppen ist es mit den formulierten Selbstverpflichtungen ernst.“

Dazu habe bereits die Erarbeitung der Selbstverpflichtung beigetragen. Vorausgegangen waren zwei Treffen, zu dem alle Tierversuchsleiter eingeladen waren. Der Textentwurf wurde in allen Fakultätsräten der betroffenen Fakultäten, in den zwei Senatskommissionen für Forschung und für Lehre sowie im Senat selbst ausgiebig diskutiert.

„Dabei hat es sich die Universität sicher nicht leicht gemacht. Insgesamt hat dieser Prozess über ein Jahr in Anspruch genommen“, berichtet der Rektor.

Basis der beschlossenen Transparenz ist die neue Homepage www.uni-hohenheim.de/tierversuche. Darin stellt die Universität beispielhafte Forschungsprojekte vor und erläutert rechtliche Vorgaben. Virtuelle Rundgänge geben Einblick in die Tierhaltung.

Beleuchtet werden auch verschiedene Beispiele von Alternativen, die Tierversuche ersetzen oder reduzieren. Dazu gehören z.B. Zellkulturen, Untersuchungen an Tierkörpern auf dem Schlachthof, die Arbeit mit historischen Präparaten oder die Praxis, in Lehrveranstaltungen zu Blutuntersuchungen, auf abgelaufene Blutkonserven aus der Blutbank zurückzugreifen, statt Tierblut zu verwenden.

Ebenso transparent wird aufgezeigt, wie weit Tierversuche Teil der Lehre sind. So gibt es unter den Pflichtkursen in Biologie und Agrarbiologie ein zoologisches Praktikum, in dem tote Tiere seziert werden.

Dabei handelt es sich um Würmer und Schaben, die in Zoohandlungen als Heimtierfutter und Angelköder angeboten werden. Sezierte Hühner sind männliche Eintages-Küken, die in der Legehennenzucht getötet wurden, Forellen aus dem Lebensmittelhandel sowie betagte Mäuse und Frösche aus der Labortierzucht der Universität, die für die Zucht zu alt wurden.

Grund für den Sezierkurs ist der ganzheitliche Ansatz der Biologie in Hohenheim: Da Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen im Ökosystem interagieren, benötigen alle Absolventen sowohl zoologische als auch botanische Grundkenntnisse, auch wenn sie im Lauf ihres Studiums den einen oder anderen Schwerpunkt setzen.

Studierenden-Diskussionen und Blog zu Lehrveranstaltungen

„Generell ist uns wichtig, dass die Universitätsangehörigen freiwillig mit Tieren arbeiten. Deshalb haben wir in den Studiengangbeschreibungen auch deutlich gemacht, wie weit Tierversuche zum Studium dazugehören. Wer kommenden Herbst ein Studium in Hohenheim aufnimmt, sollte deshalb entsprechend informiert sein.“

Im vergangenen Semester hatte die Universität Hohenheim Kursteilnehmer aufgefordert, ihre Erfahrungen und Gedanken im Laufe des Sezierkurses festzuhalten und in der Abschlussstunde zu diskutieren. Dabei entstand ein Pro- und Contra, das auch auf der neuen Homepage zu lesen ist.

„Gerade dieser Kurs zeigt, dass Tierversuche auch innerhalb der Universität intensiv diskutiert werden. Ich persönlich halte diese Auseinandersetzung für sehr notwendig. Im kommenden Semester plant die Universität auch einen öffentlichen Zoologie-Blog, der regelmäßig aus dem Kurs berichtet.“

Tierversuche auch in Forschung zum Tierwohl notwendig

Ein Abschnitt widmet sich dem Thema Tierwohl-Forschung, in dem die Universität Hohenheim besonders engagiert ist. Dazu gehören Forschungsprojekte zu besseren Haltungsbedingungen, Tierkomfort, Tiergesundheit wie auch Projekte zum Ersatz der Ferkelkastration oder dem Kupieren von Lämmerschwänzen.

So arbeiteten Wissenschaftler der Universität Hohenheim auch maßgeblich am Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ mit, das mehr Tierwohl als erreichbares Ziel in der Landwirtschaft fordert. Veröffentlicht wurde es 2015 durch den wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

„Selbst die Forschung für Tierwohl und Tiergesundheit ist jedoch auch auf Tierversuche angewiesen. Das zeigt, dass Tierversuche und Forschung zum Nutzen von Mensch und Tier zusammenhängen“, so Rektor Prof. Dr. Dabbert.

Hintergrund: Versuchstiere an der Universität Hohenheim

Aufschluss über den Umfang der Tierversuche an der Universität Hohenheim gibt die offizielle Versuchstiermeldung. Jährlich meldet die Universität darin jedes Versuchstier, an dem ein Tierversuch abgeschlossen wurde.

2016 waren dies rund 6.000 Nagetiere, Frösche und landwirtschaftliche Nutztiere. An erster Stelle stehen Hühner (3.971), gefolgt von Mäusen (1.730), Schweinen (152) und Rindern (89).

Erhoben wird auch, welchen Schweregrad die Tierversuche haben. 2016 fielen
81 % in die Kategorie „geringer Schweregrad“, 4 % entsprachen der Kategorie „mittlerer Schweregrad“, bei 15 % musste das Versuchstier für den Versuch getötet werden. Tierversuche der Kategorie „hoher Schweregrad“ finden an der Universität Hohenheim derzeit nicht statt.

Beispiele für Versuche mit geringem Schweregrad sind Schweine mit neuartigen Ohrmarken zu versehen, Ferkeln Blut abzunehmen, um zu sehen, ob sie auf neue Objekte im Stall mit Stress reagieren oder Kühen ein Halfter anzulegen, das ihre Kaubewegungen aufzeichnet.

Einen Versuch mittleren Schweregrad erfahren z.B. Hühner, die mehrere Tage allein in Spezialkäfigen gehalten werden, um den Kot zu sammeln und zu untersuchen. Das Töten von Tieren kann z.B. notwendig sein, um Gewebe oder Organe für Untersuchungen zu gewinnen.

Auf ihrem neuen Infoportal im Internet veröffentlicht die Universität Hohenheim weitere Hintergründe zu Forschungsinhalten, angewandten Tierversuchs-Alternativen, Versuchstierzahlen und -belastungen. Mehr unter www.uni-hohenheim.de/tierversuche

Quelle: Universität Hohenheim

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